Schönefeld, 16. April 2016 Die Zusammenarbeit zwischen Brandenburg, Berlin und dem Bund läuft am künftigen Hauptstadtflughafen weitgehend reibungslos – zumindest bei einer Notfallübung auf der Baustelle. Es ist der bislang größte Test dieser Art in Brandenburg. Punkt 11.30 Uhr hüllen Nebelwerfer den Passagierbus auf dem Vorfeld des neuen Hauptstadtflughafens BER in dicke Rauchschwaden. Eine Minute […]

Schönefeld, 16. April 2016

Die Zusammenarbeit zwischen Brandenburg, Berlin und dem Bund läuft am künftigen Hauptstadtflughafen weitgehend reibungslos – zumindest bei einer Notfallübung auf der Baustelle.

Es ist der bislang größte Test dieser Art in Brandenburg.

Punkt 11.30 Uhr hüllen Nebelwerfer den Passagierbus auf dem Vorfeld des neuen Hauptstadtflughafens BER in dicke Rauchschwaden. Eine Minute später rücken die ersten Löschwagen der Flughafenfeuerwehr unter lautem Sirenengeheul an. „Zusammenstoß eines voll besetzten Airbus A380 mit einem ebenfalls voll besetzten Passagierbus“ lautet das Szenario der Übung, die rund 1400 Einsatzkräfte bewältigen wollen.

In Wahrheit ist es eine Boeing 737 von Air Berlin, die in dichtem Qualm auf dem Rollfeld steht. Doch 400 Einsatzfahrzeuge der Feuerwehr, Rettungsdienste, der Landes- und Bundespolizei sowie Hunderte Rettungskräfte sorgen in den kommenden Stunden für eine realistische Atmosphäre. Es ist die bislang größte Notfallübung in Brandenburg.

Binnen weniger Minuten hat die Flughafenfeuerwehr den „brennenden“ Bus gelöscht. Dann verlassen als Erste die unverletzten und leichtverletzten Passagiere das Flugzeug – nicht wie im Ernstfall auf Notrutschen, sondern über normale Fluggasttreppen. Der Einsatzleiter der Flughafenfeuerwehr dirigiert die Statisten zu einem Sammelpunkt. Von dort werden sie wenig später ins Kongresszentrum des Flughafens gebracht und dort von 40 Notfallseelsorgern und Helfern betreut.

Rund um die Unfallstelle organisiert der Leitende Notarzt Benno Bretag unterdessen das, was er später die „Chaos-Phase“ nennt. „In so einer Situation muss man erst einmal eine Struktur schaffen“, sagt er. „Innerhalb von zehn Minuten haben wir zwei Abschnitte eingerichtet, wo die Schwer- und Schwerstverletzten versorgt werden können.“ Eine Trägerkette von Feuerwehrleuten transportiert 125 Patienten-Dummies zu diesen „Verletzten-Ablegestellen“. Weitere 125 Polizeischüler mimen Leichtverletzte, die von den Notärzten später ambulant behandelt werden.

Unterdessen laufen in der Polizeiinspektion Dahme-Spreewald die Telefone heiß. Dort nehmen Polizisten und Mitarbeiter des Deutschen Roten Kreuzes die Anrufe von besorgten Angehörigen entgegen. „Doch bei solch einer Großlage reichen diese Kapazitäten der Brandenburger Personenauskunftsstelle nicht aus“, sagt ein Polizeisprecher. Daher wird die Inspektion von 55 Kräften in Dienststellen von fünf weiteren Bundesländern unterstützt. Die Anrufe werden über Telefonrouter weitergeleitet. Alle Mitarbeiter nutzen ein Internet-Programm, in das ständig aktuelle Meldungen zu den betroffenen Passagieren eingespeist werden. Mitarbeiter der Kreisverwaltung halten die Beamten mit rund 1500 simulierten Anrufen in Atem.

„Alles hat wie geplant funktioniert, die Alarmierungen und die Zusammenarbeit mit den anderen Behörden haben weitgehend reibungslos funktioniert“, zieht der Ordnungsdezernent des Landkreises, Wolfgang Starke, nach zwei Stunden eine erste Bilanz. Auch Notarzt-Leiter Bretag zeigt sich zufrieden. „Uns hat zunächst nur zu schaffen gemacht, dass wir im Dauerregen keine Zelte für die Versorgung der Verletzten hatten.“ Diese wurden erst später in einem sogenannten „MANV“-Container von der Berliner Feuerwehr angeliefert. „MANV“ steht als Motto der Übung für „Massenanfall von Verletzten“. „Insgesamt ist alles in einem realitischen Zeitrahmen abgelaufen“, betont Bretag.

Beobachter wundern sich allerdings, dass erst nach eineinhalb Stunden die ersten Verletzten mit Rettungswagen in die Kliniken gebracht wurden. „Zunächst ist es notwendig, die Schwerverletzten medizinisch zu versorgen und eine Reihenfolge festzulegen, damit die am schwersten Verletzten zuerst in eine Klinik kommen“, erläutert Bretag dazu.

Bei der Feuerwehr zeigt man sich erstaunt über diese Aussage. „Ich finde, man sollte einfach die Wahrheit sagen“, sagt ein Feuerwehrmann. „In solchen Fällen gilt die „Golden Hour of shock“. Das bedeutet nach den Regeln der Notfallmedizin, dass Verletzte innerhalb einer Stunde in einer Klinik sein sollten, um bestmögliche Überlebenschancen zu sichern.

Klaus Peters, dpa