Studien zeigen, dass die Flugsicherheit der professionellen Business Aviation in keiner Weise hinter den Airlines zurücksteht. Innovative Sicherheitssysteme und strenge Flugbetriebsstandards sind Verkaufsargumente.

Der Fall machte weit über Deutschland hinaus Schlagzeilen: Am 4. September 2022 stürzte eine Cessna Citation II SP nach stundenlangem führerlosen Flug quer über Europa in der Ostsee ins Meer. Die vier Insassen, ein 72-jähriger Kölner Unternehmer mit 1700 Flugstunden Erfahrung als Pilot, seine Frau sowie seine Tochter mit ihrem Lebensgefährten starben. Das Flugzeug, Baujahr 1979, war am Nachmittag auf dem Flughafen Jerez in Spanien mit dem Ziel Köln gestartet. Gut eine dreiviertel Stunde, nachdem es die Reiseflughöhe in Flugfläche 360, rund 11.000 Meter, erreicht hatte, meldete der Pilot Probleme mit dem Kabinendruck und bat um die Freigabe zu einem Schnellabstieg. Dann brach der Funkkontakt ab.

Flugsicherheit: nur geringe Zahl tödlicher Unfälle

Das Flugzeug setzte seinen Flug in Richtung Nordosten fort, ab den Pyrenäen zuerst von französischen Kampflugzeugen begleitet, dann nacheinander von zwei Alarmrotten der Bundeswehr und schließlich in Estland stationierten Jets der NATO. Gesteuert wurde die Citation offenbar vom Autopiloten, der die einprogrammierte Route abflog und danach Kurs, Höhe sowie Geschwindigkeit beibehielt, bis der Treibstoff verbraucht war. Die französischen Militärpiloten jedenfalls meldeten, dass der Pilot leblos im Cockpit saß und seine Sauerstoffmaske unbenutzt herunterbaumelte.

Diese Cessna Citation stürzte ab, nachdem alle Personen an Bord wegen Problemen mit dem Kabinendruck ohnmächtig wurden. Bild: Dietmar Plath

Spektakuläre Unfälle wie dieser lassen immer wieder die Frage nach der Sicherheit in der Geschäftsluftfahrt aufkommen. Doch laut des Annual Safety Reviews der EASA gab es zwischen 2011 und 2021 in der Kategorie „NCC Business Aeroplane“ gerade mal drei tödliche Unfälle, bei denen insgesamt sieben Menschen ums Leben kamen. NCC steht dabei für Non Commercial Complex, also nicht kommerzieller Flugbetrieb mit komplexen Flugzeugen. Das sind solche mit einem Startgewicht von über 5,7 Tonnen oder mit Jet-Antrieb oder zweimotorige Turboprops. Auch die Zahl der Unfälle ohne Personenschaden ist mit zehn innerhalb von zehn Jahren gering.

Flugsicherheit: wenig Unfälle bei Businessjets

Für die USA zeigt die jährliche Statistik des AOPA Air Safety Institute zudem eine deutlich positive Entwicklung. Danach ist die Unfallrate in der General Aviation in den USA im kommerziellen Flugbetrieb zwischen 2012 und 2020 um 19 Prozent gefallen, bei den Air Taxis verbesserte sie sich bis 2019 sogar um 40 Prozent. Der dann folgende Anstieg
in 2020 scheint ein statistischer Ausreißer zu sein, bei dem auch Pandemie und Lockdown eine Rolle gespielt haben könnten.

Einen einigermaßen brauchbaren Vergleich mit dem Sicherheitsniveau von Fluggesellschaften lässt eine langjährige Statistik zu, die 2015 von der National Business Aviation Association (NBAA) veröffentlicht wurde. Je 100.000 Flugstunden hatte die amerikanische Geschäftsluftfahrt im Zehn-Jahres-Durchschnitt 0,68 Unfälle zu verzeichnen, die Fluggesellschaften der USA hingegen 0,16. Ganz vergleichen lassen sich sie Zahlen aber nicht. Im Durchschnitt dürften die Flüge in der Business Aviation kürzer sein als die der Airlines. In 100.000 Flugstunden stecken daher mehr Starts und Landungen. Die Flugphasen, in denen generell die meisten Unfälle passieren, sind also zu Lasten der Businessflieger überrepräsentiert.

Die Flugsicherheit steigernde Technologien wie Head-up-Displays sind Standard in der Business Aviation. Bild: Christof Brenner

Flugsicherheit: Höhere Innovationsgeschwindigkeit in der Business Aviation

Ein komplett anderes Bild ergibt sich, wenn man Corporate Aviation und Airlines miteinander vergleicht. Dabei schneiden die Flugabteilungen von Unternehmen mehr als doppelt so gut ab wie Fluggesellschaften:

0,074 gegenüber 0,16. Die Gründe dafür liegen auf der Hand: Wegweisende Technologien wie zum Beispiel Head-up-Displays oder Synthetic Vision wurden hier als erstes eingeführt. Während Airbus und Boeing noch mit ihren Kunden über Sinnhaftigkeit und Wirtschaftlichkeit einzelner Innovationen diskutieren und sie häufig zunächst nur als Option anbieten, sind sie in Businessjets bereits im Einsatz und stellen ihren Nutzen unter Beweis.

