Was das Thema Kabinendesign betrifft, weiß Boeing mit Teague einen überaus vertrauensvollen Partner an seiner Seite. Welche Projekte sie bisher schon gemeinsam realisiert haben und was Pläne für die Zukunft sind.

Eine der wohl ungewöhnlichsten Partnerschaften in der Luftfahrtbranche begann im Jahr 1946 mit dem Boeing 377 Stratocruiser – und lebt bis heute fort. Seit fast acht Jahrzehnten ist die US-Designfirma Walter Dorwin Teague Associates (WDTA) mit dem Kabinenentwurf sämtlicher Boeing-Passagierflugzeuge beauftragt. Beginnend mit der 377 bestimmte Teague in den folgenden sieben Jahrzehnten das Design der Fluggastkabinen von 707, 720, 727, 737, 747, 757, 767, 777 und 787. Auch wenn es nicht um Neuentwürfe geht, sondern um Weiterentwicklungen wie 737 MAX oder 777X, entscheidet Teague, wie die Umgebung aussieht, in der sich Passagiere wohlfühlen sollen.

Teague seit Mitte der Vierziger für Design bei Boeing verantwortlich

Firmengründer Walter Dorwin Teague war Architekt, Illustrator, Grafik- und Industrie-Designer sowie Unternehmer. Ab 1926 bis zu seinem Tod im Jahr 1960 beriet er amerikanische Unternehmen bei deren Produktgestaltung. Er war einer der Väter des modernen Corporate Designs. Teague entwarf Kameras für Kodak, erdachte das Design von Steinway-Konzertflügeln, bestimmte das Aussehen von amerikanischen Fernzügen und Autos sowie Texaco-Tankstellen. Einem internationalen Publikum wurde er über die Gestaltung von Pavillons auf der New Yorker Weltausstellung der Jahre 1939/40 bekannt.

Angesichts einer wachsenden Zahl an Aufträgen und Mitarbeitern gründete Teague 1945 das Designbüro Walter Dorwin Teague Associates. Neben dem Firmengründer, dem später sein Sohn Walter Dorwin Teague Jr. zur Seite trat, konnten sich leitende Mitarbeiter für eine WDTA-Partnerschaft qualifizieren. Unter diesen auserwählten „Associates“ befand sich der Designer Frank Del Guidice, dem Teague den Aufbau und die Leitung des 1946 gegründeten Büros in Seattle übertrug. Zuvor hatte WDTA einen Vertrag mit Boeing über die Kabinengestaltung des wohl luxuriösesten Passagierflugzeugs seiner Zeit abgeschlossen: dem Boeing 377 Stratocruiser. 

Im Jahr 1946 begann die Kooperation zwischen Teague und Boeing mit der Kabineneinrichtung für den damals luxuriösen Stratocruiser, der bereits zwei Decks hatte. Bild: Boeing

Weder Teague noch Boeing dürften damals geahnt haben, dass diese einzigartige Symbiose zwischen einem externen Designbüro und einem der weltweit führenden Luft- und Raumfahrtkonzerne bis heute anhält. 

Teague und Boeing keineswegs eine exklusive Partnerschaft

„Was unsere Kooperation mit Boeing so einzigartig macht, ist die extrem enge organisatorische Verschmelzung. Daher verstehen wir die Bedürfnisse des Kunden sehr genau und können passende Antworten liefern“, sagt Vice President Lindsey Maxwell von Teague. Eine weitere Basis für den Erfolg sieht die Managerin darin, dass Teague zwar Boeing als Großkunden betreut, jedoch nicht exklusiv. „Bildlich gesprochen haben wir einen Fuß außerhalb von Boeing, um neue Ideen zu bekommen, und einen Fuß innerhalb des Konzerns, um diese dort umzusetzen“, erklärt Maxwell. Dabei fokussiert sich Teague auch auf andere Technologien und Mobilitätsthemen, die keinen Bezug zur Luftfahrt haben. 

Wenn zwei selbständige Unternehmen über 76 Jahre so eng kooperieren, stellt sich die Frage, auf welcher vertraglichen Basis diese Zusammenarbeit erfolgt. Im Fall von Boeing und Teague ist das übergeordnete Konstrukt ein langfristiges „strategic partnership agreement“. Dies ist für beide Partner gleichermaßen bedeutsam, da es einerseits für Teague eine gewisse Sicherheit gibt, aber auch Boeing nach der Aufgabe der eigenen Industriedesign-Abteilung vor rund zehn Jahren das externe Know-how in diesem Bereich sichert. Das Übereinkommen wird durch ein detaillierteres „master service agreement“ ergänzt, das alle fünf Jahre neu ausgehandelt wird. „Dennoch ist dies keine Auftragsgarantie für uns, was ich sehr gut finde, da es den Kampfgeist im Unternehmen fördert. Jedes einzelne Boeing-Projekt wird im Detail verhandelt. Wir müssen stets mit exzellenten Ideen punkten und uns um Aufträge bemühen. Es gibt keine Garantien,“ erklärt Maxwell. 

