Die Saab 90 Scandia hätte ein Verkaufserfolg werden können, wenn der Kalte Krieg zwischen Ost und West nicht dazwischen gekommen wäre.

Hört man aktuell von SAAB in den Nachrichten, dann geht es meist um Rüstungsgeschäfte. Sowohl in der Luft, am Boden, als auch unter Wasser in Form von U-Booten findet man SAAB-Produkte. Dabei hat die Svenska Aeroplan Aktiebolaget (SAAB), zu deutsch „schwedische Flugzeug Aktiengesellschaft“, auch eine interessante zivile Vergangenheit.

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Die schwedische Flugzeugproduktion begann bereits in den zwanziger Jahren in Limhamn bei Malmö. Dort hatte Junkers eine Zweigwerk etabliert und fertigte zivile Flugzeuge, wie die abgebildete Junkers W34, aber auch militärische Varianten. Bild: Luftfahrtarchiv Wolfgang Borgmann

Der 1937 gegründete Luftfahrtkonzern, der zwischen 1947 und dem Jahr 2000 auch Automobile fertigte, produzierte in seiner Geschichte genau 3,5 Airliner. Dreieinhalb? Ja, denn zu den selbst entwickelten Mustern Saab 90 Scandia, Saab 340 und Saab 2000, gesellte sich im Zweiten Weltkrieg die Umrüstung von US-Bombern des Musters Boeing B-17 Flying Fortress zu „Felix“-Passagierflugzeugen. Letztere kamen auf Kurierflügen zwischen Schweden und Schottland – und nach Kriegsende auf Linienflügen zwischen Skandinavien und Zielen in Europa, Nordamerika und Afrika zum Einsatz.

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Frachtverladung an Bord der SAAB/Boeing B-17 mit dem Taufnamen „Jim“, kurz vor dem Abflug in Stockholm-Bromma Richtung New York. Bild: SAS

Saab 90 war ziviler Hoffnungsträger

Heute stellen wir mit der Saab 90 Scandia das bislang größte Passagierflugzeug der Schweden vor, das sich aus unterschiedlichsten Gründen für SAAB zu einem großen Flop entwickelte.

Bei einem Weihnachtsessen im Jahr 1943 diskutierten Carl Florman, Direktor der schwedischen Fluglinie AB Aerotransport (ABA) sowie Ragnar Wahrgren, Direktor der SAAB-Flugzeugwerke erstmals die Möglichkeit, ein Verkehrsflugzeug in Schweden zu bauen.

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Diese Zeichnung entstammt einer Werbebroschüre der SAS aus den 50er-Jahren. Bild: SAS

Florman war auf der Suche nach einem modernen Flugzeugmuster, mit dem seine ABA in den erwarteten Friedenszeiten an den Start gehen sollte. Da SAAB noch nie ein so großes Verkehrsflugzeug gebaut hatte und zudem im Zivilgeschäft völlig unerfahren war, stellte die seit 1926 aktive ABA den idealen Entwicklungspartner dar. Am 23. Februar 1944 präsentierte SAAB seine ersten Konzeptideen, die den grundlegenden Erwartungen der ABA an das Layout des neuen Verkehrsflugzeugs in allen Punkten entsprach.

Synergien mit DC-3-Flotte

Der Tiefdecker mit Einziehfahrwerk sollte mit zwei Pratt & Whitney R-1830 »Twin Wasp«-Motoren ausgestattet sein, wovon sich ABA Synergien bei der Motorüberholung mit der Douglas-DC-3-Flotte der Airline erhoffte. Ferner wünschte sich Florman ein Ganzmetallflugzeug mit einer Kapazität von 25 bis 30 Passagieren sowie Fracht, einer Reichweite von 1.000 Kilometern, einer Reisegeschwindigkeit von 300 km/h und einem maximalen Startgewicht von 11,6 Tonnen.

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Dieser Brief wurde mit dem ersten Postflug einer Saab Scandia der SAS, vom Süden Schwedens in den äußersten Norden des Landes, am 20. Juni 1954, versandt. Bild: Luftfahrtsammlung Wolfgang Borgmann

Nur fünf Tage später genehmigte der Saab-Aufsichtsrat die Produktion des bis dahin namenlosen Projektes. Obgleich ABA das nun intern „Civilt Trafikflygplan“ (ziviles Verkehrsflugzeug) genannte Muster mit Ingenieurleistungen massiv unterstützte, zierte sich die Fluglinie zunächst Bestellungen abzugeben. Das hielt SAAB jedoch nicht davon ab, das Projekt wie geplant fortzuführen.

