Im Interview mit AERO INTERNATIONAL-Mitarbeiter Kurt Hofmann erklärt SAS CEO Anko van der Werff die Gründe für den Allianzwechsel von der Star Alliance zu SkyTeam.

AERO INTERNATIONAL: Warum hat SAS die Allianz gewechselt?

ANKO VAN DER WERFF: Das war ein natürlicher Schritt im Rahmen unserer Transformation. Und hat auch mit unserem neuen 19,9 prozentigen Anteilseigner Air France KLM zu tun, auch wenn er weiterhin ein Wettbewerber ist. Wir haben das Potenzial für eine bessere Konnektivität in der Zusammenarbeit mit SkyTeam erkannt. So können wir auch Nord- und Südeuropa besser anbinden – hier kommen wiederum Air France und KLM ins Spiel. Insgesamt bestand eine 27-jährige Geschäftsbeziehung mit der Star Alliance (SAS war sogar Gründungsmitglied der Star Alliance, Anmerk. der Red.). Doch ich denke, dass SkyTeam besser zu unseren künftigen Ambitionen passt.

SAS ist seit 1. September 2024 Mitglied SkyTeam Gruppe. Wie ist der aktuelle Stand der Integration?

Wir arbeiten derzeit daran, unser Netzwerk von der Star Alliance auf die SkyTeam Gruppe umzustellen. Der Fokus liegt dabei zunächst auf den USA Verbindungen. Wir eröffneten Flüge nach Atlanta und Seattle, und wir bedienen in New York Newark und JFK, um die Delta Air Lines Verbindungen dort zu nutzen. Später, im September dieses Jahres, eröffnen wir Flüge nach Seoul Incheon. Dies ist ein wichtiger Schritt für SAS. Es gibt Fluggesellschaften, die im Rahmen der SkyTeam Mitgliedschaft enger mit uns zusammenarbeiten möchten, bisher aber noch nicht nach Kopenhagen, Stockholm oder Oslo geflogen sind. Vietnam Airlines ist eine dieser Fluggesellschaften. Wir freuen uns auf die Zusammenarbeit.

Van der Werff über das Thema Flugscham

Anko van der Werff
Anko van der Werff ist seit Juli 2021 CEO der SAS. Zuvor leitete der gebürtige Niederländer bereits die kolumbianische Avianca. Bild: SAS

Was sind die wichtigsten Vorteile von SkyTeam für SAS?

Abgesehen von Vorteilen wie Codesharing, Vielflieger Kooperationen oder der Nutzung gemeinsamer Lounges, gibt es einen ganz wichtigen Punkt: Die SkyTeam Allianz und sicher auch Air France KLM, Delta und Virgin Atlantic werden dazu beitragen, dass wir irgendwann Teil des transatlantischen Joint Ventures sein werden. Eine ähnliche Chance bei der Lufthansa United Version wurde uns konsequent verwehrt!

Das war eindeutig ein Hindernis für SAS. Jetzt können wir diesen Weg gehen, und dieses Joint Venture über den Nordatlantik ist für uns enorm wichtig. Es ist noch nicht einmal ein Jahr her, dass wir von der Star Alliance zu SkyTeam gewechselt sind. Ich denke, die Gespräche werden bald beginnen. Wir sind bereit dafür. Und in einer idealen Zukunft sehe ich Joint Ventures in beide Richtungen, nach Ost und West.

Flugscham ist ein Begriff, der 2018 aufgeploppt ist, maßgeblich durch die schwedische Aktivistin Greta Thunberg. Ist es für SAS noch ein Thema?

Flugscham existiert zwar, hat sich aber auch auf eine andere Ebene bewegt: Menschen suchen nach Lösungen, statt sich schuldig zu fühlen. Wenn wir uns Schweden ansehen, wo Inlandsflüge von Nord nach Süd etwa zwei Stunden und 15 Minuten dauern, ist das Fliegen essenziell. Dort wird man nicht auf die Schiene setzen. Und selbst wenn die Eisenbahn ausgebaut wird, dürfte es Jahrzehnte dauern, bis die Schiene als adäquater Ersatz dienen könnte. Doch dann ist die Situation im Luftverkehr ohnehin eine andere. Dann sollte es SAF in ausreichenden Mengen geben, sogar E SAF. Vielleicht ist dann bereits elektrisches Fliegen etabliert.

SAS setzt den Fokus auf Nachhaltigkeit

Frau am Flughafen
SAS setzt auf SkyTeam – und auf nachhaltige Luftfahrt mit SAF, Flottenmodernisierung und elektrischen Antrieben. Bild: SAS

Allgemein gesprochen: Der Fokus muss darauf liegen, die Luftfahrt nachhaltiger zu machen. Wie können wir sicherstellen und vorantreiben, dass diese Branche wirklich nachhaltig wird? Das sind die Fragen, die ich in den Diskussionen in Schweden höre. SAS war schon immer Vorreiterin bei diesem Thema. Wir sind eine treibende Kraft bei der Reduzierung fossiler Brennstoffe und Dekarbonisierung der Luftfahrt. Wir werden die Flottenerneuerung vorantreiben, insbesondere mit SAF, aber natürlich sind wir auch Teil der Entwicklung langfristiger Technologielösungen zum Beispiel für die elektrische Luftfahrt – mit Heart Aerospace und Airbus – oder bei Wasserstoff Projekten. Wir versuchen, die Branche wirklich voranzubringen.

