Howard Hughes Lieblingsjet: Die CONVAIR 880
Sie war elegant und sehr schnell – und dennoch lies ihr Erfolg auf sich warten. Das lag zunächst an den Eskapaden von TWA-Eigner Hughes und später am Ölpreisschock in den siebziger Jahren.
Die Consolidated Vultee Aircraft Corporation, kurz Convair, verfügte Mitte der fünziger Jahre über beste Kontakte zu einer der schillerndsten Gestalten der amerikanischen Luftfahrt: Howard Hughes. Als erster Milliardär in der US-Geschichte, Ölmagnat, Filmproduzent und Luftfahrtunternehmer fragte er das Convair-Management, ob es für die von ihm kontrollierte Trans World Airlines (TWA) einen Jet mit transkontinentaler Reichweite entwickeln und fertigen könne.
Hätte das Convair-Management bereits zu diesem Zeitpunkt geahnt, dass die Allüren von Howard Hughes nicht nur zu Aufträgen, sondern auch zum drohenden Ruin der Convair-Flugzeugwerke führen würden, wäre es vielleicht gar nicht erst zur Produktion der CV 880 gekommen. So aber präsentierte Convair, in der Hoffnung ein großes Stück vom Kuchen des zivilen Jet-Markts für sich zu gewinnen, nach vielen Designstudien im Jahr 1956 den finalen Entwurf. Das Ergebnis war die von vier General-Electric-CJ-805-Mo-toren angetrieben Skylark 600.
Golden Arrow ganz in Gold?
Die zum Hughes-Imperium gehörende Tool Company, über die Hughes grundsätzlich alle TWA-Maschinen erwarb und dann an die Airline weitervermietete, zeichnete am 7. Juni 1956 Vorverträge mit Convair und General Electric über 30 Exemplare des zum Golden Arrow umgetauften Jetliners. Noch am gleichen Tag folgte Delta Air Lines mit einer Order über zehn Exemplare. Deren Lieferzeitpunkt durfte jedoch jedoch Toolco als größerer Kunde frei bestimmen.
Den ersten Vorgeschmack auf die exzentrischen Ideen des Howard Hughes bekam Convair zu spüren, als er verlangte, das Flugzeug nicht nur Golden Arrow zu nennen, sondern auch aus golden schimmerndem Metall zu bauen. Zum Glück bestand Hughes nicht auf dieser fixen Idee, da es zum damaligen Zeitpunkt kein Herstellungsverfahren gab, das eine gleichmäßig goldene Färbung sämtlicher Beplankungen garantiert hätte.
Als die beiden Erstkunden, Toolco (TWA) und Delta Air Lines, am 10. September 1956 ihre Kaufabsichten in feste Aufträge für zusammen 40 Maschinen wandelten, war vom Golden Arrow keine Rede mehr. Vielmehr erhielt das Flugzeugprojekt nun mit „Convair 880“ seinen endgültigen Namen. Mit einer Reisegeschwindigkeit von knapp 1000 Kilometern pro Stunde zählt die CV 880 bis heute zu den schnellsten Passagierflugzeugen. Nach diesen ersten Einmischungen in das Flugzeugprogramm sollte Convair vor allem während der Produktionsphase erfahren, was es bedeutete, mit dem exzentrischen Howard Hughes Geschäfte zu machen.
Blockade der Fertigung
Die Fertigung der ersten Flugzeuge war im Convair-Werk im kalifornischen San Diego gut voran gekommen, und nichts schien den vertraglich zugesagten Auslieferungen der Jets an TWA und Delta im Weg zu stehen. Doch dann erschien unvermittelt im Oktober 1959 ein Inspektorenteam von Toolco in Begleitung von bewaffneten Wachleuten in der Endmontagelinie. Sie riegelten alle in Produktion befindlichen TWA-Jets ab.
Kein Convair- oder TWA-Mitarbeiter durfte sich den Flugzeugen nähern, geschweige denn diese betreten. An eine Fortsetzung der Endmontage war erst recht nicht zu denken. Wie sich wenige Tage nach der Belagerung der Convair-Produktionshalle herausstellte, hatte Howard Hughes diese Anweisung persönlich erteilt. Mit Mühe gelang es Convair, die Endmontagelinie am Laufen zu halten, und konnte so am 9. Februar 1960 wenigstens die erste CV 880 an Delta Air Lines ausliefern.
Hughes Rückzug von TWA
Das Drama um die für Toolco bestimmten Flugzeuge zog sich jedoch über das gesamte Jahr 1960 hin. Hughes verweigerte kategorisch die Abnahme der für TWA bestimmten 880-Flotte, jedoch ohne einen Grund dafür zu nennen. Es wirkte wie ein Akt der Verzweiflung, dass TWA im Mai 1960 eines der von Toolco bestellten Flugzeuge von Hughes erwarb, um diese CV 880 wenigstens als Crew-Trainer für die erhoffte Indienststellung der übrigen 29 Maschinen zu verwenden.
