Sie sind jung, dynamisch und motiviert: Mit einer kleinen Flotte der A320-Familie bedient die isländische Fluglinie Play jetzt auch Ziele in den USA. AERO INTERNATIONAL war im April auf dem Premierenflug dabei.

Die Party ist längst am Laufen, als die letzten Passagiere für Flug OG 101 am Gate D15 in Keflavik eintreffen. Eine Maschine aus Berlin war der letzte Zubringer für die Verbindung, deren Premiere die junge isländische Airline Play zusammen mit den Fluggästen vor dem Start mit Luftballons, Champagner und einem schneeweißen Sahnekuchen in Form des Weißen Hauses feiert: Die erste transatlantische Route führt von Reykjavik-Keflavik nach Baltimore, 43 Kilometer nordöstlich der US-Bundeshauptstadt Washington, D.C. gelegen.

Im April hat die Airline Play den Betrieb in den USA aufgenommen

Das Außergewöhnliche dabei: Das Flugzeug, das eine knappe Stunde später von der Piste 28 Richtung Westen abheben wird, ist eine Schmalrumpf-Maschine aus der Airbus-A320-Familie. Ja, die Rumpfröhre ist deutlich kleiner als bei den üblichen Langstrecken-Widebodies, aber das tut der Stimmung an Bord keinen Abbruch. Ebensowenig, dass die Bordverpflegung nicht im Ticketpreis enthalten ist. Das ist, wie beim kostenpflichtigen Check-in-Gepäck, Teil des Geschäftskonzepts: Der Kunde muss nur bezahlen, was er wirklich benötigt. Drei Euro für den Kaffee, selbst in 36 000 Fuß Reiseflughöhe immer noch billiger als bei Starbucks, das „Hot Ham & Cheese“-Baguette (tatsächlich lecker!) für neun Euro.

Die gut gelaunte, junge Play-Crew trägt T-Shirt statt Uniformjacke, verströmt skandinavische Gelassenheit und führt in der Galley Smalltalk mit den Fluggästen. So vermisst man das fehlende Bord-WiFi und die USB-Stromanschlüsse kaum. Die A321 mit der Registrierung TF-AEW hat Play wie zwei weitere Maschinen von der insolventen mexikanischen Interjet übernommen und den mehr als großzügigen Abstand der 3+3-Ledersitzreihen beibehalten. So ist die Laune an Bord bestens, als Flug OG 101 nach 6:16 Stunden und 2410 Nautischen Meilen an der US-Ostküste aufsetzt.

Crew der Airline Play trägt T-Shirt statt Uniformjacke

Die Idee, mit Airbus-Single-Aisle-Maschinen der A320-Modellreihe über den Atlantik zu fliegen, ist nicht neu. WOW Air hatte das Konzept bis zur Einstellung ihres Flugbetriebs verfolgt.

Play-Boys und -Girls: Markenzeichen der isländischen Crews ist eine legere Uniform – in der Kabine genügt T-Shirt statt Hemd.

Der ehemalige Wow-Chef Arnar Már Magnusson kündigte daraufhin im Juli 2019 die Gründung einer neuen Airline an: WAB Air, die Abkürzung steht für „We Are Back“. Er macht keinen Hehl daraus, welche Personen hinter der neuen Airline stecken. Tatsächlich sind nicht nur er, CEO Birgir Jónsson und Mitgründer Sveinn Ingi Steinþórsson ehemalige WOW-Mitarbeiter. Auch das fliegende Personal stammt überwiegend von dort. „Das machte es möglich, die Mitarbeiter mit minimalem Trainingsaufwand auf unser neues AOC (Air Operator Certificate) zu überführen“, erklärt Play-CEO Birgir Jónsson. Größtenteils besaßen die Piloten sogar noch gültige Musterberechtigungen für den Airbus A320, mit den Transatlantikstrecken und den Arbeitsabläufen auf der Route über den Teich hatten sie und die Kabinenbesatzung ohnehin langjährige Erfahrung.

Aus WAB Air wird im November 2019 die Airline Play

Im November 2019 erfolgte die Umbenennung der Fluglinie in Play. Dann kam die Coronapandemie, und, sollte man denken, damit das Aus für eine so junge Airline, noch bevor der Flugbetrieb überhaupt begonnen hatte. Doch das Gegenteil war der Fall . „Es gab keinen besseren Moment“, sagt Geschäftsführer Jónsson. „Vor Corona wäre es unmöglich gewesen, drei A321 auf einen Schlag zu kaufen.“ Play profitierte vom Einbruch des Luftverkehrs und sicherte sich über einen bis zu zwölfjährigen Zeitraum günstige Leasingraten für ihre Flugzeuge.

