29.07.2016 Motorsport ist Materialsport und kann sehr teuer werden. Doch auch ohne eigenen Rennwagen lässt sich Rennluft schnuppern. Sogar im Alltagsauto – und am Anfang noch für kleines Geld. Köln/Boxberg (dpa/tmn) – Ohne Schläger kein Tennis-Match, ohne Rennrad keine Radrennen und ohne eigenen Rennwagen kein Motorsport? Falsch, denn auch ohne eigenes Renngerät ist es möglich, […]

29.07.2016

Motorsport ist Materialsport und kann sehr teuer werden. Doch auch ohne eigenen Rennwagen lässt sich Rennluft schnuppern. Sogar im Alltagsauto – und am Anfang noch für kleines Geld.

Köln/Boxberg (dpa/tmn) – Ohne Schläger kein Tennis-Match, ohne Rennrad keine Radrennen und ohne eigenen Rennwagen kein Motorsport? Falsch, denn auch ohne eigenes Renngerät ist es möglich, auf der Rennstrecke in den Grenzbereich der Fahrphysik vorzudringen, ohne dafür ein kleines Vermögen ausgeben zu müssen.

Denn selbst, wer nur sein serienmäßiges Alltagsauto hat, kann Motorsport betreiben. «Dafür eignet sich der Auto-Slalom am besten», sagt Michael Kramp vom Deutschen Motor Sport Bund (DMSB). «Dort bekommen die Einsteiger schon ein gutes Gefühl für das Auto.» Auf gesperrten Großparkplätzen oder Flugplätzen stecken die Veranstalter mit Pylonen – orange-weißen Plastikhütchen – einen Kurs ab. Den umrunden die Einzelstarter schnellstmöglich mehrfach. Die Streckenlänge liegt bei maximal 5000 Metern. Hohe Geschwindigkeiten erreichen die Autos in der Regel dabei nicht, erklärt der Experte. «Aber schon eine Kurve, die man mit etwa 70 km/h nimmt, kann Fahrer und Fahrzeug an die Leistungsgrenze bringen.»

Dabei lassen sich entweder punktuell einzelne Veranstaltungen oder ganze Meisterschaften fahren. «Die werden sehr regional ausgetragen, damit die Wege und Kosten der Teilnehmer gering bleiben», sagt Kramp. Dazu ist eine nationale C-Lizenz nötig, die regulär 50 Euro kostet. Die Lizenz lasse sich auch direkt vor Ort lösen. «Dazu kommt nur noch das Startgeld von etwa 40 bis 50 Euro.» Allerdings müssten die Fahrer einen für den Motorsport zugelassenen Helm tragen. Die sind aber schon für unter 100 Euro zu haben.

Der Kurs ist so kurz, dass selbst wenn mal unter Vollgas die Reifen quietschen, sie nach dem Slalom noch zu gebrauchen sind. Auch die Gefahr ist gering: «Man dreht sich vielleicht mal, räumt ein paar Pylonen ab, und weiter ist nix passiert», so Kramp. Man startet je nach Leistung und Tuningrad in verschiedenen Klassen und Meisterschaften.

Es gibt absolute Serienklassen mit wenig PS bis hin zu solchen für starke Sportwagen mit profillosen Rennreifen und Sportfahrwerk. «Denn Motorsport ist Materialsport – und auf jedem Niveau lässt sich unbegrenzt Geld ausgeben», erklärt Kramp. Man dürfe auch mit einem Passat Kombi kommen, werde dann aber merken, dass ein Mini mit gleich starkem Motor schneller und wendiger unterwegs ist. Reiselimousinen seien ebenso keine sinnvollen Fahrzeug für regelmäßige Einsätze.

Wenn man die ersten Slaloms hinter sich hat, kann ein Fahrerlehrgang das Geschick steigern. Die bieten etwa Autohersteller oder Autoclubs wie der Automobilclub von Deutschland (AvD) an. In der AvD Driving Academy in Boxberg etwa starten Tageskurse ab 399 Euro. Was lernt man da? «Die eigenen Grenzen und die des Fahrzeugs kennenzulernen und zu beherrschen», sagt Robert Sürth von der Academy. Das beginnt mit fahrerischen Grundtechniken. Zum Beispiel dem Zusammenspiel von Gas, Kupplung und Bremse sowie der richtigen Lenk- und Blicktechnik. Das Ziel: Das Auto kontrolliert am Grenzbereich bewegen zu können.

