27.07.2015 Das Unternehmen will mehr über seine Kunden wissen und ihnen möglichst viel verkaufen. Frankfurt/Main – Economy, Business, First – im Flugzeug waren noch nie alle Passagiere gleich. Mit ihrem neuen, ab 1. Oktober gültigen Tarifsystem differenziert die Lufthansa das schon um die Zwischenklasse «Premium Economy» ergänzte System noch weiter aus. Nach dem Vorbild von […]

27.07.2015

Das Unternehmen will mehr über seine Kunden wissen und ihnen möglichst viel verkaufen.

Frankfurt/Main – Economy, Business, First – im Flugzeug waren noch nie alle Passagiere gleich. Mit ihrem neuen, ab 1. Oktober gültigen Tarifsystem differenziert die Lufthansa das schon um die Zwischenklasse «Premium Economy» ergänzte System noch weiter aus. Nach dem Vorbild von Billigfliegern auch aus dem eigenen Haus werden künftig für jeden Economy-Sitz im Europa-Verkehr drei unterschiedliche Servicestufen angeboten. Das neue System mit den Stufen «Light», «Classic» und «Flex» birgt zusätzliche Gewinnchancen.

Im Vergleich zum bisherigen Niveau sparen lediglich Passagiere, die nur mit Handgepäck unterwegs sind. Das ist laut Lufthansa rund ein Drittel der Gäste, vor allem Geschäftsreisende. Wer auch künftig zusätzlich zum Handgepäck einen Koffer aufgeben will, muss entweder 15 Euro pro Flug Aufpreis zahlen oder gleich den «Classic»-Tarif wählen, der dann aber deutlich über dem bisherigen Ticketpreis liegt. In Abgrenzung auch zum eigenen Billigflieger Germanwings/Eurowings bietet Lufthansa immerhin noch einen Snack für alle Passagiere.

Flugpreise sind wegen der Vielzahl der Anbieter, der Verbindungen und der starken Preisschwankungen für die meisten Konsumenten ohnehin ein kaum durchschaubarer Dschungel. Die Gesellschaften überprüfen und ändern die Preise für die Verbindungen je nach Nachfrage teilweise mehrfach am Tag. Die Lufthansa hat für die Plätze in ihren Maschinen nicht weniger als 26 interne Preisstufen, von denen der Kunde in der Regel nichts ahnt. Ziel des ausgeklügelten Systems aus Marktbeobachtung und Preisanpassung ist es, die Maschinen möglichst weit oberhalb von 80 Prozent auszulasten und für jeden Sitz den höchstmöglichen Preis zu erzielen.

Bei ihrer Suche nach günstigen Tickets verlassen sich die Kunden auf Internetportale oder beauftragen Reise-Profis. Bislang haben diese vor allem auf die weltumspannenden IT-Systeme der Anbieter Amadeus, Travelport oder Sabre zurückgegriffen, in denen die allermeisten touristischen Angebote hinterlegt sind. Doch genau diesen Vertriebsweg will Lufthansa wegen hoher externer Kosten ab dem 1. September mit einer zusätzlichen Gebühr von 16 Euro pro Buchung belasten. Die billigsten Lufthansa-Flüge soll es für Privatleute wie für Geschäftskunden nur noch direkt beim Konzern geben.

Da kann es auch nicht schaden, wenn der leicht abgesenkte Light-Tarif bei Google und anderen Internet-Suchmaschinen ganz oben steht. Erst beim Klick auf die Lufthansa-Seite erfährt der geneigte Kunde womöglich, dass ein Koffer extra kostet. Lufthansa-Vertriebschef Jens Bischof geht davon aus, dass das neue Tarifsystem den Online-Verkauf stimulieren wird. Ohnehin sind die Kundendaten im Internet-Zeitalter so viel Geld wert, dass man sie nicht gern anderen überlässt. Und dass zusätzliche Extras wie zum Beispiel Platzreservierungen jederzeit nachgebucht werden können, soll für zusätzliche Umsätze sorgen, die es im starren alten System nicht gegeben hat.

Lufthansa ist bei dieser Art der Preisgestaltung keineswegs Vorreiter, sondern eher Nachzügler. Schon seit dem Frühjahr 2013 bietet die große europäische Rivalin Air France in ihrem Europa-Tarif «Economy Mini» Tickets nur mit Handgepäck und ohne Umbuchung an. Auch bei British Airways können Kunden längst zwischen Economy-Tickets mit und ohne aufgegebenes Gepäck wählen.

Die Billigflieger sind mit dem Leitspruch «no frills» (kein Schnickschnack) zu den Lufthansa-Herausforderern geworden, die sie heute sind. Doch gerade bei den Gepäckgebühren zeigt sich, wo Ryanair sein Geld verdient – mit 45 Euro pro Strecke ist ein Koffer nach Griechenland in der Hochsaison gleich dreimal so teuer wie künftig bei der Lufthansa, die sich mit 15 Euro begnügt.

Verbraucherschützer beklagen, dass mit den immer komplexeren Preismodellen die Vergleichbarkeit der Preise schwindet. Die vom europäischen Gerichtshof bestätigte Mindestanforderung lautet, dass schon zu Beginn des Buchungsprozesses der Endpreis einschließlich aller Steuern, Gebühren und Entgelte zu erkennen sein muss. Die deutsche Nummer zwei, Air Berlin, steht wegen im Jahr 2008 falsch ausgewiesener Ticketpreise gerade vor einer Verurteilung durch den Bundesgerichtshof. Air Berlin zufolge wurde die Preisanzeige im Internet bereits geändert.