Einzig Flugboote schienen gegen Ende der dreißiger Jahre sicher genug, um Passagiere über den Nordatlantik zu fliegen – mit etlichen Zwischenlandungen. Dann machte 1938 die Focke-Wulf Fw 200 Condor Schlagzeilen.

Wollte man im Jahr 1938 den Nordatlantik als Passagier überqueren, so blieb als einzige Möglichkeit nur der Ozeandampfer. Schließlich war ein Jahr zuvor das Zeppelin-Zeitalter auf tragische Weise mit der „Hindenburg“-Katastrophe in Lakehurst nicht nur sprichwörtlich in Rauch aufgegangen. Und die legendäre US-Airline Pan American eröffnete erst ein Jahr später, am 20. Mai 1939, die erste kommerzielle Linienverbindung des Luftverkehrs zwischen den USA und Europa.

Die erste Transatlantikverbindung entsteht

An jenem Tag startete ein Boeing-314-Flugboot in Port Washington, das auf der New York vorgelagerten Landzunge Long Island gelegen ist, mit Ziel Azoren und der portugiesischen Hauptstadt Lissabon. Dieser Verbindung folgte am 24. Juni des Jahres die nördlichere Route zum irischen Foynes sowie Southampton an der Südküste Großbritanniens. Pan Am hatte zu diesem Zeitpunkt bereits Erfahrung mit dem Passagier-Luftverkehr über dem Pazifik gewonnen, nachdem sie am 21. Oktober 1936 erstmals Fluggäste von San Francisco aus nach Honolulu auf Hawaii befördert hatte.

Die Kacheln der Condor-Rekordflüge waren Teil eines Tisches, den Kurt Tank besaß.
Die Kacheln der Condor-Rekordflüge waren Teil eines Tisches, den Kurt Tank besaß.

Focke-Wulf Fw 200: Eine neue Ära der kommerziellen Luftfahrt

Und doch markierte speziell der 10. August 1938 den Beginn einer neuen Ära des Flugreisens, als der Prototyp der in Bremen gebauten Focke-Wulf Fw 200 Condor mit dem Kennzeichen D-ACON in Berlin-Staaken an den Start rollte. Ziel des von Lufthansa-Flugkapitän Henke pilotierten Flugs: das Flugfeld Floyd Bennett Field von New York. Nonstop, also ohne Tankstopps! Der Platz verfügte zu jenem Zeitpunkt als einziger Airport der US-Ostküstenmetropole über eine ausreichend lange, betonierte Runway.

6371 Kilometer lagen vor der Crew, und ihrem mit Zusatztanks in der Passagierkabine ausgerüsteten Passagierflugzeug, das mit rund 10 000 Litern Flugbenzin betankt war. Die Route führte auf dem kürzesten Weg in einer Reiseflughöhe von rund 2000 Metern über Hamburg, Glasgow, Neufundland und Halifax hinweg nach New York. Die stündlichen Standortmeldungen sendete die Condor-Besatzung, die neben Alfred Henke aus dem Luftwaffenhauptmann Rudolf Freiherr von Moreau, Oberfunker Walter Korber und dem Bordmechaniker Paul Dierberg bestand, an eine Funkstation in Quickborn bei Hamburg. Dort wurden die Funksignale in Fernschreiben für Focke-Wulf in Bremen übertragen, wo der Flugweg mit Spannung verfolgt und auf einer großen Karte nachgezeichnet wurde.

Menschenmenge empfängt Focke-Wulf Fw 200 enthusiastisch

Eine begeisterte Menschenmenge hieß die Atlantikflieger nach einer Flugzeit von 24 Stunden, 36 Minuten und zwölf Sekunden auf amerikanischem Boden willkommen. Zuvor ließ es sich Henke nicht nehmen, zuerst im Schnellflug und dann mit ausgefahrenem Fahrwerk, das Floyd-Bennett-Field mehrfach zu überfliegen. Obgleich ursprünglich nicht für derartige Langstrecken konstruiert, bewährte sich die elegante Viermot auf diesem Pionierflug.

Diese seltene Aufnahme zeigt die Betankung der D-ACON vor dem Start in Berlin-Staaken.
Diese seltene Aufnahme zeigt die Betankung der D-ACON vor dem Start in Berlin-Staaken.

Welchen Belastungen die Flugzeugstruktur dabei ausgesetzt war, zeigt folgende Episode: Nach der Landung in New York versuchte die Besatzung zunächst vergeblich, die Kabinentür der Fw 200 zu öffnen. Schnell war als Ursache ermittelt, dass sich der Rumpf durch das Gewicht der in der Kabine installierten Zusatztanks verzogen hatte! Und dennoch: Der erfolgreiche Flug der D-ACON nach New York hatte bewiesen, dass auch große Landflugzeuge Ozeane bezwingen können. Und das bei wesentlich geringeren Strukturgewichten und damit niedrigerem Treibstoffverbrauch im Vergleich zu den Flugbooten mit ihren schweren Bootsrümpfen.