Die Kurse sind für Autos ab 200 PS gedacht, «damit die Übungen so absolviert werden können, dass eine gewisse Fahrdynamik entsteht», so Sürth. Aber nicht immer sei hier die reine PS-Zahl maßgeblich: «Der Zusammenhang zwischen Gewicht und PS entscheidet dabei auch.» Denn je mehr PS pro Kilo, desto höher das Dynamikverhalten.

Eine weitere Option, auch für schwächere Serienautos, sind Gleichmäßigkeitsprüfungen (GLP) auf Rennstrecken. Zum Beispiel auf der über 20 Kilometer langen Nürburgring Nordschleife, der sogenannten Grünen Hölle. Dabei geht es nicht darum, wer der Schnellste ist. «Eine Rundenzeit, die ich in der ersten Runde erreicht habe, muss ich in den folgenden möglichst genau treffen», sagt Kramp. Neben Lizenz und Helm wie beim Slalom sei mindestens noch ein 2-kg-Feuerlöscher an Bord vorgeschrieben. «Auch ein feuerfester Overall wird dringend empfohlen – ist aber keine Pflicht.»

In der Regel nehmen GLP-Fahrer auch einen Co-Piloten mit, der beispielsweise die Zeiten ansagen kann. Die Autos treten in verschiedenen Klassen an, starten einzeln. Auf der langen Strecke begegnen sie sich zwar, dabei entsteht aber keine Rennsituation. «Denn jeder hat seine eigene Sollzeit im Kopf», sagt Kramp. Gerade in der Grünen Hölle leidet das Auto aber trotzdem. «Ein Kilometer dort geht genauso ins Material wie 13 Kilometer auf der Landstraße», erläutert der Motorsportexperte. So steigen die Kosten für Verschleißteile wie Reifen und Fahrwerksteile an. Mit 5000 Euro laufenden Kosten für eine Acht-Rennen-Saison sollte man rechnen. Wer seine Aktivitäten steigern möchte, denkt besser über ein weiteres Auto nur als Sportgerät nach.

Wem eher Formel-1-Gefühl vorschwebt, kann dies ebenfalls auf dem Nürburgring finden – im Monoposto. Der hat freistehende Räder, ein offenes Cockpit sowie Front- und Heckspoiler. «Das sind quasi kleine Formel-1-Autos», erklärt Uwe Baldes von der Nürburgring Driving Academy. Sie lassen sich ab 18 Jahren mit Führerschein Klasse B in verschiedenen, nach Intensität abgestuften Kursen selbst fahren. Das beginnt beim halbtägigen Monoposto-Schnupperkurs für 395 Euro. Das Sicherheitsequipment von Kopf bis Fuß wird gestellt. Dazu gehören Helm, feuerfester Overall, Handschuhe und ein spezieller Kopf- und Nackenschutz. «Man sieht damit aus wie ein Formel-1-Fahrer, und es ist genauso sicher», sagt Baldes.

Ein Instruktor weist die Piloten in die Flaggensignale an der Strecke und in die Technik ein. «Ins Auto gleitet man wie in einen Schuh hinein und nimmt auf einer Sitzschale Platz», sagt Baldes. Die Renner haben im Vergleich zum Straßenauto eine extreme Haftung durch die profillosen Rennreifen und die Flügel. So sei ein sehr hohes Kurventempo möglich. Und: «Lenkung und Bremsen sind unglaublich direkt ausgelegt.» Die Autos haben 140 PS, wiegen aber nur 465 Kilogramm. Sie sprinten von 0 auf 100 km/h in unter vier Sekunden.

Wer nicht unbedingt selbst ans Lenkrad möchte, aber trotzdem Motorsport-Feeling erfahren will, kann sich am Nürburgring auch einfach ins Taxi setzen, ins Ring-Taxi. Für 295 Euro chauffiert ein erfahrener Instruktor die Passivsportler dann mit einem 575-PS-Sportwagen am Limit durch die Grüne Hölle.

Peter Löschinger, dpa