Erneute Blamage nicht ausgeschlossen

Berlin/Schönefeld Können Kosten und Zeitplan beim neuen Berliner Großflughafen noch unter Kontrolle gehalten werden? Antworten auf die heikle Frage sollen im August auf dem Tisch liegen. Der Paukenschlag ist gerade einmal fünf Wochen her. Mitte Mai wurde bekannt, dass der Hauptstadtflughafen Berlin Brandenburg nicht im Juni 2012, sondern erst im März 2013 an den Start […]
Berlin/Schönefeld
Können Kosten und Zeitplan beim neuen Berliner Großflughafen noch unter Kontrolle gehalten werden? Antworten auf die heikle Frage sollen im August auf dem Tisch liegen.
Der Paukenschlag ist gerade einmal fünf Wochen her. Mitte Mai wurde bekannt, dass der Hauptstadtflughafen Berlin Brandenburg nicht im Juni 2012, sondern erst im März 2013 an den Start gehen kann. Der Nachhall ist noch nicht verklungen, da heißt es: Der verschobene Eröffnungstermin muss überprüft werden. Außerdem liegt eine teure Rechnung vor: Der Airport wird wohl mehr als vier Milliarden Euro kosten und damit gut eine Milliarde Euro mehr als geplant. Droht jetzt ein neues Debakel? Das könnten sich alle Beteiligten kaum leisten.
Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit, der auch an der Spitze des Aufsichtsrates der Flughafengesellschaft steht, büßte wegen der Pannen beim Bau in einer Umfrage jüngst 18 Prozentpunkte in der Wählergunst ein. Nach den aktuellen Terminunklarheiten sprechen Kritiker von einem «Armutszeugnis».
Angesichts des Milliardenlochs müssen nun vor allem Fragen der Finanzierung geklärt werden. Dass die zweite Verschiebung des Starttermins für den drittgrößten Flughafen in Deutschland teuer wird, war den Kontrolleuren schon klar. Nach der jetzt vorgestellten ernüchternden Kalkulation soll das Management bis August zur nächsten Aufsichtsratssitzung klären, wie das zusätzliche Geld von gut einer Milliarde Euro aufgebracht wird. Auch die Frage des Starttermins soll dann geklärt werden.
Ob die Gesellschafter – Bund, Berlin und Brandenburg – noch Geld nachschießen müssen, bleibt zunächst offen. Als eine Option für Berlin hatte Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos) schon einmal die Ausgabe von Anleihen zur Entlastung der Landeskasse angeregt. Diese Anleihen würden von der Flughafengesellschaft ausgegeben und von privaten und institutionellen Anlegern erworben. Sie würden von der Gesellschaft verzinst, zurückgezahlt und somit die öffentlichen Haushalte nicht direkt belasten. Diese würden einspringen, wenn die Flughafengesellschaft Zahlungsschwierigkeiten haben sollte.
Ob die Möglichkeit der Anleihen auch für Brandenburg in Betracht käme, ist vorerst nicht bekannt. Der Regierungssprecher wollte sich einen Tag nach der Pressekonferenz von Freitagabend über die dort vorgestellten Ergebnisse hinaus nicht äußern.
Die verspätete Eröffnung schlägt mit 586 Millionen Euro ins Kontor, wie Flughafenchef Rainer Schwarz ausrechnen ließ. Ein dicker Batzen entfällt mit 110 Millionen Euro darauf, dass der jetzt schon aus allen Nähten platzende Airport Tegel und der Ex-DDR-Zentralflughafen Schönefeld vorerst offen bleiben müssen – und das zum Ferienbeginn in der Region.
Die Liste der weiteren Zusatzkosten ist lang, wenn auch noch nicht komplett vorherzusehen. Fest steht, dass mindestens fünf Millionen Euro an Vertragsstrafen für verärgerte Unternehmen fällig werden, die den Airport nutzen wollen. Vor allem die Fluggesellschaften haben unerwartete Ausgaben. «Und die werden wir dem Flughafen in Rechnung stellen», hieß es gleich nach dem verpatzten Eröffnungstermin von der Lufthansa. Ansprüche hat auch die Bahn angemeldet.
Einkalkuliert werden sollen daher auch 195 Millionen Euro als Risikovorsorge. Die reinen Baukosten – einst mit 2,5 Milliarden Euro angesetzt und zuletzt schon bei rund drei Milliarden Euro – dürften um 276 Millionen Euro höher liegen. Dabei stehen für das ehrgeizige Gesamtprojekt bisher maximal 3,36 Milliarden Euro sicher bereit, davon 2,4 Milliarden Euro aus Krediten.
Zu einem enormen Kostenblock wächst sich auch der Lärmschutz rund um den Flughafen mit dem Drei-Buchstaben-Kürzel BER aus. Bis zu 591 Millionen Euro mehr als geplant könnten dafür zu Buche schlagen. Und das hat nichts mit Bauproblemen zu tun: Die Nachbesserungen beim Schallschutz für die Anwohner in Brandenburg und Berlin hatte das Oberverwaltungsgericht verhängt.
Um die Mammutaufgaben in den Griff zu bekommen, kommt als Nachfolger des gefeuerten Technikchefs Manfred Körtgen ab 1. August Horst Amann, bisher Chefplaner der Frankfurter Flughafengesellschaft Fraport, an Bord.
Quelle: dpa; Sascha Meyer und Leticia Witte