30.06.2015 Es sah nach wochenlangen Streiks mitten in der Sommer-Reisesaison aus. Doch das Kabinenpersonal und die Lufthansa finden wieder zueinander. Viele Herausforderungen für den Konzern bleiben. Frankfurt/Main (dpa) – Kurz vor einer unkalkulierbaren Streikserie zur besten Ferienzeit haben sich die Lufthansa und die Kabinengewerkschaft Ufo doch noch zusammengerauft. Der Arbeitskampf wurde abgesagt, nun wird wieder über […]

30.06.2015

Es sah nach wochenlangen Streiks mitten in der Sommer-Reisesaison aus. Doch das Kabinenpersonal und die Lufthansa finden wieder zueinander. Viele Herausforderungen für den Konzern bleiben.

Frankfurt/Main (dpa) – Kurz vor einer unkalkulierbaren Streikserie zur besten Ferienzeit haben sich die Lufthansa und die Kabinengewerkschaft Ufo doch noch zusammengerauft. Der Arbeitskampf wurde abgesagt, nun wird wieder über die Zukunft im größten Luftverkehrskonzern Europas verhandelt.

Sind die Streiks der Flugbegleiter endgültig vom Tisch?

Noch nicht, denn zunächst will Ufo gemeinsam mit dem Lufthansa-Vorstand einen zweiwöchigen Workshop durchlaufen, in dem auch verloren gegangenes Vertrauen wieder hergestellt werden soll. Es geht nach Monaten harter Konfrontation neben den Sachthemen auch um Atmosphärisches. «Ich rechne nicht mit formellen Abschlüssen, sondern eher mit einer Charta, wie man künftig miteinander umgeht», sagt Ufo-Chef Nicoley Baublies. Bis zum Ende der Workshops Mitte Juli verzichtet Ufo auf Streiks. Erst danach will die Gewerkschaft entscheiden, ob sie den Arbeitskampf endgültig absagt.

Was haben Lufthansa und Ufo miteinander verabredet?

In den Sondierungen bis in die Nacht zum Dienstag haben beide Seiten eine neue Verhandlungsgrundlage geschaffen. In einem verbesserten Angebot hat Lufthansa als Berechnungsgrundlage akzeptiert, dass die Betriebs- und Übergangsrenten nach der Reform bei einer angenommenen Rendite von 5,5 Prozent ein vergleichbares Ergebnis wie nach dem alten System bringen sollen. Welche Beiträge Arbeitgeber und Beschäftigte dafür konkret einbringen müssen, ist Gegenstand der weiteren Verhandlungen. Auch für fluguntaugliche Beschäftigte und Neueingestellte soll vorgesorgt werden. Ufo hatte zuvor schon den Grundsatz akzeptiert, dass Lufthansa künftig nur noch Festbeiträge für die Renten zahlt und nicht mehr wie bislang das Zinsrisiko für zugesagte Renten trägt.

Warum will Lufthansa das Rentensystem ändern?

In der bisherigen Form sind die Mitarbeiter-Renten nicht mehr finanzierbar. Um die Garantierenten mit einer 6-Prozent-Rendite darstellen zu können, muss Lufthansa in der Bilanz milliardenschwere Rückstellungen bilden, die das Eigenkapital schrumpfen lassen. Ende 2014 betrugen diese Rückstellungen 14,6 Milliarden Euro, wobei ein gutes Viertel auf die Flugbegleiter entfiel. Das neue System mit Festbeiträgen, die durchaus zu ähnlich hohen Renten führen können, wäre hingegen bilanzneutral.

Wohin steuern Lufthansa und Germanwings?

Lufthansa-Chef Carsten Spohr hat ein Jahr nach seinem Grundsatzprogramm «7to1» klargemacht, dass unter den aktuellen Tarif- und Marktbedingungen die Kerngesellschaft Lufthansa weiter schrumpfen wird – möglicherweise von heute noch 310 auf 250 Maschinen. Das müsse vielleicht passieren, damit die Mitarbeiter den Ernst der Lage erkennen, sagte er noch am Montag. Die ebenfalls unter den teuren Piloten-Konzerntarifvertrag fallende Germanwings soll in den nächsten Jahren ausgetrocknet werden: Die Piloten werden nach und nach zur Lufthansa versetzt, die Flugzeuge dann der tariflich günstigeren Schwester Eurowings übergeben.

Welche Rolle spielt künftig die neue Eurowings?

Die neu geschaffene Plattform soll als Zweitmarke dem Konzern in den kommenden Jahren zusätzliches Geschäft einbringen. Sie ist neben den Servicebereichen wie Technik und Catering der große Hoffnungsträger im Konzern. Unter ihrem Dach starten in diesem Herbst nicht weniger als fünf Fluggesellschaften inklusive der abzuwickelnden Germanwings. Künftig könnten noch weit mehr Gesellschaften hinzu kommen, denn Zukäufe in dem zersplitterten europäischen Markt will Spohr ebenfalls unter dem Dach der Eurowings organisieren. Die nächsten Mitglieder der Wings-Familie könnten nach seinen Worten die Beteiligung Brussels Airlines und die italienische Lufthansa-Tochter Air Dolomiti werden.

Was bedeutet das für die Mitarbeiter?

Wenig ändert sich für diejenigen, die schon lange an Bord sind. Das gilt für Piloten wie Flugbegleiter in den hergebrachten Lufthansa-Tarifverträgen. Doch neue Jobs werden in erster Linie in der Wings-Familie entstehen – zu deutlich niedrigeren tariflichen Bedingungen und mit weniger Altersvorsorge. Derzeit bilden die Tarife bei Austrian Airlines den unteren Rand im Lufthansa-Konzern.

Christian Ebner, dpa