Die Outer Banks in North Carolina galten als Friedhof des Atlantiks. Hier bewiesen die Gebrüder Wright, dass der Mensch fliegen kann. Bis heute haben sich Inseln und Bewohner ihren Charme erhalten. Corolla (dpa/tmn) – Sorgfältig navigiert Tom Baker den offenen Hummer-Bus durch die Dünen nördlich von Corolla. Immer wieder muss er ordentlich Gas geben, um […]

Die Outer Banks in North Carolina galten als Friedhof des Atlantiks. Hier bewiesen die Gebrüder Wright, dass der Mensch fliegen kann. Bis heute haben sich Inseln und Bewohner ihren Charme erhalten.

Sorgfältig navigiert Tom Baker den offenen Hummer-Bus durch die Dünen nördlich von Corolla. Immer wieder muss er ordentlich Gas geben, um im weichen Sand über die Hügel auf den nördlichen Outer Banks in North Carolina zu kommen.

Aber das ist kein Problem für das Gefährt, das mit seiner Wüstenfarbe einem Armeefahrzeug ähnelt. Baker ist auf einer Mission. Er sucht die Wildpferde, die hier hinter den Dünen und am Strand leben. Und in den Gärten der Menschen, die Häuser auf dem Sand gebaut haben.

Die Outer Banks sind eine Reihe von Barriere-Inseln vor der Küste von North Carolina im Atlantik. Sie reichen von Corolla an der Grenze zu Virginia bis nach Cape Lookout im Süden.

Tom Baker ist der Typ Haudegen. Solange er in dem windigen Wetter nach den Pferden sucht, erzählt er über sie. Spanische Mustangs seien das, reinrassig. Eigentlich noch so, wie sie vor 500 Jahren von einer gestrandeten spanischen Galeere schwammen und sich hier in den Dünen ansiedelten. Das Schiff ereilte das Schicksal vieler Boote, die hier anlanden wollten: «Man nennt die Outer Banks den Friedhof des Atlantiks, weil es zahlreiche unterirdische Sandbänke gibt, auf die immer wieder Schiffe aufgelaufen sind», erzählt Baker.

Die Eroberer hatten die Tiere gezüchtet, um schwere Lasten tragen zu können und mit auf ihre Schiffe in Richtung Neue Welt genommen.

Wilde Pferde und gefährliche Winde

«Das Gebiet hier oben gehört den Mustangs», sagt Baker. Straßen gibt es nicht, außer vereinzelten Häusern wurde nichts gebaut. Und das bleibt auch so. «Früher, vor ein paar Jahrzehnten, sind die Pferde kreuz und quer auf den Outer Banks unterwegs gewesen», sagt er. Als der erste Supermarkt gebaut wurde, galoppierten sie regelmäßig über den Parkplatz. «Damals waren noch mehr Pferde da.»

Das Problem bei dieser Tour am frühen Morgen: Der Wind kommt von Nordost – und wenn er aus dieser Richtung kommt, ist er steif und kalt. «Die Pferde verstecken sich – unter den stacheligen Büschen und Bäumchen, windgeschützt in den Gärten der Häuser.»

Wenn der Wind im Winterhalbjahr aus Nordost kommt, dann ist auch für die Bewohner der Barriere-Inseln mitunter Gefahr im Verzug. Diese «Nor’easters» können so stark werden, dass sie viel zerstören. Und sie bringen meist viel Regen mit sich.

Im Sommer hingegen kommt der Wind nicht aus Nordosten, sondern eher aus der Karibik. Und wenn die Hurrikane eine nördliche Route einschlagen, dann können sie auch in den Carolinas auf Land treffen. «Das passiert allerdings selten», sagt Baker.

Ein charmanter Maulesel

Plötzlich herrscht Aufregung im Hummer: Ein Passagier hat etwas gesehen. «Das ist Raymond», sagt Baker erleichtert. Kein Mustang, ein Maulesel. «Aber er denkt, er ist ein Pferd – und schart die Ladies um sich.» Tatsächlich haben sich mit Raymond noch drei Mustang-Damen hinter einem Haus versteckt, die er schließlich zum Strand treibt.