Das ist auch der Grund, warum die bisher fünf im Betrieb befindlichen Maschinen ebenso geleast sind wie es künftige sein werden. „Als kleine Fluggesellschaft, die gerade am Anfang steht, erhält man beim Kauf nicht so gute Konditionen wie beim Leasing. Selbst nach einem Kauf hätten wir sie womöglich in ein Lease-back-System integriert“, sagt Jónsson. Bilanztechnisch mache es kaum einen Unterschied, ob Play die Flugzeuge besitze oder lease. Der Ukrainekrieg hat zusätzliche Maschinen in den Markt gebracht, die die Preise für künftige Flottenerweiterungen derzeit weiter drücken.

100 Millionen US-Dollar Kapital

Als Kapitalgeber ist unter anderem der irische Investmentfond Avianta Capital von Aislinn Whittley-Ryan beteiligt, der Tochter von Ryanair-Gründer Kell Ryan. Weitere Investoren sind Versicherungsgesellschaften, Pensionsfonds und Einzelinvestoren. Mehr als 100 Millionen US-Dollar hat die Fluglinie so eingesammelt.

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Als börsennotiertes Unternehmen ist Play zu einer exakten wirtschaftlichen Berichterstattung und ihren rund 3400 Aktionären verpflichtet. „Unsere Entscheidungen müssen nachvollziehbar und unser Business- und Flottenentwicklungsplan transparent sein. Fantasieprognosen können wir uns deshalb gar nicht leisten“, sagt Jónsson. Die 2021er-Bilanz wies noch einen Verlust von über 27 Millionen US-Dollar aus. Ende des Jahres soll die Airline die ersten operativen Gewinne erwirtschaften. Dann muss auch die Auslastung der Maschinen von zuletzt 68 Prozent im März auf 80 bis 85 Prozent gestiegen sein.

Derzeit fliegt die Airline Play zwölf Destinationen an

Mit der Routenentwicklung ist die isländische Fluglinie im Zeitplan: Nach Baltimore und Boston – eine Destination, die seit Mai 2022 angeflogen wird – stehen im Juni Stewart bei New York und Orlando im US-Bundesstaat Florida auf dem Plan. Ihre erste Verbindung nach Baltimore hat Play mehr als drei Jahre lang konzentriert entwickelt. „So machen wir das nun nacheinander mit jeder Destination. Das ist fast schon deutsche Disziplin!“, sagt Jónsson.

Mit derzeit fünf Flugzeugen der A320-Modellreihe bestreitet Play derzeit den Flugbetrieb zu zwölf Destinationen. Zum Hub Reykjavik und den US-Zielen kommen noch euopäische, die die Isländer teilweise saisonal anfliegen. Mitte des Jahres soll eine weitere A321LR hinzukommen, im Frühjahr nächsten Jahres sind vier weitere Maschinen. eingeplant. Bis 2025 soll die Flotte schließlich auf 15 Flugzeuge angewachsen sein.

Ein Ziel: Die Bestuhlung soll vereinheitlicht werden

Im Lauf der Flottenentwicklung wird sich auch die bislang sehr unterschiedliche Bestuhlung vereinheitlichen: Play hat bereits ein festgelegtes Kabinenlayout mit drei unterschiedlichen Sitzabständen festgelegt: Kommende A320 werden 170 bis 180 Passagierplätze haben, die A321 214 Sitze.

Der Flug von Reykjavik-Keflavik nach Baltimore führt direkt über das Gletschereis Grönlands – ein seltener Anblick für Passagiere auf einem Transatlantikflug, die üblichen Routen verlaufen weiter südwärts.

Jónsson hält eine einheitliche Airbus-Schmalrumpf-Flotte für ideal: „Die A320/A321 sind perfekte Flugzeuge für uns. Wir können sie nach Belieben tauschen: Bei geringer Auslastung können wir auch auf den US-Routen die kleinere A320 einsetzen. Man ist zudem bei den Crews flexibel, weil für beide Flugzeuge dieselbe Musterberechtigung gilt.“

Chef der Airline Play schließt größere Flugzeuge aus der Widebody-Klasse aus

Größere Flugzeuge aus der Widebody-Klasse schließt der Play-Chef auch in Zukunft kategorisch aus – und damit auch Langstreckenverbindungen an die US-Westküste, die bereits WOW Air zum Verhängnis wurden (siehe Interview auf Seite 21). Auch Lockangebote bei den Ticketpreisen hält Jónsson für ein No-Go. Es sei „lächerlich“, die Strecke Berlin – New York für weniger als 400 US-Dollar fliegen zu wollen.

So will der CEO gewährleisten, im engen Wettbewerb der Fluglinien noch für eine lange Zeit im Spiel zu bleiben.