Paris Knapp zwei Jahre lang schien es so, dass Katastrophe des Air-France-Flugs AF 447 für immer ein Rätsel bliebe. Dann entdeckte ein Experten doch noch die Flugdatenschreiber im Südatlantik. Jetzt liegt die Bilanz der Flugunfallermittler vor. Vollkommen überrascht, aus dem Gleichgewicht geraten, überfordert: In ihrem Abschlussbericht zu einer der schwersten Flugzeugkatastrophen aller Zeiten haben die […]

Paris

Knapp zwei Jahre lang schien es so, dass Katastrophe des Air-France-Flugs AF 447 für immer ein Rätsel bliebe. Dann entdeckte ein Experten doch noch die Flugdatenschreiber im Südatlantik. Jetzt liegt die Bilanz der Flugunfallermittler vor.

Vollkommen überrascht, aus dem Gleichgewicht geraten, überfordert: In ihrem Abschlussbericht zu einer der schwersten Flugzeugkatastrophen aller Zeiten haben die Unfallermittler am Donnerstag vernichtende Kritik am Verhalten des Pilotenteams von Air France geübt. In dem Cockpit des am Pfingstmontag 2009 abgestürzten Airbus A330-200 herrschte demnach vor dem Absturz in den Atlantik totales Chaos. Theoretisch beherrschbare Probleme bei der Geschwindigkeitsmessung führten dazu, dass 228 Menschen an Bord starben. Unter ihnen waren auch 28 Deutsche.

Abgeschlossen ist die Aufarbeitung von Todesflugs 447 damit allerdings noch lange nicht. Die Flugunfallermittler betonten bei der Vorstellung ihres Berichts, dass es an der Justiz sei, die Schuldfrage zu klären. Theoretisch könnten die Piloten beispielsweise wegen mangelhafter Ausbildung falsch reagiert haben, als sich nach der Vereisung der Pitotsonden zur Geschwindigkeitsmessung der Autopilot der Maschine abschaltete.

Damit wären nicht die Crew sondern die Fluggesellschaft oder die Ausbildungsregeln verantwortlich für den Absturz. Auch der Flugzeugbauer Airbus ist noch keineswegs aus dem Schneider. Die Ermittler empfehlen in ihrem Gutachten ausdrücklich Änderungen an den Anzeigen. Die Piloten hätten gar nicht besser reagieren können, erklärte Air France in einer ersten Stellungnahme.

Für die Angehörigen der 228 Opfer ist diese Situation unbefriedigend. Sie warten seit drei Jahren vergeblich darauf, dass die französische Justiz ein Anklageverfahren wegen fahrlässiger Tötung einleitet. Enttäuschend sei der bisherige Verlauf der Ermittlungen, kommentierte am Donnerstag Bernd Gans (71). Er ist Vorsitzender der deutschen Hinterbliebenenvereinigung Hiop AF 447 und verlor bei der Katastrophe seine 31 Jahre alte Tochter. Sie hatte ihren Bruder in Rio de Janeiro besucht und wollte über Paris zurück nach Hause.

Bei den Ermittlungen zur Absturzursache stützten sich die Experten der Luftfahrtermittlungsbehörde (BEA) vor allem auf die Auswertung der Flugdatenschreiber. Sie waren im Frühjahr des vergangenen Jahres nach mehreren vergeblichen Suchaktionen aus rund 4000 Metern Tiefe geborgen worden. Neben den Flugschreibern und zahlreichen anderen Flugzeugteilen holte das Bergungsteam auch die sterblichen Überreste von 104 Opfern an die Meeresoberfläche. 50 auf dem Wasser treibende Leichen waren bereits kurz nach dem Unglück geborgen worden.

Auch der aus dem oberbayerischen Vaterstetten stammende Bernd Gans und seine Familie konnte nach der Bergungsaktion an einem Grab Abschied von seiner Tochter nehmen. «Immerhin gibt es jetzt einen Ort in unserer Nähe», sagte er am Donnerstag. «Auf jeden Fall in diese Richtung ist das ein gewisser Abschluss.»

Für die meisten Hinterbliebenen wird der Ausgang der juristischen Ermittlungen keine direkte Bedeutung haben. Die deutsche Angehörigen haben sich mit Air France und den Versicherern bereits auf Entschädigungszahlungen geeinigt – sie mussten sich aber verpflichten, über die Beträge Stillschweigen zu bewahren. Nach Angaben von Betroffenen ging es nur um absolut bescheidene Summen. Die deutsche Vereinigung Hiop AF 447 will sich dennoch weiter für eine lückenlose Aufklärung der Schuldfrage einsetzen. «Wir werden weiter kämpfen», heißt es. Es gehe darum, dass es nie wieder einen solchen Absturz gebe.

Quelle: Ansgar Haase, dpa