Grenzenlose Trauer – Angehörige gedenken der Germanwings-Opfer
25.03.2016 Tränen in Le Vernet, Fassungslosigkeit in Haltern. Gemeinsam mit den Angehörigen trauern viele Menschen um die Opfer der Germanwings-Katastrophe. Um 10.41 Uhr schweigen alle für die Toten. Le Vernet/Haltern am See (dpa) – Über den Bergen ist es einfach nur blau, es sind keine Flieger zu sehen. Am Jahrestag der Germanwings-Katastrophe bleibt der Himmel […]
25.03.2016
Tränen in Le Vernet, Fassungslosigkeit in Haltern. Gemeinsam mit den Angehörigen trauern viele Menschen um die Opfer der Germanwings-Katastrophe. Um 10.41 Uhr schweigen alle für die Toten.
Le Vernet/Haltern am See (dpa) – Über den Bergen ist es einfach nur blau, es sind keine Flieger zu sehen. Am Jahrestag der Germanwings-Katastrophe bleibt der Himmel frei über dem Absturzort von 4U9525. Die Thermik über dem Gebirge zieht sonst auch mal vier, fünf Segelflieger auf einmal an. Doch an diesem Sonnentag in den französischen Alpen ist dafür kein Platz neben der unermesslichen Trauer der Angehörigen.
Mehr als 600 von ihnen sind am Donnerstag nach Le Vernet gekommen. Der Name des kleinen Ortes mit gerade noch 132 Einwohnern steht seit dem 24. März 2015 für Unglück und Leid vieler Familien. Nur einige Kilometer von hier, jenseits des Bergrückens Col de Mariaud, steuerte der depressive Copilot Andreas Lubitz den Germanwings-Airbus in einen Felsen. 150 Menschen in dem Flugzeug starben.
Einige Angehörige versuchen, ihren Lieben an diesem Tag besonders nah zu kommen. Nach der von vielen Sicherheitskräften streng abgeschirmten Zeremonie brechen sie zu Fuß oder mit kleinen Bussen auf in Richtung Col de Mariaud.
Von dort gibt es nicht nur einen atemberaubenden Blick auf diesen sonst so ruhigen Teil der Alpen nahe der Mittelmeerküste. Auch die Absturzstelle ist hier genau zu erkennen. Ein großes farbiges Signal markiert die Stelle, an der das Flugzeug auf den Felsen aufschlug.
Nur wenige hundert Meter trennen die Familien hier von dem Ort, an dem ihre Angehörigen so grausam ums Leben kamen. Unten in Le Vernet, in der kleinen Dorfkirche, haben die Bewohner des Ortes einen Korb aufgestellt. Steine vom Berg sind darin, die Trauernden können sich so ein Stück aus der Unglücksregion mitnehmen.
Wert nicht zum Col will, geht mit Blumen oder kleinen Andenken durch den vor sich hinalternden Ort zum Friedhof. In einem Gemeinschaftsgrab sind dort die Leichenteile beigesetzt, die keiner Person mehr zuzuordnen waren. Dort gibt es auch eine kleine Zeremonie mit Offiziellen der Region und der Fluggesellschaften.
Am Rand des offiziellen Teils singt eine Gruppe französischer Jugendlicher «Somewhere over the Rainbow». Sie sind im Alter wie viele der Opfer im Flugzeug.
Zuvor, während der Trauerfeier in einem eigens errichteten, streng abgeschirmten Zelt werden die Vornamen der Opfer verlesen. Es sind 149 Namen, heißt es bei der Präfektur. Der Name des Copiloten fehlt.
Lufthansa-Chef Carsten Spohr spricht nach Angaben von Teilnehmern davon, die Gedanken seien bei Opfern und Angehörigen, daran habe sich auch ein Jahr nach dem Absturz nichts geändert. Er erinnert gleichzeitig daran, einer der Piloten des Konzerns habe die Katastrophe herbeigeführt. Auch deswegen würden Lufthansa und Germanwings ihren Beitrag zur Aufklärung des Absturzes leisten.
Wie in Le Vernet gibt es auch in Haltern am See um 10.41 Uhr eine Gedenkminute. Minutenlang sind die Glocken von Halterns Kirchen das einzige Geräusch. Die Menschen sind verstummt. Dicht gedrängt haben sie sich auf dem Marktplatz versammelt. Viele halten sich bei den Händen. Junge Menschen mit Tränen in den Augen umklammern Grablichter, die sie mitgebracht haben zum Gedenken an die Freunde, die nie wiederkommen.
16 Schüler aus Haltern und zwei Lehrerinnen starben als der Airbus zerschellte. Sie waren auf dem Rückweg von einer vergnüglichen Austauschreise in Spanien.
Bürgermeister Bodo Klimpel sagt, dies sei das «Schlimmste und Schwierigste, was dieser Stadt nach dem Zweiten Weltkrieg passiert ist». Und noch eines wird deutlich, wenn man sieht, wie die Stadt auch zwölf Monate später zusammenrückt: Die Katastrophe gehört nun zur Geschichte des Ortes. So wie gut 1000 Kilometer entfernt in Le Vernet in den französischen Alpen.
Gerd Roth und Florentine Dame, dpa