Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) betreibt die weltweit größte Flotte spezialisierter Forschungsflugzeuge. Wir stellen sie vor.

Wer kann schon sagen, in seiner Flotte alles vom Segelflugzeug bis zum Airbus A320 und von der viersitzigen Einmot bis zum Langstreckenjet mit interkontinentaler Reichweite zu haben? Um so einen exotischen Mix versammelt zu sehen, muss man beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Braunschweig und Oberpfaffenhofen vorbeischauen. Das DLR betreibt als einzige europäische Großforschungseinrichtung eine Flotte von Luftfahrzeugen, die in der Luftfahrtforschung oder als „fliegende Labore“ dienen.

Elf Flugzeuge und Robin DR400

Mit elf Flugzeugen und Hubschraubern unterhält das DLR die größte zivile Flotte an Forschungsflugzeugen weltweit. Eine zum fliegenden Prüfstand für Wasserstoff-Technologien in der Luftfahrt umgebaute Dornier 328-100 wird demnächst das Dutzend voll machen. Ähnlich viele Flugzeuge gibt es nur beim US-amerikanischen Armstrong Flight Research Center der NASA in Edwards, Kalifornien, nördlich von Los Angeles.

Formationsflug der DLR-Forschungsflugzeuge Airbus A320 ATRA, Gulfstream G550 HALO und Dassault Falcon 20E-5 (von vorne). Bild: DLR

Diese einzigartige Ausstattung macht das DLR zum begehrten Partner in einer Vielzahl von Forschungsprogrammen. Sieht man einmal von der vorwiegend als Schleppflugzeug für das Forschungssegelflugzeug Discus 2c eingesetzten Robin DR400 ab, so ist jedes dieser Flugzeuge und Hubschrauber mit Sensoren vollgestopft oder anderweitig modifiziert.

ATRA bildet Flagschiff der deutschen Forschungsflotte

Für flugwissenschaftliche Untersuchungen stehen den Wissenschaftlern neben einem Airbus A320 insbesondere der „Fliegende Hubschrauber Simulator“ FHS zur Verfügung. Dieser Hubschrauber ist eine modifizierte EC 135 mit „Fly by Light“-Steuerung. Damit man die notwendigen Um- und Einbauten selbst vornehmen kann, ist die „Einrichtung Flugexperimente“, so der offizielle Titel dieses Bereichs des DLR, vom Luftfahrtbundesamt und der europäischen Luftfahrtbehörde EASA als Entwicklungsbetrieb zugelassen.

Damit kann die Forschungseinrichtung Modifikationen für die eigenen Luftfahrzeuge entwickeln und die zum Nachweis der Lufttüchtigkeit gesetzlich vorgeschriebenen Musterprüfungen selbst durchführen.Das Flaggschiff der Flotte ist das Advanced Technology Research Aircraft, kurz ATRA. Diese A320 trägt passend die Kennung D-ATRA und wird für eine Vielzahl unterschiedlicher Aufgaben eingesetzt.

Das HALO-Flugzeug ist weltweit im Einsatz. Bild: DLR

Lärmmessungen und Airbus in Bremen

Dazu gehören Lärmmessungen oder die Erprobung neuer Messverfahren, wie zum Beispiel einer Methode zur optischen Messung der Flügelbiegung, zur Erforschung alternativer Treibstoffe oder Untersuchungen der Arbeitsbelastung von Piloten. Eine Schlüsselrolle spielte das Flugzeug bei der Entwicklung des WEAA (Airborne Wake Encounter Avoidance and Advisory System), eines Systems, das gefährliche Wirbelschleppen anderer Flugzeuge erkennt und Piloten Ausweichempfehlungen gibt.

