Gegen den Branchentrend hält die Embraer-Tochter Eve Air Mobility an ihren Plänen für die Realisierung des elektrischen, senkrecht startenden Lufttaxis Eve 100 fest. Davon profitieren auch deutsche Zulieferer.

Lilium ist pleite, Volocopter wurde nach dem Konkurs im März für zehn Millionen Euro an den chinesischen Automobilkonzern Wanteng verscherbelt. Neun Monate zuvor wurde das Startup noch mit 1,5 Milliarden Euro bewertet. Der Hype um elektrische Lufttaxis (electric vertical take-off and landing, kurz eVTOL) hat seinen Zenit überschritten. Trotzdem bleibt Eve Air Mobility für die Zukunft dieser neuen Form der Mobilität optimistisch.

Im Jahr 2045 sollen gemäß einer neuen Marktstudie des Entwicklers weltweit 30 000 eVTOL im Einsatz sein, 41 Prozent davon in Asien und 29 Prozent in den USA. Etwas mehr als 5000 werden nach dieser Studie am Himmel über Europa umherfliegen, genauer gesagt über den Metropolen, denn dort sieht Eve den Lebensraum für das Eve 100 und seine Wettbewerber. Der Einsatzzweck werden hauptsächlich innerstädtische Transporte und Airport Shuttle sein. Hinzu kommen Ambulanz- und Businessflüge sowie Tourismus.

Voraussetzungen für den Erfolg von Eve 100

EVE Market Outlook
Laut dieser Analyse soll im Jahr 2045 das Gros der eVTOL in Asien fliegen. Bild: Eve Air Mobility

Ob sich dieses Potenzial realisieren lässt, hängt jedoch von mehreren Voraussetzungen ab, warnt Eve. Entscheidend für einen Betrieb in hoher Verkehrsdichte seien die Integration des Luftraums und der künftige unbemannte Betrieb von eVTOL. Weitere kritische Punkte sind Fortschritte in der Batterietechnologie sowie der Aufbau der notwendigen Zahl von Landeplätzen, sogenannten Vertiports.
Eve 100 hat Platz für vier Passagiere und einen Piloten.

Wenn es irgendwann autonom unterwegs ist, also ohne Pilot, entsteht Platz für sechs Gäste. Die Reichweite beträgt 100 Kilometer, was nach Angaben des Unternehmens 99 Prozent der Einsätze abdeckt. Nachdem es die Brasilianer im Gegensatz zu vielen inzwischen verschwundenen eVTOL Startups lange Zeit nicht auf große Publizität angelegt haben, geben sie jetzt Gas.

Eve Air Mobility setzt auf Qualität und Langfristigkeit

„Eve ist nicht im Rennen, um der Erste zu sein“, sagte Megha Bhatia, Chief Commercial Officer von Eve, kürzlich. „Stattdessen konzentrieren wir uns auf methodische Tests und Zertifizierungen.“ Die Philosophie sei „zertifizieren, um zu fliegen, nicht fliegen, um zu zertifizieren.“ Nachdem sie auf der Paris Air Show im Juni den ersten Prototypen ausgestellt haben, steht jetzt der Erstflug unmittelbar bevor.

Sechs serienkonforme Prototypen sollen an der Flugerprobung teilnehmen. 2026 soll die Eve 100 ihre Zulassung erhalten, 2027 sollen die ersten eVTOLs bei Revo, einer brasilianischen Tochter der portugiesischen Omni Helicopters International, in Sao Paulo in Einsatz gehen. Eve hat bereits an die 3000 Vorbestellungen vorliegen. Anfangs sollen 120 Exemplare pro Jahr produziert werden, später
480.

Made in Germany: Technik für das eVTOL

Drei deutsche Unternehmen dürfte das freuen: Liebherr Aerospace liefert die elektromechanischen Aktuatoren. Diehl wird die Innenausstattung für Cockpit und Kabine sowie die Kabinenbeleuchtung integrieren und produzieren. Recaro liefert die Sitze.

Text: Heinrich Großbongardt