Die Business Aviation ist ins Visier von Umweltaktivisten geraten. Auch wenn deren „Fakten“ mehr als wackelig sind, wird sich die Branche der Diskussion stellen müssen.

Greenpeace hat einen neuen Lieblingssünder ausgemacht und schlägt lautstark Alarm: „Die Zahl der Privatjetflüge in Deutschland ist im vergangenen Jahr um 76 Prozent auf gut 58 000 gestiegen, zeigt eine heute veröffentlichte Greenpeace-Analyse. Damit liegt Deutschland bei dieser extrem klimaschädlichen Form der Mobilität innerhalb der EU auf Platz 2 hinter Frankreich“, heißt es in einer Mitteilung der Organisation. Auch für Frankreich, Großbritannien und die EU insgesamt wartete Greenpeace in gesonderten Pressemitteilungen mit ähnlichen Zahlen auf. Schon im Herbst vorigen Jahres hatte Greenpeace medienwirksame Aktionen gegen die Geschäftsluftfahrt gestartet.

Greenpeace veröffentlicht falsche Zahlen

Am 5. November blockierten 500 Aktivisten von Greenpeace und Extinction Rebellion für sechseinhalb Stunden den Business-Aviation-Bereich am Flughafen Amsterdam-Schiphol. In der Woche darauf fanden ähnliche Proteste in Mailand-Linate, Farnborough, Luton und anderen Flughäfen statt.

Jetzt hat Greenpeace nachgelegt – mit Zahlen, die mit der Realität nur am Rande zu tun haben. Was die von Greenpeace in Auftrag gegebene Studie unterschlägt: Die Basis für die angebliche Zunahme der Flüge in Deutschland um 76 Prozent und ein Plus von 64 Prozent auf europäischer Ebene gilt im Vergleich zu 2020. Das ist das Jahr, in dem der Luftverkehr in Europa bedingt durch die Pandemie über Monate praktisch zum Erliegen kam.

„Wir betonen, dass die Daten nicht korrekt sind“, setzte sich die European Business Aviation Association (EBAA) zur wehr. „Indem der von Greenpeace zitierte Bericht nicht die Daten vor der Pandemie zur Grundlage gemacht hat, zeichnet er ein verzerrtes Bild der Entwicklung.“ Gegenüber 2019 betrage der Anstieg lediglich 7 Prozent. Diese Daten entstammen der Statistik der europäischen Flugsicherungsorganisation Eurocontrol und sind online verfügbar.

Medien verbreiten Zahlen ohne zu hinterfragen

Nicht nur, dass Greenpeace des Effekts wegen mit gezinkten Karten spielt. Auch die Pressemitteilung der Greenpeace European Unit selbst enthält einen dicken Fehler. So werden die Zahl der Flüge mit „Privatjets“ für 2022 einerseits mit 572.806 beziffert und der CO2-Ausstoß mit 5,9 Tonnen pro Flug. Die daraus resultierenden Emissionen aber mit 5,9 Millionen Tonnen – 73 Prozent mehr als rechnerisch korrekt. Die deutsche Sektion von Greenpeace verbreitete zwar die korrekte Zahl, in Brüssel hielt man es aber offenbar nicht für nötig, diesen massiven Fehler zu korrigieren.

In den allgemeinen Medien fiel die Meldung von Greenpeace auf fruchtbaren Boden. Von der Süddeutschen Zeitung und der Zeit bis Spiegel Online und anderen Nachrichtenportalen wurde sie ohne Hinterfragen verbreitet. Die Stellungnahme der EBAA fand nirgendwo Niederschlag. Wohl aber ein Papier der Umweltorganisation „Transport and Environment“ mit einer hanebüchenen Behauptung. Darin zu lesen: Privatjets seien weltweit für 50 Prozent der Emissionen im Luftverkehr verantwortlich.

Luftverkehr einfache Beute für Klimaschützer

Besonders tief stieg das Portal T-Online ein. Unter der Zwischenüberschrift „Kurz und dreckig: Die schlimmsten Strecken“ prangerte das Portal unter anderem an, dass es mehr als ein Dutzend Flüge zwischen Essen und Düsseldorf gegeben habe. Und das, obwohl es zwischen beiden Städten eine S-Bahn-Verbindung und auch eine Autobahn gebe. Dass es für diese Flüge andere Gründe geben könnte, als dass ein S-Bahn-Verweigerer die 30 Kilometer möglichst luxuriös überwinden wollte, kam dem Autor scheinbar nicht in den Sinn.

Der Vollständigkeit halber sei angemerkt, dass eine solche Recherche auch nicht ganz einfach gewesen wäre. Weder die EBAA noch der deutsche Verband GBAA und andere nationale Organisationen sind bisher dadurch aufgefallen, dass sie dem Aufbau von tragfähigen Medienkontakten besonderes Gewicht eingeräumt hätten. Dabei zeigt die Erfahrung zahlreicher anderer Branchen: Wer sein Tun nicht öffentlich erklärt, wird schnell zum Opfer von Fehlinformationen und Halbwahrheiten. Da der Luftverkehr insgesamt eine Zielscheibe von Klimaschützern ist, war es nur eine Frage der Zeit, wann die „Fliegerei der Superreichen“ ins Visier von Ököaktivisten kommen würde.

Businessjets nehmen wichtige Rolle ein

Dabei hätte die Business Aviation viel Gutes über sich zu erzählen. Wenn Jeff Bezos und seine Freundin Lauren Sanchez mit den beiden Gulfstream G650 des Multimilliardärs immer fein getrennt fliegend innerhalb nur eines Monats zwischen Karibik, Hawaii, Los Angeles und Seattle 46.000 Kilometer zurücklegen, dann ist das die Seite der Medaille, die der Öffentlichkeit angesichts des Klimawandels schwer zu vermitteln ist. Aber es gibt eben auch Menschen, die mit ihrem Porsche nur zum Spaß eine Runde über die Autobahn brettern.

Die überwiegende Zahl der Flüge in der Business Aviation hingegen dient rein geschäftlichen Zwecken. Diese bestimmen den Alltag ebenso wie Ambulanzflüge und Organtransporte für die Transplantationsmedizin. Allerdings hat die Branche als Ganzes bisher kaum etwas getan, um diese Aspekte wirksam in die Öffentlichkeit zu tragen. Dasselbe gilt für ihre Vorreiterrolle beim Einsatz von nachhaltigem Flugkraftstoff (Sustainable Aviation Fuel) oder ihre Anstrengungen, Klimaneutralität zu erreichen.

Amsterdam-Schiphol schafft Businessjets ab

Nur wenige Tage nach Veröffentlichung der Pressemitteilung von Greenpeace verkündete der Flughafen Amsterdam-Schiphol, er wolle Businessjets ab 2025 verbannen. Dass fand wenig überraschend breite Beachtung und lauten Beifall. Dabei dürfte
dies mit Klimaschutz weniger zu tun haben als mit den ökonomischen Interessen der Flughafengesellschaft. Die niederländische Regierung plant, die Kapazität auf 440.000 Flugbewegungen zu begrenzen, das Niveau des Jahres 2013. Es gilt daher aus dem Vor- handenen das Maximum herauszuholen. Businessjets stören dabei nur, denn eine G650 lässt die Kassen des Flughafens nicht halb so laut klingeln wie eine A320.

Text: Heinrich Großbongardt