Die Legende des Bermuda Dreiecks geht auf zwei verschollene Verkehrsflugzeuge in den Jahren 1948 und 1949zurück. Keines konnte je gefunden werden. Wir suchen nach Antworten!

Am 27. Januar 1948 hob die Avro Tudor IV „Star Tiger“, unter dem Kommando von Kapitän McMillan in London ab. Ziel des Linienflugs der British South American Airways (BSAA) war die kubanische Hauptstadt Havanna – mit geplanten Zwischenlandungen und Nachtstopps in der portugiesischen Hauptstadt Lissabon, auf den Azoren sowie den britischen Bermuda Inseln.

Doch „Star Tiger“ sollte ihr Ziel niemals erreichen. Sie verschwand am 30. Januar 1948, samt ihrer sechs Besatzungsmitglieder und 25 Passagiere, spurlos über dem Nordatlantik. Weder Überlebende, noch Wrackteile und Habseligkeiten der Passagiere – oder gar deren Leichen – konnten je geborgen werden.

„Star Ariel“ verschwindet ebenfalls spurlos im Bermuda Dreieck

Ein Jahr später, am 17. Januar 1949, verschwand das Schwesterflugzeug „Star Ariel“. Sie war auf dem Weg von London in die Karibik. Ihr Flugweg sollte ebenfalls über die Bermuda Inseln nach Kingston, Jamaika, führen. Bei dieser Tragödie war der Verlust von sieben Besatzungsmitgliedern und 13 Passagieren zu beklagen.

Auch in diesem Fall sind seit jenem Tag sowohl das Flugzeug, als auch dessen Insassen spurlos, wie vom Erdboden verschluckt.

Bis heute ranken sich Gerüchte und Legenden um diese beiden Cold Cases der Luftfahrt. Zusammen mit dem Absturz weiterer Flugzeuge, und dem mysteriösen Untergang von Schiffen, haben sie den Mythos „Bermuda Dreieck“ geschaffen.

Das Flugzeug

Bei der Avro Tudor handelte es sich um eine Weiterentwicklung des legendären britischen Lancaster-Bombers. Von dessen Version Mark IV, auch Lincoln genannt, übernahmen die Konstrukteure der A.V. Roe and Co. Ltd. (Avro)-Flugzeugwerke die Tragflächen – samt Fahrwerk und die vier Rolls-Royce-Merlin-Motoren. In Kombination mit einer neu entworfenen Druckkabine und neuem Leitwerk, entstand daraus die Tudor 1. Ursprünglich für die Strecke zwischen London und New York entwickelt, übernahm BOAC zwar ein Flugzeug, das von Princess Elizabeth am 21. Januar 1947 feierlich auf „Elizabeth of England“ getauft wurde – stellte jedoch keines der bestellten Exemplare in Dienst.

Für BSAA maßgeschneidert

Im Gegensatz dazu zeigte BSAA an einer für ihre Ansprüche angepassten Tudor IV-Version Interesse. Mit einem um 1,83 Meter verlängerten Rumpf, Platz für 32 Passagiere, einem modifizierten Zweimann-Cockpit, einem maximalen Abfluggewicht von 36,3 Tonnen, und einer maximalen Nutzlast von zwei Tonnen, schien sie das optimale Fluggerät für Routen von London nach Südamerika und in die Karibik zu sein.

Nach dem Erstflug des Prototyps im April 1947 erfolgte noch im September des Jahres die Musterzulassung. Als die G-AHNP registrierte „Star Tiger“ am 30. Januar 1948 spurlos verschwand, stand sie als eine von drei operativen Tudor IV gerade einmal drei Monate im Einsatz. Dabei absolvierte sie 575 Flugstunden – und flog elfmal von Großbritannien in die Karibik, und wieder retour.

Das Ende der BSAA

Nachdem BSAA bereits am 2. August 1947 die für lange Jahre ebenfalls spurlos in den chilenischen Anden verschwundene Avro Lancastrian „Star Dust“ verloren hatte, worüber wir in einem weiteren Cold Case der Luftfahrt berichteten, war das spurlose Verschwinden von „Star Tiger“ und „Star Ariel“ selbst für hartgesottene Luftfahrer und Fluggäste zu viel. Besatzungen und Passagiere hatten sich an häufige Abstürze gewöhnt, das aber gleich drei Maschinen einer Airline wie vom Erdboden verschluckt waren, schlug in der Öffentlichkeit – und der britischen Politik – hohe Wellen. Als dann noch die Finanzen der BSAA in Schräglage gerieten, fiel der Beschluss, die Fluglinie aufzulösen. Zum 1. Januar 1950 wurde sie offiziell in die staatliche British Overseas Airways Corporation (BOAC) integriert.

Verschwunden im Bermuda Dreieck: Die Frage nach dem Warum?

Geht man davon aus, dass sowohl weder „Star Tiger“, als auch „Star Ariel“ den vermeintlich übernatürlichen Kräften des Bermuda Dreiecks zum Opfer gefallen sind, bleibt der Versuch einer Rekonstruktion der Ereignisse anhand des ausführlichen, offiziellen Untersuchungsberichts zum Verlust der „Star Tiger“.

