Potsdam, 09. April 2019 Formschöne Kegel, tiefe Krater, brodelnde Lava: Vulkane faszinieren. Sie sind beliebte Reiseziele. Doch hin und wieder werden sie für Reisende zum Problem – mitunter mit gravierenden Folgen. Potsdam (dpa/tmn) – Als der Vulkan Gunung Agung riesige Rauchwolken in den Himmel schickte, saßen Tausende Urlauber auf Bali fest. Der internationale Flughafen der […]

Potsdam, 09. April 2019

Formschöne Kegel, tiefe Krater, brodelnde Lava: Vulkane faszinieren. Sie sind beliebte Reiseziele. Doch hin und wieder werden sie für Reisende zum Problem – mitunter mit gravierenden Folgen.

Potsdam (dpa/tmn) – Als der Vulkan Gunung Agung riesige Rauchwolken in den Himmel schickte, saßen Tausende Urlauber auf Bali fest. Der internationale Flughafen der Insel wurde gesperrt. Die großen deutschen Reiseveranstalter baten ihren Kunden kostenlose Umbuchungen und Stornierungen an. Der Vulkan brachte die Reisepläne der Inselgäste gehörig durcheinander – dabei waren die meisten ja bloß wegen der Strände nach Indonesien gekommen. Das war 2017.

«Viele Touristen waren tatsächlich überrascht, dass es dort aktive Vulkane gibt. Aus einigen Anfragen hörte ich regelrechte Empörung», erinnert sich Thomas Walter vom Helmholtz-Zentrum Potsdam – Deutsches Geoforschungszentrum (GFZ). «Wer sich nicht damit beschäftigt, ist oft schockiert.» Das sei der eine Typ Reisender. «Und dann gibt es Menschen, die ganz bewusst zu Vulkanen reisen», sagt der Geologe.

Vulkane sind beides zugleich: Bedrohung und Sehenswürdigkeit. Sie bieten Reisenden ein unvergleichliches Naturerlebnis – oder legen den Flugverkehr lahm, überziehen die Landschaft mit Asche, zerstören Ortschaften. Ein Vulkanausbruch ist ein lebensgefährliches Spektakel.

Weltweit gibt es etwa 1500 aktive Vulkane. Durch die globale Expansion des Tourismus sei das Risiko, dass Reisende von Ausbrüchen betroffen sind, sehr viel größer geworden, sagt Walter. «Bali zum Beispiel war früher eher ein Ziel für Individualreisende. Das hat sich gewandelt.»

Rund 450 aktive Vulkane liegen im pazifischen Feuerring – und allein 127 in Indonesien. Im Jahr 2010 schleuderte der Merapi auf Java Eruptionswolken bis zu 18 Kilometer in den Himmel. Die Gegend um den Vulkan sei schon Tage vor dem Ausbruch evakuiert worden, berichtet Walter. Das rettete vielen Tausenden Menschen das Leben. «Das ist ein sehr gefährlicher Vulkan.»

Ein Risiko besteht jedoch nicht nur in der Ferne, sondern auch in Europa. Beispiel Ätna auf Sizilien: Im Dezember 2018 kam es zu mehreren kleinen Ausbrüchen und Beben. Gleichzeitig lockt der Vulkan viele Reisende. «Man kommt mittlerweile auch sehr einfach hoch, es gibt Bustouren von den Hotels aus», weiß Walter. «Bei Eruptionen haben Vulkanologen auch damit zu tun, Touristen zu informieren und so vom Vulkan fernzuhalten. Urlauber wollen nachts aber die Lavafontänen sehen.»

Auch der Ätna kann überraschende Explosionen hervorrufen. Beispielsweise wenn Lava über Schnee fließt, kann es zu Dampfgasexplosionen kommen. Das passierte 2017. Dabei wurden auch Touristen verletzt.

Auch der Stromboli nördlich von Sizilien ist sehr beliebt. «Man kommt mit der Fähre von Neapel einfach hin. Jeder darf hoch, aber man braucht einen Guide und etwas Kondition», sagt der Geologe.

