02.07.2016 Rund 1400 Stellen als Flugbegleiter will die Lufthansa in diesem Jahr besetzen. Doch die Konkurrenz ums Personal hat zugenommen. Jetzt wird ein neues Auswahlverfahren erprobt. Mainz/Frankfurt (dpa) – Aufgeregt sammeln sich die Kandidaten vor dem Hotel, viele der Frauen trippeln auf High Heels über den roten Teppich. 500 Bewerber sind am Samstag zu einem Flugbegleiter-Casting […]

02.07.2016

Rund 1400 Stellen als Flugbegleiter will die Lufthansa in diesem Jahr besetzen. Doch die Konkurrenz ums Personal hat zugenommen. Jetzt wird ein neues Auswahlverfahren erprobt.

Mainz/Frankfurt (dpa) – Aufgeregt sammeln sich die Kandidaten vor dem Hotel, viele der Frauen trippeln auf High Heels über den roten Teppich. 500 Bewerber sind am Samstag zu einem Flugbegleiter-Casting der Lufthansa in Mainz gekommen, die meisten von ihnen weiblich. Doch auch Männer wie Tobias Schaffner sind dabei. «Ich kenne die Lufthansa, seit ich laufen kann», erzählt er. Seine Mutter ist Abteilungsleiterin und seit 40 Jahren im Unternehmen beschäftigt.

Der Traum vom Fliegen lockt noch immer. Aber die Lufthansa muss neue Wege gehen. «Wir müssen direkter an die Bewerber herantreten», sagte Klaus Jacobsen, der das Casting organisiert hat. Für Lufthansa ist die Methode ein neuer Weg, die für dieses Jahr ausgelobten 1400 Stellen zu besetzen. Die große Resonanz hat aber auch Jacobsen überrascht. 

Beim Casting müssen sie sich in zwei Runden beweisen. Zunächst füllen sie einen Fragebogen aus, anschließend führen sie mit Flugbegleitern ein persönliches Gespräch auf Englisch. Wer überzeugt, wird in einem zweiten Gespräch von Recruitern geprüft und erhält noch am Tag des Castings eine Zu- oder Absage in Form eines Flugtickets.

Die Casting-Idee kommt nach Angaben der Lufthansa bei der jungen Zielgruppe gut an. Zur ersten Veranstaltung in Heidelberg waren 400 Bewerber angereist, mehr als 80 haben eine Zusage erhalten. Über 600 der für dieses Jahr ausgelobten 1400 Stellen sind bereits vergeben, doch noch ist reichlich Bedarf. Lufthansa bekommt die Kabinenjobs nicht mehr selbstverständlich besetzt. «Auch andere Unternehmen suchen gutes Personal», beschreibt Lufthansa-Sprecher Helmut Tolksdorf die Lage.

Die Kerngesellschaft Lufthansa muss ihre Leute zudem auf den ziemlich leergefegten Arbeitsmärkten in der Nähe ihrer Drehkreuze Frankfurt und München finden, was die Casting-Orte erklärt. Nach Heidelberg und Mainz stehen außerdem Regensburg und Augsburg auf dem Programm.

Die streitbare Gewerkschaft Ufo unterstützt die kreative Mitarbeiterwerbung. «Wir brauchen dringend neue Leute, um ein bisschen Luft ins System zu bekommen», sagt der neue Ufo-Chef Alexander Behrens. Über die vergangenen zwei Jahre, geprägt von Streiks und heftigen Tarifauseinandersetzungen, haben nach seiner Ansicht viel zu wenig Lehrgänge stattgefunden. Stattdessen habe das Management die vorhandenen Kräfte bis an die Limits verplant, was zu häufigen Krankmeldungen und mieser Stimmung geführt habe.

In diesem Sommer sind etliche Lufthansa-Langstreckenjets wegen des akuten Personalmangels mit einer verringerten Besatzung unterwegs, die aber immer noch über den gesetzlichen Mindestanforderungen liegt. Behrens beschwört die Gefahr, dass letztlich die Kunden einen schlechteren Service spüren könnten, wenn beispielsweise in der Eco-Klasse einer A340 nur noch drei statt vier Flugbegleiter für die Passagiere da sind. «Da wird an der falschen Stelle gespart.»

Tobias Schaffner ist am Samstag bereits einen Schritt gekommen: Er darf sich über eine der begehrten Bescheinigungen freuen und nun die dreimonatige Ausbildung zum Flugbegleiter beginnen. An dem Beruf des Flugbegleiters liebe er den Kontakt zu Menschen, zudem sehe man viel von der Welt. In den Crews herrsche eine kollegiale Atmosphäre: «Nach zehn Minuten ist es wie eine kleine Familie.»

Eine Lebensstellung bietet Lufthansa den jungen Menschen zunächst aber nicht an. 83 oder 50 Prozent einer Vollzeitstelle sehen die Verträge vor. Fliegen sollen die neuen Kräfte vor allem im Sommer, denn im Winter ist die Nachfrage weit geringer und kann auch eher von der alten Stammbelegschaft geleistet werden.

Nathalie Bockelt und Christian Ebner, dpa