Für deren Crew war die fatale Etappe von Santa Maria auf den Azoren, zu den Bermuda Inseln, der dritte Streckenabschnitt auf dem Weg in die Karibik.

Kapitän McMillan und seine Co-Piloten Colby und Ellison hatten bereits seit London mit technischen Problemen zu kämpfen. So reklamierten sie in Lissabon, und erneut auf den Azoren, dass die Kabinenheizung Probleme macht, und ein Kompass nicht einwandfrei funktioniere. Zudem ließ sich einer der Merlin-Motoren zunächst in Lissabon nicht starten, und musste instandgesetzt werden.

Verdachtsfall: Kabinenheizung

Besonders die mit Flugtreibstoff befeuerte Kabinenheizung stand im Mittelpunkt der Unfallermittler. Schließlich war ihre Bauweise dafür geeignet, unter widrigen Umständen einen Brand an Bord zu verursachen. Unter dem Sitz des Copiloten im Vorderrumpf installiert, ohne Feuerlösch- oder Brandmeldeanlage, war sie stets ein von den BSAA-Besatzungen gefürchtetes Sicherheitsrisiko.

Und noch etwas lief auf dem Schicksalsflug schief. McMillan und seine Crew hatten mit ungewöhnlich starken Gegenwinden zu kämpfen. Daher entschieden sie sich für eine Flughöhe von lediglich 600 Meter. Vollgetankt, und laut Untersuchungsbericht wahrscheinlich schwerer als das maximale Startgewicht, hob „Star Tiger“ am Nachmittag des 29. Januar 1948 in Santa Maria Richtung Kindley Field auf den Bermuda Inseln ab. Eine Stunde zuvor war eine BSAA-Lancastrian auf der identischen Route unterwegs – und erreichte ihr Ziel ohne Probleme.

Aus heutiger Sicht war die zurückzulegende Entfernung von 3631 Kilometer nicht der Rede wert, aber damals die längste Überwasserstrecke der BSAA! Auf Grund des Gegenwinds kalkulierte die „Star Tiger“-Crew laut überliefertem Flugplan mit einer Flugzeit von 12 Stunden und 26 Minuten. Zwischen Start- und Zielort lag ausschließlich der Atlantische Ozean – bis die in Nord-West-Richtung nur 35 Kilometer großen Bermuda Inseln in Sicht kommen sollten. Doch das taten sie im Fall der „Star Tiger“ nicht.

In der Höhe verschätzt?

Die Besatzung der Tudor IV hatte eine Ankunft um 3.36 Uhr am Morgen des 30. Januar 1948 geplant. In ihren stündlichen Positionsberichten funkte „Star Tiger“ regelmäßig, dass sie in 6000 Meter an Stelle der geplanten, und vielleicht tatsächlichen Flughöhe von 600 Meter unterwegs waren. Ein Zufall? Oder wähnte sich die Besatzung tatsächlich 5400 Meter höher, als sie den Anflug auf Bermuda begann – und aus diesem Grund in der Dunkelheit auf der Wasseroberfläche zerschellte?

Fakt ist, dass die letzte Kommunikation zwischen der Funkstation auf den Bermuda Inseln und „Star Tiger“ um 3.15 Uhr am Morgen des 30. Januar stattfand. Der Bordfunker hatte zuvor von Bermuda ein Kurssignal angefordert, das er unmittelbar darauf erhielt und bestätigte. Dies war das letzte Funksignal der Tudor IV. Anderthalb Stunden nach dem letzten Lebenszeichen der BSAA-Crew wurde eine groß angelegte Suchaktion nach dem verschollenen Flugzeug gestartet.

Vergebliche Suche im Bermuda Dreieck

Nachdem eine mit einem Suchradar ausgerüstete Boeing B-17 als erstes Flugzeug aufstieg, um nach „Star Tiger“ Ausschau zu halten, beteiligten sich daran im Laufe des 30. Januar bis zu 25 weitere, auf dem Kindley Field stationierte Maschinen. Erst nach fünf Tagen wurde die Aktion als aussichtslos abgebrochen.

Der offizielle Untersuchungsbericht geht einer Reihe von möglichen Ursachen nach. Dazu zählt ein Triebwerksversagen, eine zu geringe Treibstoffmenge, ein Feuer an Bord, oder eine zu geringe Flughöhe. Das Fazit ist jedoch ernüchternd: Es kann keine Ursache ermittelt werden. Dafür fehlen sämtliche erforderlichen Voraussetzungen – nicht zuletzt ein zu untersuchendes Wrack oder zumindest Teile davon.

Bis zum Auffinden von „Star Tiger“ oder „Star Ariel“, was in den Weiten des Nordatlantiks der Suche nach einer Stecknadel im Heuhaufen entspricht, wird deren spurloses Verschwinden voraussichtlich für alle Zeiten ein Cold Case der Luftfahrt bleiben.