21.07.2014 Vor 15 Jahren starb ein Sudanese während seiner Abschiebung in einem Flugzeug. Seither sei vieles besser geworden, sagt Pro Asyl. Aber immer noch werden fast 100 Flugabschiebungen pro Jahr wegen heftigen Widerstands abgebrochen. Frankfurt/Main – «Das ist schon sehr dramatisch und auch emotional beeindruckend, wenn man diese Verzweiflung sieht», sagt der Pilot. Wenn ein […]

21.07.2014

Vor 15 Jahren starb ein Sudanese während seiner Abschiebung in einem Flugzeug. Seither sei vieles besser geworden, sagt Pro Asyl. Aber immer noch werden fast 100 Flugabschiebungen pro Jahr wegen heftigen Widerstands abgebrochen.

Frankfurt/Main – «Das ist schon sehr dramatisch und auch emotional beeindruckend, wenn man diese Verzweiflung sieht», sagt der Pilot. Wenn ein Mensch, der abgeschoben werden soll, sich im Flugzeug lautstark wehrt, «da ist ja auch immer eine moralische Komponente dabei, mit der man klarkommen muss».

2013 wurden deutlich mehr Menschen abgeschoben als in den Jahren zuvor: Die Behörden wiesen laut Bundesinnenministerium fast 10 200 Flüchtlinge aus, 2012 waren es nur gut 7600 Fälle. Abgeschoben werden nicht nur Menschen, deren Asylantrag abgelehnt wurde, sondern auch, wenn ihr Visum abgelaufen ist oder wenn sie illegal eingereist sind.

Der größte Teil – mehr als 7000 Passagiere – wird mit dem Flugzeug außer Landes gebracht. Allein von Frankfurt aus wurden 2013 fast 2500 Menschen mit einem Linienflug oder einer Chartermaschine zurück in ihre Heimat oder andere Länder gebracht, wie aus einer Antwort des Bundestages auf eine Anfrage der Linken-Fraktion hervorgeht.

«Der überwiegende Teil der Abschiebungen am Flughafen Frankfurt (wird) ohne Beanstandungen vollzogen», heißt es im Jahresbericht der von den Kirchen getragenen «Abschiebebeobachtung». Aber es gibt Ausnahmen: 2013 wurden 93 Abschiebungen auf dem Luftweg «aufgrund von Widerstandshandlungen» abgebrochen. 29 Mal weigerten sich Fluggesellschaft oder Pilot, die Betroffenen zu transportieren.

Der Pilot darf das, «wenn dadurch die Passagiere massiv beeinträchtigt werden, also zum Beispiel die Sicherheit an Bord gefährdet ist», erklärt Jörg Handwerg, Sprecher der Vereinigung Cockpit. Dass sich Menschen während ihrer Abschiebung wehren oder schreien, sei nicht sehr häufig, komme aber vor.

Die Fluggesellschaften seien «gesetzlich und vertraglich» verpflichtet, solche Menschen zu befördern, sagt Lufthansa-Sprecher Thomas Jachnow. Es sei aber «Lufthansa Policy, keine Deportees gegen deren Widerstand zu befördern». Man nehme nur Menschen mit, die bei Flugantritt «grundsätzlich reisewillig» seien. «Im Zweifelsfall lehnen wir eine Beförderung ab.» Dass man «Deportees» von der Beförderung ausschließe, sei «keine Seltenheit». Eine besondere Häufung von Vorfällen während des Fluges gebe es derzeit aber nicht.

Manchmal spielen sich die Dramen schon vor dem Airport ab. Im Mai 2014 stürzte sich ein 26 Jahre alter Mann aus Somalia vor der Abschiebung nach Italien in der Nähe des Frankfurter Flughafens aus einem fahrenden Polizeiwagen. Er wurde dabei schwer verletzt.

Wenn sie mit Gegenwehr rechnen, wählen die Behörden meist die Charter-Variante. Im Juni wurden drei Flüchtlinge aus Eritrea mit einem gemieteten Kleinflugzug von Frankfurt nach Italien abgeschoben. Frühere Ausreise-Versuche mit Linienflugzeugen waren gescheitert – am Widerstand der Männer und dem Protest der Piloten, wie das zuständige Regierungspräsidium Darmstadt die teuere Lösung begründete.

Die meisten Abzuschiebenden gehen jedoch freiwillig an Bord. Laut Bundespolizei wurden im vergangenen Jahr weniger als 1500 Abschiebungsflüge «begleitet». Die Bundespolizei habe aus den Todesfällen früherer Jahre gelernt, sagt Bernd Mesovic, Geschäftsführer der Flüchtlingshilfsorganisation Pro Asyl: «In den letzten zehn Jahren sind Fälle exzessiver Gewaltanwendung selten.»

1999 starb der 30-jährige Sudanese Aamir Ageeb an Bord einer Lufthansa-Maschine auf dem Flug von Frankfurt nach Kairo. Er war an Händen und Füßen gefesselt und musste einen Motorradhelm tragen. Beim Start drückten Bundesgrenzschutzbeamte seinen Kopf nach unten, wobei er erstickte. 2004 wurden drei Grenzschützer zu je neun Monaten Bewährungsstrafe wegen Körperverletzung mit Todesfolge verurteilt.

Dass jemand gefesselt werden müsse, sei selten, sagt Mesovic. Und selbst wenn, sei heute klar geregelt, was die Beamten dürften und was nicht. Klar sei aber auch: «Gegen Widerstand ist auf einem Linienflug keine Abschiebung möglich.» Für die großen Fluggesellschaften sei diese schwierige Klientel «weder lukrativ noch interessant», glaubt Mesovic. Für manches kleine Unternehmen könnten Charter-Abschiebungen aber durchaus ein wichtiger Teil des Geschäftsmodells sein.

Sandra Trauner, dpa