Die Dornier Do 228-101 mit dem Kennzeichen D-CODE wird als fliegende Universal-Forschungsplattform eingesetzt Bild: Foto: DLR (CC BY-NC-ND 3.0)

Mit dem ATRA forscht das DLR auch auf dem Gebiet der Hochauftriebshilfen. Hier geht es um die Entwicklung neuer Klappensysteme, um die Flugleistungen während der Start- und Landephase zu verbessern und den Fluglärm zu reduzieren. Dabei arbeitet das DLR eng mit dem Bereich High-Lift-Systeme von Airbus in Bremen zusammen.

Die Falcon 2000 LX ist der neue Star

Für Untersuchungen auf dem Gebiet der Flugmechanik und Flugdynamik steht den Wissenschaftlern außerdem seit Februar 2023 eine Falcon 2000 LX namens ISTAR (In-Flight Systems and Technologies Airborne Research) zur Verfügung. Neuartige Sensoren messen, wie sich das Flugzeug bei speziellen Flugmanövern verhält. Mit den Ergebnissen entwickelt das Forschungszentrum einen „Digitalen Zwilling“ des Flugzeugs im Computer weiter und liefert zugleich Erkenntnisse, die dabei helfen, Flugzeuge energieeffizienter auszulegen.

Mit EC135 und Hubschrauberdrohne erprobte das DLR das sogenannte „Fliegen im Verband“ in realen Flugversuchen. Bild: Foto: DLR (CC BY-NC-ND 3.0)

Der Star des Standorts Oberpfaffenhofen ist HALO (High Altitude and Long Range Research Aircraft), eine Gulfstream G550. Statt der normalerweise in diesem Businessjet anzutreffenden luxuriösen Inneneinrichtung gibt es 15 Regale voller Instrumente, zusammen mehr als zwei Tonnen schwer.

Selbst ein Segelflugzeug und dessen Schleppmaschine gehören zur DLR-Flotte. Bild: Foto: DLR (CC BY-NC-ND 3.0)

Es gibt über den Rumpf verteilt insgesamt 20 verschiedene Öffnungen, durch die Luft angesaugt und in den verschiedenen Instrumenten analysiert werden kann. 50 Zentimeter große Fenster in Rücken und Bauch des Jets erlauben optischen Instrumenten den ungestörten Blick nach oben und nach unten.

Weltweit einzigartig

Besonders leistungsfähige Messgeräte sind die LIDAR-Systeme des DLR. Ein LIDAR sendet einen Laserimpuls aus und empfängt seine Reflexion von der Atmosphäre zurück. Daraus lassen sich Konzentrationen von Wasserdampf, Ozon oder Aerosolpartikeln oberhalb oder unterhalb der Flughöhe ableiten. Laut DLR macht die Kombination aus Reichweite, Flughöhe, Nutzlast und umfangreicher Instrumentierung das Flugzeug zu einer einzigartigen Forschungsplattform.

Der Airbus A320-232 D-ATRA (Advanced Technology Research Aircraft) ist das größte Flugzeug der DLR-Forschungsflotte. Bild: Foto: DLR (CC BY-NC-ND 3.0)

Rund 100 Mitarbeiter sind für die Flugzeuge und Hubschrauber verantwortlich: Techniker, Ingenieure und Piloten. Die DLR-Piloten verfügen über eine hohe Spezialisierung bis hin zur Testpilotenlizenz. Die Einsatzgebiete der Forschungsflotte reichen von Grönland bis in die Antarktis, von den USA über Europa und Russland bis nach Japan.

30 wissenschaftliche Missionen pro Jahr

Pro Jahr stehen rund 30 wissenschaftliche Missionen in den Flugbüchern jedes Fluggeräts. Dabei absolvieren sie bis zu 250 Flugstunden im Dienst der Wissenschaft. Das mag im Vergleich zu Flugzeugen im kommerziellen Einsatz wenig klingen, aber keiner dieser Einsätze ist Routine. Jeder verlangt eine detaillierte und technisch aufwendige Vorbereitung, die teilweise eine Umrüstung der Maschinen bis hin zu um- fangreichen Änderungen verlangt.

Text: Heinrich Großbongardt