Kreta kennen die meisten als Sommerziel. Doch auch im Winter lässt sich auf Griechenlands größter Insel Urlaub machen – die Uhren ticken dann nur anders. Und in den Tsatsiki kommen Möhren. Giannis scheint nichts zu treiben. Er steht in seinem Olivengarten, tief im Matsch. Tagelang hat es auf Kreta geregnet. Selten ist Regen in den […]

Kreta kennen die meisten als Sommerziel. Doch auch im Winter lässt sich auf Griechenlands größter Insel Urlaub machen – die Uhren ticken dann nur anders. Und in den Tsatsiki kommen Möhren.

Giannis scheint nichts zu treiben. Er steht in seinem Olivengarten, tief im Matsch. Tagelang hat es auf Kreta geregnet. Selten ist Regen in den Wintermonaten nicht, in solchen großen Mengen aber schon. Giannis nimmt es gelassen. «Die Natur kann das brauchen», sagt der drahtige Mann mit dem kurzen Bart.

Mehrere Dutzend Olivenbäume stehen auf seiner Farm in Litsarda im Nordwesten der Insel. Hühner gackern fröhlich, als sie durch das hohe Gras marschieren. Der Hofhund liegt an der Kette, wie in so vielen Farmen und Anwesen auf Griechenlands größter Insel. Doch jetzt kommt nur selten ein Auto vorbei, denn es sind kaum Touristen da.

Der Winter gibt einen ganz anderen Takt vor als die vollen Sommermonate mit Abertausenden von Touristen aus aller Welt, die die Mittelmeer-Strände belagern und die Insel erkunden.

Die Kräuter duften auch im Winter intensiv

Bei Giannis Bouleros wachsen die verschiedensten Kräuter. Der Lavendel riecht auch im Winter intensiv, der Rosmarin schimmert sattgrün. Er pflückt Fenchel, Calendula und Minze. «Das brauchen wir dann für den Salat», erklärt er. Im Gewächshaus zieht Giannis die jungen Pflanzen, die im Frühjahr hinaus ins Freie kommen. «Jetzt ist es noch zu kalt, und auch zu nass.» Tomaten, Auberginen, Zucchini hat er ausgesät.

Was der junge Mann nicht selbst im Garten hat, das haben die Nachbarn. Orangen- und Zitronenbäume zum Beispiel, die auch im tiefsten Winter mit Früchten behangen sind. «Wir tauschen», sagt der Landwirt, der sich den Traum von einer nachhaltigen Farm erfüllt hat.

Giannis ist außerdem ein hervorragender Koch. Zusammen mit seiner Freundin Julie, einer Köchin aus Seattle, die es aus dem Nordwesten der USA auf die griechische Insel verschlagen hat, zeigt er Touristen die kretische Küche. Im Winter in seinem kleinen Haus, im Sommer auf der großen Terrasse mit dem alten Holzofen.

Ziegenfleisch und Gemüse aus dem Garten

«Wir essen gern Fleisch hier auf der Insel», sagt Giannis. Schafe und Ziegen leben in großer Zahl in den Bergen, auch Schwein kommt häufig auf die Teller. «Nur direkt am Meer essen auch die Einheimischen am liebsten Fisch.»

Dazu serviert Giannis das Gemüse, das in seinem Garten wächst. Die Gäste arbeiten mit, sie schälen und schneiden. Alles kommt in einen großen Bräter hinein: Ziegenfleisch, in handgroße Stücke geschnitten, Möhren, Kartoffeln, Zwiebeln, Äpfel, Gewürze, Kräuter. Dann gießt der Koch das Ganze mit ordentlichen Mengen Olivenöl und Hauswein an und der Bräter verschwindet im Ofen. Für eineinhalb Stunden oder zwei. Besser noch länger. «Dann wird das Fleisch schön weich.»

Während das Essen im Ofen schmort schauen Freunde und Nachbarn vorbei, ein befreundeter Winzer bringt ein paar Flaschen Rotwein mit und bleibt kurzerhand zum Essen. «Schon seit 4000 Jahren wird auf der Insel Wein angebaut und gekeltert», sagt Pantelis Sapounakis, der Winzer. Die Böden und das Klima seien nicht nur für Oliven optimal, sondern auch für Rotwein.

Olivenöl als Lebenselixier

Giannis und Julie erzählen derweil, was sie alles herstellen. Überall an der Decke hängen kleine Kräutersträuße zum Trocknen. Und natürlich das Olivenöl, das sie hier selbst pressen. «Davon brauchen die Kreter extrem viel», sagt Maria Chavaledaki. Sie betreibt zusammen mit ihrer Familie eine kleine Presse, in der nach alter Methode Öl gepresst wird: mit zwei riesigen Steinen, die die Oliven zerquetschen.

«Fast jeder Haushalt presst in Kreta sein eigenes Öl, viele Menschen besitzen ein paar Olivenbäume», sagt Chavaledaki. 35 Millionen Bäume stehen nach offiziellen Angaben auf der Insel. Der Statistik zufolge verbraucht jeder Kreter rund 50 Liter Öl pro Jahr – mancher sieht es als Lebenselixier. «Mein Opa ist 96 Jahre alt und trinkt jeden Morgen vor dem Frühstück einen Schluck Olivenöl und isst einen Löffel Thymianhonig», erzählt Maria.

