Prall gefüllte Auftragsbücher und neue Entwicklungen einerseits, eine schwierige weltwirtschaftliche Lage andererseits: Die Leitmesse der Business Aviation in Genf wird spannend.

Weit schneller als der Rest der Luftfahrt hat sich die Business Aviation von den Folgen der Pandemie erholt. Sieben Prozent im Plus gegenüber 13,5 Prozent im Minus bei den Airlines lautet die Bilanz per Jahresende. Angesichts immer noch ausgedünnter Flugpläne spielt die Geschäftsluftfahrt ihre handfesten Vorteile aus und konnte in der Pandemie neue Kunden gewinnen. Doch wird sich der Boom fortsetzen? Die EBACE 2023, die vom 23. bis 25. Mai am Flughafen Genf stattfindet, gilt als wichtiges Stimmungsbarometer. Nach der NBAA im Oktober in den USA ist sie die zweitgrößte Veranstaltung der Branche.

Verkehrsaufkommen sinkt im Vergleich zum Vorjahr

Brummt die Wirtschaft, dann brummt auch die Luftfahrt. Davon macht die Business Aviation keine Ausnahme. Die Vorhersagen für das laufende Jahr aber sind nicht rosig. Die Weltwirtschaft wird nur mit mageren 1,7 Prozent wachsen, sagt die Weltbank, in Europa gar nur um die Hälfte. Die Inflation dagegen bleibt hoch. Das ist kein gutes Umfeld.

Bremsspuren, die auf ein mögliches Ende des Booms hindeuten, sind bereits zu erkennen. Jedenfalls registrierte der Hamburger Datenspezialist WingX im ersten Quartal dieses Jahres einen Rückgang des Verkehrs um acht Prozent gegenüber demselben Vorjah- reszeitraum (siehe folgender Artikel). Darin enthalten ist natürlich der Totalausfall des russischen Markts als Folge des Überfalls auf die Ukraine. Aber auch ohne diesen Effekt beträgt das Minus immer noch fünf Prozent. Light Jets wie Phenom 300 und Cessna CJ4 waren sogar zehn Prozent seltener unterwegs. Auch auf globaler Basis war die Business Aviation in den ersten drei Monaten des laufenden Jahres im Sinkflug.

Auftragsbücher sind voll

Andererseits sitzen alle Hersteller auf einem komfortablen Auftragspolster. Sie haben allesamt für dieses Jahr angekündigt, die Produktion weiter zu steigern. Embraer zum Beispiel, die im vergangenen Jahr mit der Phenom 300/300E erneut den meistge- bauten Businessjet stellten, will am Jahresende bis zu 130 Flugzeuge ausgeliefert haben, was knapp 30 Prozent mehr wäre als 2022.

Über ihre genauen Pläne zur Ebace 2023 lassen sich die Hersteller ungern in die Karten gucken. Aber man kann davon ausgehen, dass Gulfstream die Gelegenheit nutzen wird, seine neuesten Top-Produkte in Genf zu zeigen, die G700 und womöglich auch die G800. Die G700 steht wenige Monate vor Abschluss der Flugerprobung, die etwas kürzere G800 mit 14 800 Kilometern Reichweite wird mit einem Abstand von sechs Monaten folgen.

Konkurrent Bombardier, der im vorigen Jahr auf der Messe für eine spektakuläre Überraschung sorgte, als er bekanntgab, dass die Global 7500 während der Flugerprobung als erster Businessjet die Schallgrenze durchbrochen habe, dürfte neben der Global-Familie auch die Challenger 3500 präsentieren. Das Flugzeug ist eine Weiterentwicklung der Challenger 350 und übernimmt eine Reihe technischer Merkmale der Global-Familie in das Super-Midsize-Segment. Für das Kabinen-Design gewann Bombardier bereits mehrere Design-Preise. Das erste Flugzeug wurde zur NBAA im Oktober 2022 ausgliefert.

Dassault, der europäische Champion in der Business Aviation, wird ohne Zweifel seine Falcon 6X zeigen. Der 50 Millionen US-Dollar teure Dreistrahler tritt mit der breitesten Kabine aller Businessjets gegen die Gulfstream G500 und Bombardiers Global 5000 an. Das Flugzeug steht unmittelbar vor der Zulassung. Ein Update ist auch in Hinblick auf die Falcon 10X zu erwarten, selbst wenn der Erstflug noch ein ganzes Jahr entfernt sein dürfte. Ab 2025 soll sie gegen die Spitzenmodelle von Gulfstream und Bombardier antreten.

Ebace 2023 bietet elektrischen Senkrechtstartern eine Bühne

Im vergangenen Jahr hatte die Ebace erstmals der Advanced Air Mobility eine Bühne geboten, also elektrischen Senkrechtstartern (eVTOL) und Flugzeugen mit alternativem Antrieb. Auch in diesem Jahr unterstreicht gleich am Eingang ein Innovation Pavillion den Anspruch der Business Aviation, technologischer Schrittmacher zu sein.
Mit Abstand der größte Aussteller ist Lilium. Das Unternehmen zeigte bereits im Vorjahr ein Großmodell des siebensitzigen Lilium Jet. Der erste Kunde aus der Business Aviation ist Globe Air aus Linz. Im Dezember hatte die britische eVolare einen Vertrag über 20 Lilium Jets unterschrieben. Sie sollen zwischen der Londoner City und dem Flughafen London Oxford eingesetzt werden. Wie alle eVTOL-Unternehmen kämpft auch Lilium unter anderem mit den Hürden der Zertifizierung des neuartigen Fluggeräts.

Noch relativ unbekannt ist die amerikanische Firma AirCar, die einen Zweisitzer mit einer Reichweite von 50 bis 80 Kilometer entwickelt, dessen Rumpf einem Auto nachempfunden ist. Bei einem maximalen Startgewicht von 520 Kilogramm soll das Gerät eine Zuladung von 220 Kilogramm haben, was ein extrem gewichtssparendes Design voraussetzt.
Näher an der Einsatzreife ist Standnachbar Ampaire. Das Unternehmen entwickelt einen nachrüstbaren Hybridantrieb für die Turboprop Cessna Caravan. Erst im Dezember konnte das Unternehmen eine vorläufige Bestellung über sechs Eco Caravan von der brasilianischen Fluggesellschaft Azul Conecta vermelden. Ampaire hofft auf eine Musterzulassung im kommenden Jahr.

Text: Heinrich Großbongardt