«Man sieht die Pferde oft am Strand und sogar im Wasser», erzählt Baker. «Dort kühlen sie sich an heißen Tagen im Meer ab.»

Den Wind mögen die Tiere nicht so gerne, wobei dieser auf den Inseln eine Konstante ist – und der Hauptgrund, aus dem die Brüder Wilbur und Orville Wright 1902 nach Kill Devil Hills aufbrachen.

Die beiden besaßen einen Fahrradladen in Ohio, und sie waren fasziniert von dem, was Otto Lilienthal in Deutschland ausprobierte: fliegen. Sie rechneten und probierten, bauten Teile und rechneten weiter. Schließlich machten sie sich auf die Suche nach einem Ort, an dem es windig ist, mit viel weichem Sand. Und wo die Menschen verschwiegen sind, erzählt Rangerin Sarah, die im Wright Brothers National Memorial die Geschichte der Pioniere erzählt.

Flugversuche am Strand

Die windigste Stadt in den USA war und ist Chicago, doch die Metropole am Michigan-See war schon damals recht bevölkert – und Sand gibt es auch nicht in großen Mengen. Die Brüder entschieden sich für Kill Devil Hills, Nummer sechs auf einer Liste, die sie in der Hauptstadt Washington angefordert hatten. Sie begaben sich auf die lange Reise aus dem Mittleren Westen in die Südstaaten.

Orville und Wilbur waren besessen von dem Gedanken, dass der Mensch fliegen kann, und richteten sich am Strand ein. Sie planten und probierten. Am 17. Dezember 1903 gelangen ihnen schließlich vier Flüge. Der längste davon überwand eine Strecke von 852 Fuß, knapp 300 Meter, in 59 Sekunden. Damit war der Versuch geglückt, sogar ein Foto hatte ein Helfer geschossen. Doch die Zeitungen, an die sie ihre Sensation telegrafierten, sprangen nicht auf die Geschichte an.

So vergingen noch einige Jahre, bis die Fliegerei weiterentwickelt wurde und zum modernen Verkehrsmittel avancierte – ganz so, wie es die Brüder immer geahnt hatten. «First in Flight» steht noch heute auf den Nummernschildern der Autos, die in North Carolina zugelassen sind. In dem Bundesstaat in der Ostküste der USA wurde nicht nur zum ersten Mal geflogen. Es gibt auch noch ein paar andere «Firsts».

Bier nach deutschem Reinheitsgebot

Uli Bennewitz hat seine Premiere selbst in die Wege geleitet. Der Landwirt aus Bad Feilnbach hat in Großbritannien studiert und ging in den 1970er-Jahren in die USA. Damals kaufte und verwaltete er im Auftrag anderer Menschen Land in North Carolina.

Irgendwann standen ein paar Hektar in Manteo zum Verkauf. «Prima, da mache ich eine Brauerei auf», dachte der Bayer sich. Das Problem: In North Carolina, einem Staat mitten im sogenannten Bible Belt, war es damals verboten, Alkohol direkt an Konsumenten zu verkaufen.

Die Politiker allerdings fanden die Idee gut, vor Ort ein Bier nach deutschem Reinheitsgebot zu bekommen und änderten kurzerhand das Gesetz. «Heute gehört der Staat zu denen, die die meisten Mikro-Brauereien haben», sagt «Mr. Uli», wie ihn alle Mitarbeiter in seiner Brauerei nennen.

Inzwischen sind die Brauerei und die Gaststätte, die er Weeping Radish (weinender Rettich) genannt hat, nach Grandy umgezogen. In Manteo hatte er immer wieder expandiert, schließlich war zu wenig Platz da. «Ich muss immer wieder die Geschichte erzählen, wie wir im Biergarten den Radi mit Salz essen und am liebsten das salzige Wasser auftunken, das rausläuft», sagt Bennewitz mit einem Grinsen.

Wichtig ist dem Brauer, dass alles, was er braucht, aus dem Umkreis kommt. Das gefällt wiederum vor allem denen, die nach dem Farm-to-table-Prinzip leben wollen. «Wir haben das Reinheitsgebot auch auf unser Essensangebot ausgeweitet», sagt Bennewitz.

