AirBaltic ist nicht nur Erstkundin, sondern auch weltweit größte Betreiberin des Airbus A220-300. Die lettische Airline führte als erste umfangreiche Wartungsarbeiten an diesem Muster durch und hat ein einzigartiges Know-how aufgebaut

AirBaltic hat mit gegenwärtig 47 A220-300 die weltweit größte Flotte dieses Musters im Einsatz. Dieses Jahr werden noch weitere Einheiten dazu kommen, bis im Jahr 2030 einhundert A220-300 in Betrieb stehen sollen. Deren technische Betreuung liegt in den Händen der AirBaltic-eigenen Technikabteilung.

Airbus A220 Wartung ist bei AirBaltic einzigartig

Beim A220 wird die große Wartung nicht als klassischer D-Check benannt. Nach drei Jahren oder 8500 Flugstunden ist zunächst ein 1C-Check fällig, gefolgt von einem 2C-Check nach weiteren drei Jahren. Dieser Rhythmus wiederholt sich in der Folgezeit. „Wir haben mittlerweile auch mehrere 2C-Checks gemacht, was einem D-Check nahe kommt. Insgesamt wurden hier in Riga bereits 31 C-Checks durchgeführt“, erläutert AirBaltic-Präsident und -CEO Martin Gauss im Gespräch mit AERO INTERNATIONAL.

Die Wartungshalle der AirBaltic am Flughafen Riga platzt aus allen Nähten. Der Zulauf weiterer Flugzeuge erfordert eine neue Halle, die 2026 eröffnet wird. Bis dahin wird weitere Hallenkapazität angemietet. Bild: Foto: Kurt Hofmann

Die Airline aus Lettland hat dabei viel gelernt. Ihre Techniker gelten als die Experten mit der größten Erfahrung in Sachen umfangreicher A220-300-Wartung. Solche Checks bieten auch luftfahrttechnische Dienstleister an, doch sagt Gauss stolz: „Wir waren die erste Fluggesellschaft mit diesem Know-how.“ Zwar wurden bereits Technikleistungen für andere Airlines erbracht, aber speziell beim C-Check ist AirBaltic mit der eigenen Flotte bereits gut ausgelastet.

Aufgereiht wie an Bord stehen die ausgebauten Sitze einer A220 im Werfthangar. Bild: Foto: Kurt Hofmann

Größter Hangar des Baltikums

AirBaltics größtes Problem ist aktuell die fehlende Hallenkapazität. Alles, was als Hangar am Flughafen Riga nutzbar ist, wird gemietet – doch das reicht noch immer nicht. Bereits in diesem Jahr beginnt daher der Bau eines neuen Hangars mit acht Wartungslinien für die A220-300. Ausgestattet mit neuester Technologie und einer Fläche von 43 000 Quadratmetern wird es der größte Hangar im Baltikum.

Während der D-Check früher das größte geplante Wartungsereignis war, verteilt es sich bei der A220 auf die im Abstand von drei Jahren ausgeführten 1C- und 2C-Checks. Bild: Foto: Kurt Hofmann

Seine Inbetriebnahme ist für 2026 geplant. „Es handelt sich um eine Investition im hohen zweistelligen Millionen-Euro-Bereich“, so Gauss. Doch selbst im neuen Hangar werden nicht mehr als 50 Flugzeuge der Flotte betreut werden können. Da AirBaltic die doppelte Anzahl an A220-300 einsetzen möchte und auch Wartungsgeschäfte für Drittkunden plant, wird geprüft, temporär Hangars anzumieten.

