Die Handley Page Hermes IV war nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs der Versuch der britischen Luftfahrtindustrie, an die Erfolge der US-amerikanischen Hersteller, wie Douglas und Lockheed, anzuknüpfen. Leider ohne Erfolg!

Anders als heute, wo Airbus, ATR, Boeing und Embraer die Vorfelder der Verkehrsflughäfen dominieren, gab es im „Goldenen Zeitalter des Luftverkehrs„, von Ende der vierziger bis in die siebziger Jahre hinein, eine Vielzahl an Herstellern von Verkehrsflugzeugen.

Die Hermes war für BOAC ein Hoffnungsträger

Besonders Großbritannien verfügte über eine bunte Landschaft an kleinen und großen Produzenten, die überwiegend für die heimischen Airlines tätig waren. Klangvolle Namen wie de Havilland, Vickers, Airspeed, Hawker Siddeley, Avro, Bristol, Short und Handley Page gehörten dazu.

Die 25, exklusiv für BOAC gebauten Hermes IV wurden schnell wieder von der Airline ausgemustert. Bild: Luftfahrtarchiv Wolfgang Borgmann

Letztere erhielt nach Ende des Zweiten Weltkriegs von der britischen, staatlichen Langstreckenairline British Overseas Airways Corporation (BOAC) den Auftrag, ein viermotoriges Passagierflugzeug, primär für die Routen zu den britischen Kolonien in Afrika, zu entwickeln. BOAC und BEA fusionierten 1974 zur heutigen British Airways.

Bunte Typenvielfalt

Die so entstandene Handley Page 81 Hermes IV war das erste, nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges in Großbritannien neu entwickelte und in Serie produzierte Langstrecken-Verkehrsflugzeug. Lediglich 25, exklusiv für BOAC gebaute Exemplare verließen das Handley-Page-Werk in Radlett bei London.

Allerdings zeigte sich BOAC im Alltagseinsatz von den für sie maßgeschneiderten Maschinen enttäuscht – ganz im Gegensatz zu sieben privaten britischen Airlines, die von BOAC ausgemusterte Hermes IV für bis zu zwölf weitere Jahre erfolgreich einsetzten.

Für BOAC maßgeschneidert

Die in der BOAC-Version maximal 40 Passagieren Platz bietenden Maschinen entsprachen in ihren Maßen ungefähr einer US-amerikanischen Douglas DC-6, wurden im Gegensatz zu ihrem amerikanischen Pendant jedoch von vier britischen, 14-Zylinder Bristol Hercules 763 Sternmotoren angetrieben.

Diese Werbeanzeige für die Cockpitausrüstung der Hermes IV wurde von Smiths in britischen Fachmagazinen geschaltet. Bild: aviationancestry.co.uk

BOAC stellte die erste Hermes IV im März 1950 in Dienst – begann jedoch bereits nach zwei Jahren das erste Exemplar wieder auszumustern. Nach weiteren zwei Jahren war die gesamte Hermes-VI-Flotte Geschichte. Was als Hoffnungsträger des britischen Flugzeugbaus seinen Anfang nahm, entpuppte sich bereits in der Entwicklungsphase als große Enttäuschung. Die für BOAC bestimmten Maschinen waren zu schwer und ihre Reichweite entsprach nicht den Versprechungen des Herstellers.

Die Hermes enttäuscht BOAC

Dennoch wurden alle 25 Exemplare von der „Corporation“ schließlich widerwillig übernommen – nicht zuletzt da sie alternativlos waren. Zudem beinhaltete das Design der Hermes IV einige, für ihre Zeit sehr fortschrittliche Technologien. Darunter eine Klimaanlage mit Luftfeuchtigkeits-Regelung. Etwas, das in der Neuzeit erst Boeing bei der 787 einführte.

Die Passagierkabine einer Handley Page Hermes IV in der engen Charterversion. Bild: Luftfahrtarchiv Wolfgang Borgmann

Die Kabine war in der BOAC-Version mit lediglich 40, sehr bequemen Liegesesseln ausgestattet. Für das Kabinenpersonal war die H.P. 81 dennoch kein einfacher Arbeitsplatz da sich das Flugzeug mit einem hohen, positiven Anstellwinkel seinem Ziel entgegen bewegte. Ein Gang durch die Kabine in Flugrichtung mit voll beladenen Tabletts und Servierwagen war daher nur mit Mühe zu bewältigen – und die Hermes IV bei Stewardessen und Stewards entsprechend unbeliebt.

Auf dieser Aufnahme kann man gut erkennen, dass die Hermes IV mit einem großen Anstellwinkel flog. Dieser wirkte sich in Form eines hohen Luftwiderstands negativ auf die Leistungsdaten des Flugzeugs aus. Bild: Luftfahrtarchiv Wolfgang Borgmann

Keine zwei Jahre im Einsatz, führte die Indienststellung der ersten Passagierjets des Typs de Havilland Comet zur schrittweisen Ablösung der Hermes IV-Flotte bei BOAC. Erst die Unfallserie der Comet 1 und ihr nachfolgendes „Grounding“ im April 1954 bescherten vier der bereits stillgelegten Hermes IV ab Sommer des Jahres ein kurzfristiges Comeback auf dem BOAC-Streckennetz.

Diese Schnittzeichnung zeigt die Kabine einer Hermes IV der britischen Charterairline Britavia. Da diese Fluglinie auch Truppentransporte durchführte, waren die Sitze entgegen der Flugrichtung angeordnet. Wie bei sämtlichen britischen Truppentransportern der damaligen Zeit üblich. Bild: Luftfahrtsammlung Wolfgang Borgmann

Im Gegensatz zu ihren 21 Schwestermaschinen kamen sie exklusiv auf der Route London – Nairobi bis zum 2. Dezember 1954 zum Einsatz. Doch damit war die Geschichte der Hermes IV keineswegs beendet. Nach geeigneter Kapazität suchend, und durch die britische Devisenknappheit in den Nachkriegsjahren zum Kauf heimischer Produkte verdammt, rissen sich die privaten Fluglinien des Landes förmlich um die von BOAC freigegebenen Flugzeuge.

 

Zwei seltene Farbaufnahmen einer Handley Page Hermes IV der britischen Silver City Airways. Bild: Luftfahrtarchiv Wolfgang Borgmann

Sie flogen ab 1952 für weitere zwölf Jahre erfolgreich in den Farben von Air Links, Airwork, Air Safaris, Britavia, Falcon Airways, Silver City Airways und Skyways of London. Einige dieser Maschinen wurden auch zeitweilig an andere Fluglinien wie Kuwait Airways und die libanesische Middle East Airlines vermietet.

Einzig der Rumpf einer letzten Hermes IV ist erhalten geblieben. Er kann im Imperial War Museum im britischen Duxford bestaunt – und an diversen Besuchertagen auch von innen besichtigt werden.