Zusammenarbeit der Ingenieure von Boeing und Teague

Anthony Harcup, Senior Director of Airline Experience bei Teague beschreibt die unterschiedlichen Herausforderungen für sein Team: „Ein existierendes Muster weiter zu entwickeln ist etwas ganz anderes als ein komplett neues, bei dem es zunächst nur ein weißes Blatt Papier gibt. Bei der künftigen 777X, die auf der bekannten 777-Kabine aufbaut, muss man beispielsweise zuerst verstehen was bleibt – und was neu dazu kommen soll. Wir beginnen unsere Arbeit daher mit einer Definition des neuen Flugerlebnisses. Dafür haben unsere Designer die Freiheit, neue Wege zu gehen.“ Gemeinsam mit Boeing entwickelt Teague die gewünschten Schwerpunkte, wobei das Raumgefühl sehr wichtig ist. Teague entscheidet dabei meist über Verkleidungen, Beleuchtung, Gepäckfächer oder Raumteiler – die Auswahl von Sitzen oder individuellen Elementen dagegen übernehmen die Airline-Kunden selbst. 

Harcup: „Bei Teague sind wir in der Lage, Visionen in die Realität umzusetzen. Das Teague-Team hat vielleicht nicht zu allen, aber zu den meisten Boeing-Datensätzen in Bezug auf die Kabinenarchitektur Zugang. Unsere Ingenieure und Designer arbeiten zudem sehr eng mit den Boeing-Ingenieuren zusammen.“ Lindsey Maxwell ergänzt, dass bei einem komplett neuen Flugzeugtyp zunächst die unterschiedlichsten Herangehensweisen getestet werden. Innovative wie konservative Kabinenlayouts werden gegenüber gestellt. Teague untersucht in sehr enger Zusammenarbeit mit Boeing, in welchen Einsatzgebieten das Muster wahrscheinlich fliegen wird.

Für ein optimales Raumgefühl arbeitet Teague mit Trennelementen und Konsole. Bild: Teague

Airlines haben Mitspracherecht

Die Zusammenarbeit beschränkt sich dabei nicht auf Boeing und Teague, sondern schließt die Airlines mit ein. Wichtig, so Maxwell, ist es zu erfahren, wie die Kunden die Entwicklung des Markts einschätzen, und was sie von einem Kabinendesign der Zukunft erwarten. „Dieses Feedback der Airlines ist für den Entwicklungsprozess extrem wichtig“, bestätigen unisono Maxwell und Harcup. „Mein Team unterstützt die Airlines zudem dabei, ihr Firmendesign in der Kabine richtig in Szene zu setzen. Dafür arbeiten wir auch mit den Lieferanten der Kabinenausstattung zusammen“, so Harcup. „Wir sprechen mit so vielen Airlines und sehen deren Wünsche, dass wir daraus Wege für die Kabine der Zukunft bestimmen können“, bestätigt die Managerin.

„Die Produkte, Buchungsklassen und der Service ist zwischen den einzelnen Airlines sehr unterschiedlich. Und das Menü, aus dem wir uns bedienen können, um diese individuellen Wünsche zu erfüllen, war noch nie so groß wie heute“, ist sich Harcup sicher. So ist zum Beispiel die Isolierung der Reisenden an ihren Sitzplätzen in Mini-Suiten, vor allem in der Business Class, ist ein aktueller Trend, der laut den Teague-Experten noch eine Weile anhalten wird. So hat Teague auf den zunehmenden Einsatz von Schmalrumpfjets wie Airbus A321 oder Boeing 737 auf Langstrecken mit dem Elevate-Konzept reagiert. „Damit haben wir ein Design entwickelt, das das Raumerlebnis deutlich angenehmer macht“, ist sich Maxwell sicher.

Nach dem Blick in die Glaskugel des Kabinendesigns befragt, sind sich die Teague-Manager sicher, dass die digitale Konnektivität noch ausbaubar ist, um das Gesamterlebnis des Flugreisens für den Passagier effektiver und angenehmer zu gestalten. Mit einem Augenzwinkern ergänzt die Vielfliegerin Maxwell: „Aber erst einmal müssen es die Airlines nach der Pandemie schaffen, wieder das Basisangebot zu liefern.“