Nouméa, 15. November 2018 Ein Stück Frankreich im Pazifik und eine ziemliche Idylle dazu: In Neukaledonien kann es passieren, dass man einen kilometerlangen Sandstrand ganz für sich allein hat. Das hat seine Gründe. Am Ende des Tages, als ob das nicht alles schon längst genug wäre, verwandelt sich dann auch noch der Mond in ein […]

Nouméa, 15. November 2018

Ein Stück Frankreich im Pazifik und eine ziemliche Idylle dazu: In Neukaledonien kann es passieren, dass man einen kilometerlangen Sandstrand ganz für sich allein hat. Das hat seine Gründe.

Am Ende des Tages, als ob das nicht alles schon längst genug wäre, verwandelt sich dann auch noch der Mond in ein Croissant. Steht droben im Nachthimmel über dem Pazifik und sieht wirklich aus wie ein Hörnchen. Und man erinnert sich an seine Französisch-Lehrerin und daran, wie das Backwerk angeblich zu seinem Namen kam: weil es aussieht wie ein zunehmender Mond in seinen ersten Tagen.

Hier in Neukaledonien glaubt man die Croissant-Geschichte sofort – auch wenn es kaum einen Ort auf der Erde gibt, der von einer Pariser Bäckerei weiter entfernt sein könnte. Luftlinie sind es 18 000 Kilometer. Mit dem Flugzeug ist man einen ganzen Tag lang unterwegs. Und trotzdem gehört die Inselgruppe auf der anderen Seite der Weltkugel mit ihren 280 000 Bewohnern zu Frankreich.

Das ist schon seit 165 Jahren so und ändert sich nun auch nicht. Anfang November votierten in einer Volksabstimmung 43 Prozent der Neukaledonier für die Unabhängigkeit, aber 57 Prozent dagegen. Vor allem in der Bevölkerungsgruppe der melanesischen Ureinwohner, der Kanaken, ist die Enttäuschung groß. Sie hatten für den neuen Staat auch schon einen Namen: Kanaky. Übersetzt heißt das Menschenland.

Aber so bleibt es nun bei Nouvelle-Calédonie, Neukaledonien. Oder, wenn man ganz korrekt sein will: Neuschottland. Das liegt daran, dass der Entdecker James Cook bei der ersten Begegnung 1774 den Norden seiner britischen Heimat wiederzuerkennen glaubte. 1853 ließ Napoleon III. die Inseln für Frankreich in Besitz nehmen und machte eine Sträflingsinsel daraus. Heute erinnert an Schottland nur wenig und an eine Strafkolonie überhaupt nichts mehr.

Im Gegenteil: Neukaledonien ist eine dieser seltenen Idyllen, die vom Tourismus noch einigermaßen verschont geblieben sind. 2017 wurden gerade einmal 100 000 Urlauber gezählt. Außerhalb der Hauptstadt Nouméa gibt es kaum größere Hotels. Selbst dort kann es passieren, dass man morgens in einer der Buchten das Meer für sich allein hat. Anderswo – in den Savannen, im Regenwald, an der Felsküste oder auf den anderen Inseln – ist es noch einsamer.

Das hat seine Gründe. Für Kontinental-Franzosen und andere Europäer ist Neukaledonien nun einmal sehr weit weg. Die unmittelbaren Nachbarn aus Australien und Neuseeland – immer noch um die 2000 Kilometer entfernt – schreckt die Sprache ab. Mit dem Englischen haben es die Franzosen auch hier nicht so. Und billig ist Neukaledonien, wo noch mit dem Franc bezahlt wird, ebenfalls nicht.

Insbesondere in Nouméa ist das Leben ähnlich teuer wie in Paris. Die Hauptstadt liegt auf der größten Insel, Grande Terre. Staus, schlechte Luft, Hektik sind hier eher selten. Wer zu spät kommt, beruft sich auf die «heure kanake», die «kanakische Stunde», die dehnbar ist. Die Buchten tragen Namen wie Baie des Citrons (Zitronenbucht) oder Baie des Dames (Damenbucht).

Auf den Hügeln stehen die Villen der Reichen, mit den Luxus-Geländewägen auf dem Grundstück und gar nicht so selten auch mit eigener Jacht. Auf einem der Hänge haben die Neukaledonier auch ihr Kulturzentrum gestellt, das . Es ist ein Bau im Grünen, überragt von 20 Meter hohen Stabkonstruktionen, entworfen vom italienischen Star-Architekten Renzo Piano. Vielen gilt das Centre heute als das schönste Gebäude in der Südsee überhaupt.

Der Name kommt vom Vater der kanakischen Unabhängigkeitsbewegung, Jean-Marie Tjibaou, der Ende der 1980er Jahre von einem Extremisten ermordet wurde. Geleitet wird das Zentrum von seinem Sohn Emmanuel. Er ist stolz darauf, Kanake zu sein. «Kanake, das heißt Mensch», sagt der 42-Jährige. «Sonst nichts. Das ist keine Frage der Hautfarbe.»