Vor den Toren Neapels ist darüber hinaus nicht nur der Vesuv aktiv – das sind tickende Zeitbomben, mahnen Experten: «Vulkanologen warnen seit Jahren, dass der Vesuv oder die benachbarten Phlegräischen Felder ausbrechen könnten», betont Walter.

Verantwortungsvoller Vulkantourismus sei wichtig, sagt der Experte. Urlauber sollten sich gründlich informieren. Das Auswärtige Amt zum Beispiel weist in seinen Reise- und Sicherheitshinweisen für die entsprechenden Länder auch auf Gefahren durch Vulkanismus hin. Mit vielen nützlichen Links, etwa im Falle Italiens.

Denn oft kommt es darauf an, wo genau in einer Region man sich befindet. Der jüngste Ausbruch des Vulkans Kilauea auf Hawaii – einer der aktivsten der Welt – sorgte zwar für Lavaströme und Schäden auf Big Island. Wer aber auf einer anderen Insel des Archipels seinen Urlaub verbringen wollte, konnte dies ohne Einschränkungen tun.

Tatsächlich ist das Risiko, dass Touristen durch einen Ausbruch zu Schaden kommen, relativ gering – im Verhältnis zu den sonstigen Gefahren. «Die Höhe und schlechtes Wetter werden am häufigsten unterschätzt», sagt Walter. Das gilt zum Beispiel für den beliebten Teide auf Teneriffa, der fast so hoch wie der Großglockner ist. «Viele wollen da hoch, aber der Berg ist mehr als 3700 Meter hoch. Das ist Hochgebirge. Mit Flip Flops marschiert es sich da nicht gut.»

Und dann gibt es noch Szenarien, bei denen nicht nur Reisende vor Ort betroffen sind. Der Vulkan Eyjafjallajökull auf Island legte bei seinem Ausbruch 2010 für mehrere Tage den gesamten Flugverkehr in Nord- und Mitteleuropa lahm. Dennoch sind Vulkane weiterhin beliebte Touristenziele in Island. «Wir empfehlen, die Vulkane mit einem Guide zu entdecken, der Wissen, Geschichte und interessante Fakten vermitteln kann», rät Sigridur Dögg Gudmundsdottir von Visit Iceland Touristen.

Außerhalb Europas ist Vulkan-Trekking ebenfalls eine beliebte Attraktion. Das gilt besonders in Mittel- und Südamerika. In den Anden reihen sich stattliche Vulkane von mehr als 5000 oder gar 6000 Metern wie an einer Perlenkette in Nord-Süd-Richtung auf. Allein in Chile gibt es 80 aktive Vulkane. Besonders formschön ist zum Beispiel der Cotopaxi in Ecuador – auch er ist immer wieder mal aktiv. Die Asche flog schon bis in die nahe Hauptstadt Quito.

«Ausbrüche sind weiterhin schwer vorhersehbar, auch wenn sich die Überwachung von Vulkanen unheimlich verbessert hat», sagt Walter. Je nach Land gebe es aber große Unterschiede beim Monitoring. «Nicht einmal 20 Prozent aller aktiven Vulkane werden gut überwacht.»

Warum sind Vulkane so faszinierend? «Sie machen die Dynamik des Planeten greifbar», sagt Geologe Walter. «Dass eine Erdplatte sich langsam verschiebt, sieht man nicht mit dem Auge – einen Vulkanausbruch schon.» Und vielleicht stecke auch so eine Art archaisches Denken dahinter: «Feuer weckt Interesse beim Menschen.»

Nur ganz wenige Vulkane auf der Welt haben einen offenen Lavasee. Der Nyiragongo im Ostkongo hat den größten. Der 3470 Meter hohe Vulkan liegt im Virunga-Nationalpark, in dem sich auch Berggorillas beobachten lassen. Wer sich in das Krisengebiet wagt, wovor das Auswärtige Amt ausdrücklich warnt, kann den Vulkan besteigen und in einfachen Hütten am Kraterrand übernachten. Nachts glüht die Lava. Man fühlt sich an den Schicksalsberg im «Herr der Ringe» erinnert. Wer dieses urzeitliche Schauspiel gesehen hat, wird es nicht vergessen.

Philipp Laage, dpa