Medien sprechen von Selbstmord. Doch die deutsche Pilotenvereinigung VC macht bei den Spekulationen über die Ursache des Absturzes der Air-India-787 nicht mit und ruft zur Zurückhaltung auf, bis der Abschlussbericht vorliegt.

Der Absturz der Boeing 787-8 der Air India am 12. Juni im indischen Ahmedabad hallt nach. Natürlich. 260 Menschen starben an Bord und am Boden. Und erstmals überhaupt musste ein Dreamliner, immerhin erst seit 2011 weltweit im Liniendienst, als Totalverlust abgeschrieben werden. Jetzt hat die indische Flugunfalluntersuchungsbehörde, das Aircraft Accident Investigation Bureau (AAIB), den vorläufigen Untersuchungsbericht des Unglücks veröffentlicht.

Kein eindeutiger Hinweis auf Suizid

Im Bericht heißt es, dass wenige Sekunden nach dem Take-off die Treibstoffzufuhr beider Triebwerke ausgeschaltet worden sei. Laut ausgewertetem Stimmenrekorder habe ein Pilot den anderen gefragt, warum er die Treibstoffzufuhr abgeschaltet habe, worauf dieser geantwortet habe, dass er es nicht getan hätte. Wer was gesagt hat, ob der Kapitän zum First Officer oder umgekehrt, ist derzeit nicht bekannt. Etwa zehn Sekunden nach dem Ausschalten sei die Treibstoffzufuhr wieder aktiviert worden, doch es war zu spät. Die Boeing 787 stürzte in ein Studentenheim.

Medienvertreter schlossen nach Lektüre des 15-seitigen Berichts auf einen erweiterten Suizid eines der beiden Piloten. Doch aus Sicht des deutschen Pilotenverbandes Vereinigung Cockpit (VC) lässt das Papier keinen eindeutigen Schluss auf eine absichtliche Handlung zu. Wichtige technische und systemische Aspekte seien nach wie vor ungeklärt und seriöse Rückschlüsse zur Unfallursache zum jetzigen Zeitpunkt nicht möglich, betont die Interessenvertretung.

Air-India-Crash: Wie wurde die Treibstoffzufuhr gekappt?

Ein Beispiel dafür, was noch einer genaueren Untersuchung bedarf, sei eben jene unterbrochene Treibstoffzufuhr. Die Boeing 787 war mit einem entsprechenden Schalter („Fuel Control Switch“) ausgestattet, „bei dem unter Umständen die Arretierungsfunktion, das sogenannte ,Locking Feature‘, nicht intakt gewesen sein kann. Dies kann unbeabsichtigte Betätigungen begünstigen“, heißt es seitens der VC. Und: „Trotz bekannter Sicherheitsbedenken wurde dieses Bauteil bei Air India weder überprüft noch durch eine verbesserte Version ersetzt.“

Die Aufgabe der Flugunfalluntersuchung sei es jedoch, „unabhängig sämtliche Faktoren eines Unfalls zu beleuchten – technischer, organisatorischer und menschlicher Art“, betont Vivianne Rehaag, Vorständin bei der Vereinigung Cockpit. „Diesen Prozess gilt es abzuwarten und zu respektieren. Vorverurteilungen helfen der Sicherheit nicht – im Gegenteil.“ Die Ursachen eines Flugunfalls seien häufig komplex und multifaktoriell – und verdienen eine differenzierte, sachliche Aufarbeitung im Sinne der Flugsicherheit.