Enger Austausch mit Airbus führt zum Erfolg bei AirBaltic

AirBaltic steht im engen Erfahrungsaustausch mit Airbus und Triebwerkshersteller Pratt & Whitney. „Wir waren überrascht, dass wir bei der Wartung so viel Korrosion entdeckten. Aber wir wissen, was zu tun ist“, erläutert Andris Vaivads, Senior Vice President Technical Operations. Zwischen den einzelnen C-Checks liege die Zuverlässigkeitsrate der Airbusse bei ungefähr 99 Prozent. „Wir benötigen 25 Tage für einen 1C-Check und 55 Tage für 2C, aber leider verzögert sich das immer wieder. Denn oft müssen wir auf Antworten von den Herstellern warten, wenn wir spezielle Ereignisse bei der Wartung entdecken“, so Vaivads.

Ein Modell für jedes echte Flugzeug der Flotte hat CEO Martin Gauss. Bild: Foto: Kurt Hofmann

Parallel zum technischen Know-how baut AirBaltic den technischen Personalbestand aus. „Jede Woche wachsen wir um zehn bis fünfzehn neue Mitarbeiter. Aktuell sind es 521“, erläutert Vaivads. Bei der Nachwuchsfindung arbeitet AirBaltic mit der Technischen Universität Riga zusammen.

Eigene technische Akademie soll Exzellenz sichern

Zudem unterhält die Airline eine eigene technische Akademie – vergleichbar mit den großen Technikkonzernen in der Luftfahrt. Anders ist es bei der Triebwerkwartung, die externen Partnern übertragen wurde. „Aber wenn wir über die nächsten zehn Jahre reden, könnten wir auch eines Tages Triebwerksinstandhaltung betreiben“, so Gauss. Ob es so kommt, so der AirBaltic-CEO, sei jedoch auch eine nationale Entscheidung der litauischen Regierung, in den Triebwerkssektor zu investieren.

Der Techniknachwuchs wird in einer eigenen Akademie auf die anspruchsvollen Aufgaben vorbereitet. Bild: Foto: Kurt Hofmann

Wie die meisten Kunden des Pratt & WhitneyGetriebefans (GTF) ist auch AirBaltic von dessen aktuellen Problemen betroffen. Da es weltweit zu wenige einsatzbereite GTF-Triebwerke gibt, nimmt man eigene Motoren zu Beginn eines C-Checks vom Flügel, um diese für den Wartungszeitraum an anderen Flugzeugen der Flotte zu installieren. So glaubt AirBaltic, den kommenden Sommer in puncto Motoren-Verfügbarkeit zu überstehen. Die Airline sendet ihre Triebwerke zur Wartung zu EME in Polen oder in die USA zu Pratt & Whitney in Columbus, Ohio.

Evolution der A220

Als globaler Erstkunde der A220-300 stellte AirBaltic das erste Exemplar im Jahr 2016 in Dienst. Seitdem habe sich die Qualität der fabrikneuen Jets wesentlich verbessert, berichtet Gauss. Bis zu sechs AirBaltic-Techniker fliegen zur Übernahme eines fabrikneuen A220 nach Montreal, um binnen zwei bis drei Tagen das Flugzeug vor Ort zu inspizieren. Gab es im Jahr 2016 noch rund 400 Beanstandungen bei der Abnahme, sind es heute zwischen 50 bis 60.

Im Rahmen der C-Checks werden die Cockpits der Airbus-A220-300-Jets gewartet. Auch diese Arbeiten übernehmen AirBaltic-Techniker. Bild: Foto: Kurt Hofmann

Die seien aber sehr marginal, wie Technikchef Vaivads zu berichten A weiß. „Wir haben das Flugzeug in den letzten A sechs Jahren gemeinsam mit Airbus weiter entwickelt“, erläutert Gauss die Evolution dieses Musters. Und Vaivads fügt hinzu, dass A220-Kunden aus der ganzen Welt mittlerweile auf die AirBaltic-Expertise zurückgreifen. Gerne helfe man mit Informationen über die Aspekte der A220-Wartung aus. „Unser Team ist eines der besten in dieser Branche. Und wir konzentrieren uns nur auf einen Flugzeugtyp, an dem wir fast alles selber machen können“, ergänzt der zufriedene Technikchef.

Text: Kurt Hofmann