Schwieriger Start

Ein halbjähriger Streik in der schwedischen Metallindustrie sowie die komplexen Entwicklungsarbeiten verzögerten den ursprünglich für das Jahr 1945 avisierten Erstflug der nun offiziell Saab 90 Scandia genannten Maschine. So startete der SE-BCA registrierte Prototyp erst am 16. November 1946 in Linköping zu seinem ereignislosen Erstflug. Ein Ergebnis der nachfolgenden Flugtests war, dass die Serienmaschinen mit leistungsstärkeren Pratt & Whitney R-2180 Motoren ausgestattet wurden. Im März 1947 hob eine Vorführmaschine zu einer Verkaufstour durch Europa ab, die jedoch zur großen Enttäuschung des SAAB-Managements zu keiner einzigen Bestellung führte.

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Dieses Aschenbechermodell der Saab 90 Scandia wurde von SAAB an potentielle Kunden verteilt. Bild: Wolfgang Borgmann

Erst am 20. April 1948 unterzeichnete AB Aerotransport als erster Kunde eine Order über zehn Exemplare der Serienversion Saab 90A-2. Zwei Jahre später folgten die brasilianischen Fluglinien VASP und Aerovias do Brasil mit einer Bestellung von zunächst sechs Saab 90. Nach der Übernahme von Aerovias durch VASP am 21. Dezember 1950 übernahm diese auch die Scandia-Lieferpositionen von VASP. Diesen lateinamerikanischen Bestellungen ging eine Verkaufstournee mit dem Saab 90-Prototypen durch die USA und Südamerika voraus, die jedoch nur bei den beiden brasilianischen Fluglinien Interesse weckte.

Verkaufserfolg in Südamerika

Nach einem Überführungsflug, der von Schweden über Genf, Lissabon, Dakar und Recife nach Rio de Janeiro führte, traf das erste ausgelieferte Kundenflugzeug im Juni 1950 bei VASP ein. ABA, mittlerweile ein Teil der Scandinavian Airlines (SAS), erhielt ihre erste Scandia im Oktober 1950. Zuvor hatte sie ihre Bestellung um vier Flugzeuge auf total sechs Saab 90 reduziert.

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SAAB präsentierte 1947 den Prototypen des Pkw „Ur-Saab“, 92001. Er wurde von Luftfahrtingenieuren entworfen, was man an der perfekten aerodynamischen Form erkennt. Sie dachten an alles… bis auf einen Kofferraumdeckel. Bild: SAAB

Im Jahr 1951 stellte die schwedische Luftwaffe Saab vor die Wahl, entweder die Scandia-Produktion ganz einzustellen, oder an einen anderen Ort zu verlegen. Grund war der geplante Aufbau von zehn zusätzlichen Geschwadern der schwedischen Luftwaffe und deren Ausrüstung mit 661 bestellten Kampfflugzeugen des Musters Saab J29 Tunnan.

Scandia steht der schwedischen Aufrüstung im Weg

Der Grund: nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs hatte sich eine tiefe Kluft zwischen den Staaten Ost- und Westeuropas gebildet. Und so rüstete sich Schweden militärisch auf, falls aus dem „Kalten Krieg“ ein „Heißer Krieg“ werden sollte. Die Scandia stand deren Fertigung im Saab-Werk Linköping im Weg – doch eine Lösung bot sich in Form einer Produktionsverlagerung der Saab 90 zu Fokker in Amsterdam an.

Dem vorausgegangen waren erfolglose Verhandlungen mit dem italienischen Fiat-Konzern. Am 2. Mai 1952 vereinbarten Fokker und Saab vertraglich die Lieferung von Bauteilen aus Schweden und die Endmontage der Saab 90 in Holland. Allerdings war der schwedische Airliner auch in Amsterdam ein Fremdkörper, denn Fokker war parallel damit beschäftigt die Produktionsanlagen des eigenen Turboprops F-27 Friendship aufzubauen.

Auch Lufthansa flog mit SAAB-Flugzeugen. Allerdings keine Airliner, sondern Schulmaschinen des Musters Saab 91 B Safir. Bild: Lufthansa

Da eine Rückverlagerung der Scandia-Fertigung nach Schweden wirtschaftlich nicht vertretbar schien, stelle Saab notgedrungen alle Verkaufsbemühungen ein. So lieferte Fokker im September 1954 die insgesamt achtzehnte in Schweden und Holland produzierte Scandia. Mit dieser SE-BSL registrierten und für SAS bestimmten Saab 90 endete die Produktion dieses Flugzeugtyps. SAS musterte ihre letzte Scandia in der zweiten Jahreshälfte 1957 aus und verkaufte ihre gesamte Flotte an VASP. In Brasilien verblieben die Saab 90 hingegen noch bis zum 22. Juli 1969 im aktiven Airline-Einsatz.