Gleich neben dem Kulturzentrum gibt es einen kleinen Flughafen. Dort starten die Propellermaschinen hinaus auf die kleineren Inseln. Wo die Kultur der Kanaken lebendiger, die Strände noch länger und das Wasser noch blauer ist. Man glaubt es kaum. Seit 2008 ist das Korallenmeer Weltkulturerbe. Mit 1,3 Millionen Quadratkilometern ist der Parc naturel de la mer de Corail eines der größten Meeresschutzgebiete der Welt – dreimal so groß wie Deutschland.

Die vielleicht schönste Insel ist Ouvéa, nur 35 Kilometer lang, an manchen Stellen nicht einmal 40 Meter breit. Sie scheint aus einem einzigen, schier endlosen und nahezu unberührten Sandstrand zu bestehen. Nur an der Pont de Mouli, einer Brücke auf dem Weg zur Lagune, sind mehr als ein halbes Dutzend Leute im Wasser.

Von der Brücke aus lässt sich beobachten, wie Rochen und Schildkröten durchs Wasser schweben. Man sieht aber auch die Konturen von Riff- und Babyhaien. Das hält die Kinder nicht davon ab, vom blauen Geländer hinunter ins Wasser zu springen. Nach offizieller Zählung gibt es hier 48 verschiedene Haiarten – für Menschen angeblich allesamt ungefährlich.

4300 Leute sind auf Ouvéa zuhause, fast alles Kanaken. Sie haben kein allzu großes Interesse, ihre Insel mit Touristen zu teilen. Koma Waikata gehört zu den wenigen, die damit ihr Geld verdienen. Die 66-Jährige betreibt ein kleines Restaurant mit Inselküche. Es gibt dort viel gegrillten Fisch, aber auch Bounga – eine lokale Spezialität aus Huhn mit Süßkartoffeln und Bananen, das mit Kokosmilch befeuchtet, in Bananenblätter gewickelt und dann in einem Erdloch gegart wird.

Ansonsten gibt es auf der Insel Ouvéa genau zwei Hotels. Normalerweise nächtigt man als Ausländer in runden Strohhütten, die Privatleuten gehören. Das heißt «Accueil en Tribu» («Empfang durch den Stamm»). Tatsächlich ist das Leben hier noch in Stämmen organisiert. Wer vorbereitet ist, hat als Mitbringsel ein «Manou» dabei – ein Stück Stoff, in das ein kleinerer Geldschein gewickelt ist.

Im Jahr 2017 kamen gerade einmal 9000 Touristen nach Ouvéa, fast nur Franzosen. Die einzige größere Gruppe Ausländer waren Japaner. Das liegt an einem japanischen Roman aus den 1960er Jahren, der auch verfilmt wurde: «Die Insel, die dem Paradies am nächsten liegt», eine Liebesgeschichte der nicht besonders bekannten Schriftstellerin Katsura Morimura. Sie nahm sich später das Leben.

Die Japaner sind in Neukaledonien auch gern gesehene Gäste – im Unterschied zu manchen anderen. Seit es Direktflüge aus der Volksrepublik gibt, kommen nun erstmals auch Chinesen in größeren Gruppen. Auf die sind einige nicht besonders gut zu sprechen, auch Koma Waikata nicht. Die Köchin sagt: «Das sind mir einfach zu viele. Und sie sind mir auch zu laut. Und essen zu viel. Wenn wir nicht aufpassen, essen uns die irgendwann sogar noch die Lagune weg.» Und so etwas wollen die Leute von Ouvéa aus verständlichen Gründen unbedingt vermeiden.

Info-Kasten: Neukaledonien

Anreise: Enorm anstrengend. Der Flug dauert aus Deutschland länger als einen Tag. Air France, KLM, British Airways und Japan Airlines zum Beispiel fliegen die Hauptstadt Nouméa über ihre europäischen Drehkreuze und Tokio an. Der Zeitunterschied beträgt zehn Stunden.

Reisezeit: Die meisten Urlauber kommen zwischen Oktober und Dezember. Dann ist es tagsüber meist um die 30 Grad warm. Durch die relativ große Distanz zum Äquator sind die Temperaturen insgesamt etwas niedriger als anderswo in der Südsee. Aber das Klima ist auch im neukaledonischen Winter zwischen April und November sehr angenehm. Durchschnittliche Tagestemperaturen: zwischen 22 und 27 Grad.

Hotels: In Nouméa gibt es eine größere Auswahl Hotels der verschiedensten Preisklassen. Auf Ouvéa gibt es nur zwei Hotels: das Vier-Sterne-Haus «Paradis» mit Preisen ab 170 Euro pro Nacht sowie das «Beaupré» (ab 140 Euro). Billiger sind die Übernachtungen in Rundhütten («Accueil en Tribu»), ab etwa 50 Euro.

Informationen: Office du Tourisme de Nouvelle-Calédonie, +687 28 75 80, <centre.ville@office-tourisme.nc>

Christoph Sator, dpa