Die Entscheidung, ob die Sanierung der italienischen Fluggesellschaft Alitalia mit einer sicheren oder doch mit einer Bruchlandung endet, lässt weiter auf sich warten. Aktuell laufen die parlamentarischen Konsultationen zur Verlängerung der Fristen für den Verkauf von Alitalia und die Rückzahlung des Überbrückungskredits. Mit einer Entscheidung wird nach Pfingsten gerechnet. Für zusätzliche Turbulenzen sorgt die EU-Kommission, […]

Die Entscheidung, ob die Sanierung der italienischen Fluggesellschaft Alitalia mit einer sicheren oder doch mit einer Bruchlandung endet, lässt weiter auf sich warten. Aktuell laufen die parlamentarischen Konsultationen zur Verlängerung der Fristen für den Verkauf von Alitalia und die Rückzahlung des Überbrückungskredits. Mit einer Entscheidung wird nach Pfingsten gerechnet. Für zusätzliche Turbulenzen sorgt die EU-Kommission, die prüft, inwieweit der Überbrückungskredit wettbewerbswidrig ist.

Gastbeitrag von Alessandro Honert, Rechtsanwalt und Leiter der Niederlassung von Schultze & Braun in Bologna

Die aktuelle Situation bei Alitalia lässt sich am besten mit einem Bild darstellen: Alle Passagiere der trudelnden Maschine Alitalia wünschen sich eine baldige Rückkehr auf Terra Firma. Doch statt eines Landeanflugs verkünden die Piloten – in diesem Fall hat aktuell die italienische Politik das Steuer in der Hand – dass es lediglich eine weitere Warteschleife gibt. Und das, obwohl Alitalia erst vor kurzem noch flugbetankt wurde, um überhaupt in der Luft bleiben zu können. Die Zukunft des italienischen Aushängeschilds der Luftfahrt bleibt also zunächst einmal weiterhin in den Wolken verborgen.

Endliche Kreise in weiter Ferne

Die geplanten Fristverlängerungen sorgen aber auch dafür, dass die Investoren Lufthansa und EasyJet weiter ihre Kreise ziehen und auf eine Entscheidung aus Rom warten müssen – wenn es so läuft wie von den Verantwortlichen geplant, weitere sechs Monate. Die Regierung hat das entsprechende Dekret bereits verabschiedet, das in diesen Tagen dem italienischen Senat zur Bestätigung vorliegt. Ein Signal pro Verkauf von Alitalia ist das aber mitnichten. Der Sprecher der eingesetzten Kommission hat in diesem Zusammenhang erklärt, auch eine etwaige Zustimmung zur Fristverlängerung sei kein Bekenntnis zum Verkauf der Airline, während ein anderes Mitglied der Kommission sich für einen Neustart mit staatlicher Intervention – etwa durch die Depositenkasse – stark gemacht hat. Und auch, wenn das Dekret der Regierung bestätigt wird, wären noch weitere Warteschleifen möglich. Denn obwohl es vom Grundsatz her so ist, dass im Rahmen der Sonderinsolvenzverfahren für Großunternehmen der Verkauf eines insolventen Unternehmens innerhalb eines Jahres abzuwickeln ist, kann diese Frist auf bis zu vier Jahre verlängert werden, wenn das Unternehmen „wesentliche öffentliche Dienstleistungen“ erbringt – was bei Alitalia so gesehen wird. Man kann also durchaus sagen, dass es bis zu einer Entscheidung bei Alitalia im Fall der Fälle noch eine ganze Weile dauern kann.

Einigung dringend gesucht

Die Fristverlängerungen und der damit verbundene erweiterte zeitliche Spielraum sind gleichwohl keinesfalls Zufall, sondern haben politische Gründe. Schließlich haben sich die italienischen Parteien seit der Wahl im März immer noch nicht auf eine Regierung einigen können. Momentan erledigt eine Übergangsregierung das politische Alltagsgeschäft. Etwaige Verhandlungen mit möglichen Alitalia-Investoren gehören – mit aller Deutlichkeit – nicht dazu. Zudem spielt der großangelegte Stellenabbau – der bei einem Verkauf an einen Investor im Vorfeld erfolgen müsste – eine nicht unerhebliche Rolle. Ihn soll es am besten überhaupt nicht geben, oder – wenn er unausweichlich ist – soll ihn bitteschön die Regierung verantworten, die an seinen Auswirkungen und Ergebnissen auch gemessen werden wird.

Bruchlandung für ungesicherte Gläubiger

Verhandlungsbedarf gibt es also genug – sowohl mit den potenziellen Investoren als auch mit Alitalia selber. Grund dafür sind die Regelungen des aktuell laufenden Sonderinsolvenzverfahrens für Alitalia. Diese Eigenart des italienischen Insolvenzrechts existiert speziell für die Insolvenz von Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern und Verbindlichkeiten, die jenseits der 300 Millionen Euro liegen. Ziel dieses Sonderverfahrens ist es in erster Linie, das Unternehmen – und damit so viele Arbeitsplätz wie möglich – zu erhalten. Im Fall von Alitalia bedeutet dies, dass die Gläubiger vermutlich leer ausgehen, wenn sie keine Vorzugsrechte genießen.

Alitalia ist ein Sonderfall

Aber trotz all des zähen Ringens um eine Lösung bei Alitalia gilt: Die Fluggesellschaft ist ein Sonderfall – wenngleich natürlich ein sehr prominenter. Deutsche Investoren, die an der Übernahme eines insolventen Unternehmens in Italien interessiert sind, sollten sich davon nicht aus der Ruhe bringen lassen. Fakt ist: Alitalia ist mitnichten ein typisches Beispiel italienischer Insolvenzverfahren. Es handelt es sich um ein besonderes Verfahren für Unternehmen mit sehr hohen Verbindlichkeiten, vielen Arbeitnehmern und entsprechend hohem nationalen Interesse. Normale, alltägliche Insolvenzverfahren laufen weitaus einfacher und transparenter ab und sind von einer hohen Rechtssicherheit gekennzeichnet. Kurz: Investoren sollten sich vom Alitalia-Verfahren nicht abschrecken lassen und die aktuelle Entwicklung als das betrachten, was sie ist: Ein Sonderfall.

Der Autor: Alessandro Honert ist als Rechtsanwalt in Deutschland und Italien zugelassen und leitet die Niederlassung von Schultze & Braun in Bologna. Neben der internationalen Restrukturierungsberatung gehören das italienische Handels- und Gesellschaftsrecht und der internationale Rechtsverkehr zu seinen Spezialgebieten. Honert, der in Deutschland studiert und mehrere Jahre gearbeitet hat, ist seit dem Jahr 2000 in Italien tätig.