Synthetic Vision wie hier von Aspen Avionics ist in kleineren Flugzeugen Standard. Bild: Aspen

Wer anspruchsvolle Plätze wie Samedan, Bozen, Sion und andere anfliegt, der erhält mit dieser Technik nicht nur zusätzliche Sicherheitsreserven, sondern kommt dort auch dann noch sicher runter, wenn andere schon einen Ausweichflughafen ansteuern müssen. Ohnehin sind die Produktzyklen in der Business Aviation kürzer und damit die Innovationsgeschwindigkeit höher. Airbus und Boeing denken, was den Generationswechsel ihrer Flugzeuge angeht, in Zeiträumen von 20 Jahren. Gulfstream, Bombardier und Dassault gönnen ihren Produkten eher nach zehn Jahren ein Update.

Blick durch das Head-up-Display „Falcon Eye“ einer Dassault Falcon 2000LXS. Bild: Aspen

Thema Flugsicherheit als zentrales Verkaufsargument

Wenn die Wirtschaftlichkeit eines Produkts nicht mit spitzem Bleistift nach den Kosten pro Sitzkilometer berechnet wird, sondern nach der Attraktivität für den Kunden, dann ergeben sich in dieser Hinsicht ganz andere Spielräume. Während die Airlines über das Thema Sicherheit generell nicht sprechen, es sei denn ganz allgemein, ist es für die Business Aviation ein zentrales Argument. Fliegen ist Vertrauenssache. Die Kunden wollen ja nicht nur luxuriös, schnell und flexibel unterwegs sein, sie wollen sich auch gut aufgehoben fühlen.

Champagner ist nichts ohne Sicherheit. Um dieses Vertrauen zu schaffen, ordnet Flexjet im Rahmen ihres Red-Wings-Konzepts jedem Flugzeug feste Crews zu. Die Piloten fliegen also immer dasselbe Flugzeug. Konkurrent NetJets wirbt unter anderem mit einem System zur Vorhersage des Ermüdungsrisikos der Piloten. Es überwacht und analysiert die Aufmerksamkeit von Crew-Mitgliedern auf Grundlage von Schlaf-Wach-Rhythmen, Ruhe- und Reisemustern und anderen Variablen, damit sie bei jedem Flug ihre volle Leistungsfähigkeit haben. Andere Betreiber werben mit den Zertifikaten externer Auditspezialisten, wie etwa dem Wyvern Wingman.

Flugsicherheit durch internationale Standards

Die Konzentration in der Branche und die zunehmend höheren Anforderungen der Luftfahrtbehörden tragen insgesamt dazu bei, dass eine gewisse Hemdsärmeligkeit, die früher in manchen Flugbetrieben zu finden war, immer seltener wird. Lässigkeit hat eben nichts mit Professionalität zu tun, ganz im Gegenteil. Stattdessen wächst die Zahl jener Unternehmen, die Strategien und Instrumente übernehmen, die sich in Airlines bereits bewährt haben, indem sie die Zahl von Unfällen und Zwischenfällen verringerten. Ein solches Werkzeug sind zum Beispiel Standard Operating Procedures. Sie sind für alle Piloten des jeweiligen Betreibers verbindlich und legen zum Beispiel fest, dass bei sichtbarer Luftfeuchtigkeit und einer Lufttemperatur unter zehn Grad die Triebwerksenteisung beim Rollen und beim Start eingeschaltet werden muss. Die individuelle Einschätzung der einzelnen Besatzung und damit das Risiko einer Fehlentscheidung ist damit aus der Welt geschafft.

Zusammen mit Organisationen wie NBAA und EBAA hat der Weltverband der Business Aviation IBAC durch die International Standards for Business Aircraft Operations (IS- BAO) für Betreiber jeder Größe einen Rahmen geschaffen, um durch ein Risikomanagement die Sicherheit zu erhöhen. Und der European Plan for Aviation Safety der EASA für den Zeitraum von 2022 bis 2025 schließt auch die Business Aviation ein. Nicht immer liegen die Risiken aber bei den Betreibern, so wie im Fall des Prominenten-Airports Aspen in Colorado. Dort gab es in den vergangenen 40 Jahren im Durchschnitt mehr als einen schweren Unfall pro Jahr. 90 Flugzeuge sind fest am Aspen/Pitkin County Airport stationiert, darunter ein Dutzend Jets.

Piloten bilden Arbeitsgruppe für höher Flugsicherheit

Im Winter und in der Sommersaison steht das Vorfeld voll mit großen Jets, deren Eigner mitten in den Rocky Mountains zwischen hohen Gipfeln Urlaub machen. Erst im Februar vorigen Jahres schoss eine Hawker 800XP bei einem Startabbruch über die 2440 Meter lange Bahn hinaus. Zum Glück kamen keine Menschen zu Schaden. Anders war es im Juli 2021, als eine Beech Bonanza an einem der umgebenden Berge zerschellte. Die Höhenlage von knapp 2400 Metern in Verbindung mit den Viertausendern in der Gegend machen Start und Landung zur Herausforderung. Piloten haben nun eine Arbeitsgruppe gebildet, um Vorschläge zur Senkung der Unfallzahlen zu machen.

Sicherheit ist nicht allein eine Frage des Trainings und der Professionalität der Piloten. Sie entsteht in einem Umfeld, in dem alle Beteiligten sie zum Maßstab ihres Handelns machen. Sie ist nicht umsonst zu haben; man muss sie sich leisten können und wollen. Die Konsolidierung der Business Aviation mit der Entstehung größerer, leistungsfähiger Anbieter hat sicher einen positiven Einfluss.

Text: Heinrich Großbongardt