Frisches Seafood direkt auf den Teller

Echte regionale Küche liefern auch die Fischer, die entlang der Küste der Outer Banks und weiter im Süden ihren Fang an Land bringen. In vielen kleinen Orten kann man die Shrimps, Krabben und Fische direkt vom Fischer kaufen. Oder sich die Meeresfrüchte gleich in einem kleinen, einfachen Restaurant zubereiten lassen.

«Wir beliefern vor allem den Umkreis, aber die Fische und Meeresfrüchte gehen auch hoch in den Norden, nach New York oder Boston», berichtet Colby O’Neal, der die Fänge der Fischer auf Roanoke Island vertreibt.

Nur ein paar Meilen entfernt von der Küste gibt es gleich noch ein paar «Firsts». Zum Beispiel die erste Weinrebe auf amerikanischem Boden, die um 1584 gepflanzt worden sein soll – von Briten. Die waren schon in North Carolina, lange bevor die «Mayflower» in Plymouth anlandete. Irgendwann jedoch verschwand die Kolonie. Ob eine Krankheit die Siedler dahinraffte oder sie mit den Ureinwohnern aneinandergerieten, ist weder überliefert noch erforscht.

Auch die erste US Coast Guard Station des Bundesstaates wurde auf den Outer Banks errichtet – in Rodanthe auf Hatteras Island. Chicamacomico heißt die Station, die heute ein Museum ist.

Dort wird eindrücklich erklärt, wie die Rettungsschwimmer und Helfer einst den Atlantik überwachten und mit einem schweren Holzboot zur Hilfe eilten, wenn Schiffe auf eine der Sandbänke liefen – ganz ohne Handy und Satelliten.

Eine Gegend wie aus einem Roman

Mustangs, ein Stelzenhaus in Rodanthe, die unberührte Natur auf den südlichen Outer Banks, Fischer und andere besondere Menschen in North Carolina – ganz fremd kommt dem Besucher das alles nicht vor. Zumindest jenen nicht, die sich für die Schmonzetten von Nicholas Sparks begeistern können. Der Autor lebt seit Jahrzehnten in dem Staat, und viele seiner Romanverfilmungen spielen dort.

Immer wieder äußert sich Sparks in Interviews begeistert über North Carolina mit seinen Bergen im Landesinneren, den kleinen Städtchen und der unvergleichlichen Küste. Stoff geben ihm Menschen und Natur offenbar genug: 1996 erschien sein erster Bestseller «The Notebook», der in North Carolina spielt. Seither hat er 20 weitere Romane veröffentlicht. Verfilmt sind noch nicht alle. Die Chancen auf mehr Eindrücke auf der Kinoleinwand stehen also gut.

Info-Kasten: Die Outer Banks in North Carolina

Klima und Reisezeit: North Carolina hat warme Sommer und kurze, milde Winter. Im Juli hat es im Schnitt 32 Grad, im Januar etwa 10 Grad. Der Atlantik sorgt für angenehmes Klima auf den Outer Banks, im Sommer weht immer ein kühlender Wind. Die Hauptreisezeit ist zwischen Memorial Day (letzter Montag im Mai) und Labor Day (1. Montag im September). Auch im Rest des Jahres sind die Outer Banks ein vielfältiges Reiseziel, aber es ist deutlich ruhiger und nicht alle Restaurants, Touranbieter und Geschäfte sind geöffnet.

Anreise: Der Flughafen Raleigh/Durham ist mit Umsteigen erreichbar, bis zu den Outer Banks sind es von dort etwa vier Stunden mit dem Auto. Alternativ per Direktflug in die Hauptstadt Washington und dann mit einem Mietwagen in etwa fünf Stunden zu den Inseln.

Übernachtung: Auf den Outer Banks gibt es einige Hotels, verbreiteter sind aber «Vacation Rentals», das sind Häuser oder Wohnungen, die man für die Ferienzeit mieten kann.

Informationen: Visit North Carolina, c/o Lieb Management, Bavariaring 38, 80336 München (Tel.: 089/68 90 63 860, E-Mail: northcarolina@lieb-management.de, www.visitnc.com).

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