Das führt uns zur Frage der Flottenerneuerung …

Wir haben mehrere A350 bestellt, zwei davon kommen nächstes Jahr. Wir arbeiten derzeit generell intensiv an der Lösung für Wachstum mit Großraumflugzeugen. Und ich denke, dass wir sehr bald Kontakt mit Airbus und Boeing aufnehmen werden. Aktuell betreiben wir zwei Typen: die A330 und die A350. Werden wir weitere A350 bestellen? Oder würden wir einen Teil davon auf die A330neo umstellen oder sogar auf die Boeing 787? Diese Entscheidungen fallen wahrscheinlich noch in diesem Jahresverlauf.

Kein Boeing-Problem – dafür eine Lücke bei 150 Sitzen

Anko Van der Werff
„Wir sind gut aufgestellt – aber die Mittelstrecke bleibt eine offene Frage“ Bild: SAS

Und wie sieht es bei den Mittelstreckenflugzeugen aus?

Wir planen mit weiteren A320neo. Wir haben bereits einige Airbusse dieses Typs bestellt und uns auch Leasing Flugzeuge gesichert. Ich denke, wir sind damit gut aufgestellt.
Für uns ist es weiterhin allerdings sehr wichtig zu klären, ob und wie wir die Lücke bei mittelgroßen Flugzeugen der Größenordnung bis zu 150 Sitzen – also mit A220 oder Embraer E2 – schließen wollen. Das ist im Moment das Thema, mit dem ich mich am meisten beschäftige. Hier werden wir ebenfalls noch dieses Jahr eine Entscheidung fällen. Heute sind wir eine reine Airbus Betreiberin, wir haben kein Boeing Problem, mit dem sich andere Fluggesellschaften herumschlagen müssen. Sicher, auch Airbus hat mit Verspätungen zu kämpfen, aber SAS hat keine Pratt & Whitney Triebwerke an der A320neo Flotte, somit sind wir deutlich besser aufgestellt.

Wie zufrieden ist SAS mit den drei A321LR, die auf Transatlantik Strecken eingesetzt werden?

Wenn die Preise sowohl seitens der Leasinggeber als auch des Marktes stimmen, wären wir an weiteren A321LR interessiert. Einer der Vorteile des Flugzeugs ist die Möglichkeit zur Erschließung neuer Ziele, wo ein Großraumflugzeug ein zu hohes finanzielles Risiko darstellen würde. Und außerdem ermöglicht die A321LR Frequenzerhöhungen.

SAS CEO über Teamwork und Transformation

Ein ganz anderes Thema: SAS hat es momentan mit nicht weniger als 38 Gewerkschaften zu tun. Wie kann man den Frieden mit so vielen Interessenvertretungen aufrechterhalten?

SAS ist die pünktlichste Fluggesellschaft der Welt. Wir würden das nicht schaffen, wenn nicht alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an einem Strang ziehen würden. Die SAS Belegschaft beginnt auch, die Vorteile der Umstrukturierung als vollständig privatisierte Fluggesellschaft zu erkennen. Somit glauben wir, dass wir auf dem richtigen Weg und in einer insgesamt besseren Verfassung sind. Eine gute operative Leistung ist nicht nur optimal für unsere Kunden, sondern auch für die Crews, da sie sich darauf verlassen können, wie ihre Tage und Dienstpläne aussehen werden. Das pünktliche Fliegen hat auch im Hinblick auf die Kosten einen Vorteil: Wir müssen keine Kompensationszahlungen nach der EU Fluggastrechteverordnung leisten – wir müssen keine Kosten für Hotels, Taxis, Schadenersatz oder ähnliches übernehmen, weil wir pünktlich sind.

Wie geht SAS eigentlich mit der extremen Saisonalität zwischen Sommer und Winter um?

Je nördlicher man in Europa operiert, desto extremer ist es. Und derart extreme Schwankungen wie bei SAS habe ich bei keiner anderen Fluggesellschaft erlebt. Europäische Fluggesellschaften sind Saisonfluggesellschaften, da das Aufkommen im Winter schwach und im Sommer stark ist. Aber der Ausbau des globalen Drehkreuzes in Kopenhagen wird uns eine Grundauslastung sichern und ist somit struktureller Natur. SAS wird dann dank eines größeren Hub Geschäftes weniger von den Saisonschwankungen betroffen sein.

Gut aufgestellt – trotz geopolitischer Risiken

Nach all den Umstrukturierungen und dem Allianzwechsel: Ist jetzt das Schlimmste für SAS überstanden?

Wir haben viel durchgemacht und sind jetzt, sofern es keine Nachfrageschocks gibt und solange die geopolitischen Kräfte auf der Welt mitspielen, definitiv gut aufgestellt. Doch die aktuellen Krisen stellen nach wie vor eine große Herausforderung dar. Die Unruhen im Nahen Osten, die Sperrung des russischen Luftraums, die Treibstoffpreise, die Wechselkurse: Das sind die größten Destabilisatoren der Branche, egal an welchem Tag der Woche.