Rückflug nach Berlin startet mit günstigen Wetterverhältnissen

Am 13. August hob die D-ACON zum Rückflug nach Berlin ab, der auf einer etwas südlicheren Route als der Hinflug verlief. Günstige Windverhältnisse reduzierten die Flugzeit auf 19 Stunden, 55 Minuten und eine Sekunde. Der Berliner Zielflughafen dieser zweiten „Ohnehalt“-Atlantiküberquerung, wie Nonstopflüge damals genannt wurden, war nicht Staaken, sondern Tempelhof. Sowohl nach New York als auch für den darauf folgenden Expeditionsflug nach Tokio im November 1938 kam der Fw 200-Prototyp V1 zum Einsatz.

Er hob mit Kurt Tank, Technischer Direktor und Chefkonstrukteur der Focke-Wulf-Flugzeugwerke sowie Focke-Wulf-Cheftestpilot Hans Sander am 27. Juli 1937 zum ersten Mal in Bremen ab. Dabei trug die V1 noch das Kennzeichen D-AERE. Erst nach dem Umbau zum Transatlantik-Flugzeug erhielt sie das Kennzeichen D-ACON. Es kursiert auch der 6. September des Jahres als zweites Erstflugdatum, doch erinnern sich beide daran beteiligen Piloten in ihren persönlichen Aufzeichnungen an den Juli-Termin.

D-ACON versinkt vor Manila

Die D-ACON fand am 6. Dezember 1938 ihr unrühmliches Ende im Hafenbecken der philippinischen Hauptstadt Manila. Dort war sie nach einer Notwasserung versunken, nachdem die Besatzung um Lufthansa-Kapitän Henke es versäumt hatte, die noch gut gefüllten Treibstofftanks für eine sichere Fortführung des Flugs korrekt zu aktivieren. Kurt Tank warf Henke vor, diesen Unfall selbst verschuldet zu haben, und demonstrierte ihm auf einem Flug mit einer weiteren Fw 200 seine Fehler – doch konnte der von sich selbst sehr überzeugte Henke dies nie öffentlich eingestehen.

Die Ankunft der Condor in den USA lockte zahlreiche Schaulustige zum Floyd Bennett Field vor den Toren von New York City
Die Ankunft der Condor in den USA lockte zahlreiche Schaulustige zum Floyd Bennett Field vor den Toren von New York City. Bild: Deutsche Lufthansa AG / 11.08.1938 DLHD5054-1-24

Seine Selbstüberschätzung wurde dem Lufthanseaten und drei Besatzungsmitgliedern am 22. April 1940 in Berlin-Staaken zum Verhängnis, als er die Fw 200 D-ABOD, nach einer die Struktur überbeanspruchenden Flugfigur zum Absturz brachte.

Weltweites Interesse an Focke-Wulf Fw 200

Maschinen des Typs Fw 200 Condor kamen im Luftverkehr nicht nur bei der Lufthansa, sondern auch bei der dänischen DDL (heute SAS) sowie dem brasilianischen Syndicato Condor zum Einsatz. Auch andere Airlines zeigten starkes Interesse, doch vereitelte der Ausbruch des Zweiten Weltkriegs jede weitere zivile Bestellung.

Die bei der Condor konsequent umgesetzte Leichtbauweise findet sich auch in US-amerikanischen Mustern jener Zeit wie der Douglas DC-4 wieder. Mit den viermotorigen Douglas-Proplinern, deren Prototyp am 14. Februar 1942 an den Start ging, begann denn auch im großen Stil der Nachkriegsluftverkehr zwischen Europa und den USA.

Das Zeitalter der Transatlantikflüge scheint zuende

Das Zeitalter der großen, schweren Flugboote war hingegen auf dem Nordatlantik endgültig vorbei. Die Condor dagegen wurde auch nach Kriegsende von DDL und dem Syndicato Condor eingesetzt wurden. Die Dänen schrieben die „Jutlandia“ getaufte und als OY-DEM zugelassene Fw 200 erst im September 1946 ab, nachdem sie bei einem glimpflich verlaufenen Landeunfall in London-Northolt beschädigt wurde.

Schließlich existierte Focke-Wulf nicht mehr, und konnte somit auch keine Ersatzteile liefern. In Brasilien endete das Condor-Zeitalter erst 1947, nachdem eine der beiden Condor irreparabel beschädigt wurde, und es nicht wirtschaftlich erschien, eine einzige Fw 200 weiter zu betreiben.

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