Stewards, also männliche Flugbegleiter, waren zu Beginn des 20. Jahrhunderts beispielsweise in Zeppelinen oder bei der britischen Imperial Airways bereits bekannt. Luft-Stewardessen hingegen folgten erst in den dreißiger Jahren, zunächst in den USA. Nelly Diener war die erste Flugbegleiterin Europas.

Wir schreiben das Jahr 1934, als die 22-jährige Hedwig Nelly Diener, geboren am 5. Februar 1912, hochfliegenden Träumen nachhängt. Sie will auf den Spuren der US-amerikanischen Krankenschwester Ellen Church wandeln und ebenfalls Luft-Stewardess, so heißen die Flugbegleiterinnen dieser Tage, werden.

Die Bewerbung an die noch recht junge, erst drei Jahre zuvor gegründete Swissair ist längst verschickt. Ob die junge Schweizerin dabei eine Kleinigkeit unter den Tisch hat fallen lassen, um ihre Chancen zu erhöhen? Wie es die Autorin Pascale Marder in ihrem im Bilgerverlag erschienenen Buch „Nelly Diener: Engel der Lüfte“ vermutet? Ihren ersten Vornamen, um genau zu sein. „Nelly“, ihr zweiter Vorname, klinge einfach internationaler. Und der Nachname „Diener“ passe doch eh wie die Faust aufs Auge.

Doch wie auch immer: Niemand scheint geeigneter, sich während des Fluges um die zum Teil erlauchten internationalen Passagiere, den kommenden Jetset zu kümmern, als die fließend Englisch und Französisch sprechende Nelly. Und tatsächlich: Sie bekommt den Job.

Erste Flugbegleiterin: Engel der Lüfte

Bereits vor dem ersten Linienflugeinsatz sorgt sie somit für Schlagzeilen: „Ab 1. Mai führt das neue Groß-Expressflugzeug der Swissair, das den Flugdienst zwischen Zürich und Berlin besorgt, ein eigene Luft-Stewardess an Bord mit sich, die für die Bedienung der Passagiere sorgen wird. Sie trägt eine schmucke Dienstuniform“, lautet eine der ersten Meldungen.

Weniger Tage später zeigt sich die Aero Revue unter der Überschrift „Die neuste Sensation im schweizerischen Luftverkehr“ schon weitaus euphorischer: „Die Veramerikanisierung unseres Luftverkehrs macht rapide Fortschritte. Zu den neuen amerikanischen Schnellflugzeugen, die die Swissair bahnbrechend einführte, ist nun auch die Stewardess (in den USA nennt man sie Hostess) hinzugetreten.“

Nelly wird als „blonde, lockige, langbewimperte junge Dame“ beschrieben, deren Aufgabe es sein soll, den Fluggästen der zwischen Zürich und Berlin zum Einsatz kommenden Curtiss AT-32C Condor „in ihren kleinen und größeren, körperlichen und seelischen Nöten nach Kräften beizustehen“. Der „besagte Engel trägt einen blauen, todschicken Hosenrock und eine überaus fesche Studentenmütze“.

Für die Fluggäste bereitet sie Speisen selbst zu und verkauft sie auf eigene Rechnung an Bord. Denn noch sind Speisen und Getränke bei der Swissair nicht im Ticketpreis inkludiert. Darüber hinaus ist sie für anregende Konversation oder die Beruhigung flugängstlicher Reisende während des drei Stunden und 40 Minuten dauernden Fluges zuständig. Ihr wird Witz und Charme attestiert. Es wird gemeinsam an Bord gestrickt, gesungen, Karten gespielt. Und wenn ein Gast es wünscht, jodelt Nelly sogar – der Kunde ist schließlich König.

Tödlicher Absturz bei Wurmlingen

Nelly Diener lebt ihren Traum jedoch nur kurz. Am 27. Juli stürzt das in Dübendorf gestartete Flugzeug mit der Registrierung CH-170 vormittags bei Wurmlingen nahe Tuttlingen ab. Neun Passagiere und die dreiköpfige Crew – Pilot Armin Mühlematter, Bordfunker Hans Daschinger sowie Stewardess Nelly Diener – kommen ums Leben. Die junge Dame hat nicht einmal ihre erste Flugsaison überlebt. Doch die Erinnerung an Nelly wird in der Schweiz hochgehalten.