Der Herstellungsfehler eines Lieferanten für das GTF-Triebwerk ist für Pratt & Whitney, deren Partner und die betroffenen Airlines ein finanzielles Desaster. Es zeigt aber auch das funktionierende Sicherheitskonzept im Luftverkehr.

Sicherheit steht in der Luftverkehrsbranche an oberster Stelle, noch vor Pünktlichkeit, Service und finanziellen Ergebnissen. Dass diese Priorisierung nicht nur leere PR-Worte sind, beweist sich aktuell bei den Problemen mit dem Getriebefan-Triebwerk PW1100G-JM von Pratt & Whitney.

Pratt & Whitney: Verunreinigung im Metallpulver

Mikroskopisch kleine Verunreinigung in dem Metallpulver, aus dem Scheiben in der Hochdruckturbine und im Hochdruckkompressor des Triebwerks gegossen werden, können zu deren Bruch führen. Zumindest ein Triebwerksausfall und im schlimmsten Fall die Zerstörung des Motors wären die Konsequenzen daraus. Dieses Risiko führt zur Stilllegung der betroffenen Flugzeuge, bis Triebwerke oder Bauteile ausgetauscht sind.

600 bis 700 der besonders effizienten Triebwerke mit Geared Turbofan (GTF) müssen aus dem Betrieb genommen und in Werkstätten repariert werden. Da sich die betroffenen Komponenten quasi im „Herz“ des Motors befinden, sind die erforderlichen Arbeiten sehr komplex und zeitaufwendig. Sie sollen bis ins Jahr 2026 andauern. RTX (früher Raytheon), der Mutterkonzern von Pratt & Whitney, gibt an, dass auschließlich A320neo von den betroffenen Triebwerken angetrieben werden.

Lange Reparaturzeit veranschlagt

In einer ersten Maßnahme erließ Pratt & Whitney im August eine sogenannte „Special Instruction“, in der GTF-Betreiber aufgefordert wurden „die erste Tranche einsatzfähiger Triebwerke“ bis zum 15. September zügig zu inspizieren und auszutauschen. Für jüngere GTF-Motoren entwickelte der Hersteller einen Flottenmanagementplan, der Inspektionen der betroffenen Scheiben alle 2800 bis 3800 Flugzyklen vorsieht und die Einsatzdauer auf 5000 bis 7000 Zyklen beschränkt.

Die betroffenen Triebwerke müssen vom Flügel abgebaut werden, die gesamte Reparaturzeit wird mit 250 bis 300 Tagen veranschlagt. Es stehen für die aktive Flotte nicht genug Ersatzmotoren zur Verfügung, die in der Zwischenzeit die Flugzeuge in der Luft halten könnten. So rechnet Pratt & Whitney im Zeitraum 2024 bis 2026 mit durchgehend bis zu 350 Aircraft on Ground (AOG) – also stillgelegten A320neo. RTX rechnet durch die Probleme mit einer finanziellen Belastung in Höhe von bis zu 3,5 Milliarden US-Dollar.

Auch Auswirkungen bei bayerischem Hersteller MTU

Neben Pratt & Whitney mit einem Anteil von 51 Prozent sind die Japanese Aero Engines Corporation sowie die deutsche MTU Aero Engines an der PW1100-Triebwerksfamilie beteiligt. Letztere hält an dem betroffenen PW1100G-JM einen Anteil von 18 Prozent. Ein Drittel dieser speziell für die A320neo gebauten Variante wird bei MTU in München endmontiert. Entsprechend gravierend sind auch hier die Auswirkungen. So teilt der bayerische Triebwerkshersteller mit, dass daraus im laufenden Geschäftsjahr eine Reduzierung des Umsatzes und des berichteten EBIT in Höhe von rund einer Milliarde Euro resultieren könnte. Die damit einhergehende Liquiditätswirkung würde insbesondere in den Folgejahren 2024 bis 2026 zu erwarten sein.