Die Situation entspannte sich für TWA erst am 30. Dezember 1960, nachdem Howard Hughes in Folge von finanziellen Problemen die Kontrolle über die Airline verloren hatte. Noch am gleichen Tag übertrug Toolco die Lieferpositionen für 19 CV 880 an TWA, von denen die erste nur zwei Tage später an die Airline übergeben wurde. Bis zum 18. Januar 1961 war die Flotte auf fünf Exemplare angewachsen, einschließlich der bereits im Mai 1960 übernommenen Schulungsmaschine. Von den Behinderungen durch den exzentrischen Howard Hughes befreit, machte sich Convair an die zügige Vollendung der übrigen, bislang in der Endmontagelinie „gefangenen“ Jets.
Luxuriöse Kabine der Convairs
TWA nahm am 12. Januar 1961 den Liniendienst mit ihren neuen Convair-Linern auf. Nur wenige Tage später stellte das neue Flaggschiff der TWA-Flotte einen Geschwindigkeitsrekord nach dem anderen auf. So beispielsweise am 24. Januar 1961 auf der Route von Chicago nach New York. Bei einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 1094 Kilometern pro Stunde betrug die Flugzeit lediglich eine Stunde und elf Minuten. Die von TWA „StarStream880“ getauften Convairs waren anfangs mit 85 First Class und nur 29 Coach Class Sesseln ausgestattet. Im vorderen Kabinenbereich lud zudem eine First Class Lounge mit zwölf Sesseln zum Drink über den Wolken ein.
Neben ihrer äußerst luxuriösen Bestuhlung bestach die CV 880 durch ein ausgeklügeltes Kabinendesign. Harley Earl, Chefdesigner des Automobilkonzerns General Motors und „Vater“ der Corvette, wurde von Convair mit dem Entwurf einer Passagierkabine beauftragt. Diese sollte dem beklemmenden Röhreneffekt aus der Perspektive der Fluggäste in den hinteren Sitzreihen entgegenwirken. Sein Rezept: Alle fünf Reihen senkte er das Kabinendach um ein paar Zentimeter ab und schuf so eine optische Unterteilung in kleinere Segmente.
Der Erfolg blieb aus
Ungeachtet aller fortschrittlicher Ideen war Convair mit seiner CV 880 kein Erfolg beschieden. Daran war Howard Hughes nicht unschuldig, dessen rücksichtsloses Verhalten die CV 880-Endmontagelinie in ein Chaos stürzte und es Convair nicht gestattete, seine vollendeten Maschinen für Vorführflüge mit potenziellen Kunden zu nutzen.
Auf diese Weise um die Möglichkeit gebracht, ihren Jet erfolgreich zu vermarkten, produzierte Convair verlustreich nur 65 Exemplare des Basismusters CV 880 sowie der weiter entwickelten CV 880M. Dennoch gebührt der CV 880 ein Platz unter den legendären Jetlinern. Ihr Design war so attraktiv, dass renommierte Airlines rund um den Globus ungeachtet der von Hughes verursachten Hindernisse Aufträge erteilten.
Dazu zählte auch die in Hongkong beheimatete Cathay Pacific, Civil Air Transport aus Taiwan und Japan Air Lines in Asien sowie die venezolanische VIASA in Lateinamerika. In den USA zählten neben Delta und TWA auch Alaska Airlines und Northeast zu den Kunden fabrikneuer Maschinen. Gemietete Convair CV 880 flogen zudem in den Farben von KLM auf deren Streckennetz in der Karibik – und bei Swissair in Europa. Letztere nutzte die Convair CV 880 als Übergangslösung bis zur verspäteten Auslieferung der größeren CV 990A.
Elvis’ Privatjet
Weltberühmt wurde die CV 880 mit dem Namen „Lisa Marie“ – die nach seiner Tochter benannte Privatmaschine von Elvis Presley. Sie ist heute im Elvis-Museum auf seinem ehemaligen Wohnsitz Graceland in Memphis im US-Bundesstaat Tennessee zu besichtigen. Elvis Presley erwarb die 1961 gebaute Werknummer 38 im Jahr 1975 für eine Million US-Dollar von Delta Air Lines. Weitere 750 000 US-Dollar investierte er in eine luxuriöse Kabinenausstattung. Neben einem großen Doppelbett zählte ein für damalige Verhältnisse hervorragendes Soundsystem sowie ein vergoldetes Bad zu den besonderen Features seiner „Lisa Marie“.
Nach dem Tod des King of Rock’n Roll im Jahr 1977 wurde die CV 880 zunächst an ein Flugcharterunternehmen verkauft. Erst am 6. Februar 1984 erfolgte ihr Überführungsflug nach Memphis. Ihren aktuellen Standort in Graceland erreichte sie schließlich, nachdem sie vom Flughafen aus über die Straßen der Südstaatenmetropole dorthin geschleppt wurde.
Eine weitere Convair hat die Jahrzehnte fast vollständig als Zeitkapsel überlebt. Sie wurde im April 1961 an TWA ausgeliefert und steht jetzt auf dem Gelände des kalifornischen Mojave Air & Space Port. Seit Jahren versucht ihr Eigner, Doug Scroggins III, ein Museum für den historischen Vierstrahler zu interessieren, dessen Kabineneinrichtung dem Zeitpunkt seiner Ausmusterung im April 1974 entspricht. Es gibt nur wenige andere Passagierjets jener Zeit, deren Kabine so komplett erhalten ist.