Zum Teil wird das Olivenöl, das auch exportiert wird, industriell hergestellt. «Viele der Olivenbäume stehen allerdings in unwegbarem Terrain in den Bergen», erzählt Olivenbauer Paulos Melissakis. Das macht die Ernte mühsam. Geerntet wird meist auf traditionelle Art ohne Rüttelmaschine. «Wir schlagen mit einem Stock gegen die Äste, bis die Oliven in das Netz fallen, das wir aufgespannt haben.»

Avocados statt Orangen

Ökonomisch schlechter sieht es bei den Orangen aus. Die Früchte hängen tonnenweise auf den Bäumen und leuchten selbst bei bewölktem Winterwetter in sattem Orange. Nur: «Es lohnt sich nicht mehr, sie zu pflücken», sagt Tourguide Nikos. Für ein Kilo Orangen bekämen Bauern nicht mal zehn Cent. Darum nehmen sie nur noch das, was sie selbst brauchen. Der Rest verfault.

«Viele fällen die Orangenbäume inzwischen und pflanzen stattdessen Avocados an», sagt Nikos. Auch die kommen gut mit dem Klima auf der Mittelmeerinsel klar und bringen deutlich mehr ein. Sie brauchen aber extrem viel Wasser – nicht jeder auf der Insel sieht daher den neuen Trend zum Avocado-Anbau gern.

Geschlossene Läden in den Urlaubshochburgen

In den kretischen Städten ist im Winter vergleichsweise wenig los. Die Studenten sind zwar da, denn das Semester läuft. In Chania und Heraklion, den beiden großen Orten, können Besucher durch die Gassen bummeln und die Sehenswürdigkeiten anschauen. Wer Interesse an der Antike hat, kann etwa die Palastruinen in Knossos – unweit von Heraklion – besuchen. Sie sind ganzjährig geöffnet.

Vor allem in den Urlaubshochburgen entlang der Küste jedoch sind die meisten Läden geschlossen. «Ende März geht es wieder richtig los», sagt Nikos. Dann geht die Saison bis in den November hinein. Je nachdem, wie das Wetter ist.

Doch wer im Winter nach Kreta kommt, möchte ohnehin weder an den Strand noch in die Städte. «Die meisten Besucher kommen, weil sie die Natur genießen wollen», sagt Nikos.

Skitouren auf der Mittelmeerinsel

Wandern, Radfahren und sogar Skifahren ist möglich. «Allerdings haben wir keine Lifte oder eine richtige Infrastruktur in den Weißen Bergen», erläutert Nikos. Stattdessen müssen Tourenskifahrer sich die Felle unter die Bretter legen und erst die Berge erklimmen, die sie heruntersausen wollen. Die Wintersportfans mögen das Terrain, versichert Nikos.

Der höchste Gipfel der Weißen Berge, der Psiloritis, ist rund 2450 Meter hoch. «Sogar bis weit ins Frühjahr hinein, wenn die Urlauber schon wieder am Strand liegen, kann man noch Schnee dort oben sehen», sagt Nikos. So manchen Weg versperrt der Schnee im Winter allerdings auch: So gibt es jede Menge Schluchten in den insgesamt drei Gebirgsketten, die sich über die Insel spannen. Doch wenn die Straßen zugeschneit sind, geht nichts mehr. Nicht mal mit einem Geländewagen.

Butterzartes Ziegenfleisch in Pergament

Wer von Chania nach Drakona fährt, kommt bei Stelios Trilyrakis vorbei – der Gastwirt hat auch im Winter sein kleines Restaurant Ntounias hoch in den Bergen geöffnet und kocht, wie es schon seine Mutter und seine Großmutter machten: auf einem offenen Feuer vor dem Haus. Eine gusseiserne, schwere Pfanne und zwei Töpfe stehen auf dem Herd. Darin köcheln Fleisch und Gemüse. Stelios hat alles selbst bei der Jagd erlegt oder im eigenen Garten geerntet.

Das Ziegenfleisch, das Stelios eingewickelt in Pergament an den Tisch bringt, ist so weich, dass es sich ohne Messer zerteilen lässt. «Das Fleisch hat 24 Stunden in einem Erdloch gegart», erklärt Stelios.

Tsatsiki mit Möhren statt Gurken

Auch die Kichererbsen, Linsen und Graupen, die er mit einer großen Kelle aus einem der Töpfe holt, schmecken köstlich. Tsatsiki? Gibt es auch, aber im Winter mit Möhren. «Die Gurken haben jetzt keinen guten Geschmack», sagt er. Den Joghurt für die Knoblauchcreme macht Stelios selbst, die Milch gibt eine alte Rinderart, die er wieder züchtet. «Sie kommen gut mit den Bedingungen hier klar.»

So ursprünglich wie bei Stelios ist es in vielen kleinen Tavernen, die in der Nebensaison fest in der Hand der Einheimischen sind. Doch die paar Touristen sind immer herzlich willkommen. Für einen kleinen Snack aus dem, was die Natur im Winter hergibt – oder was sich aus dem Sommer konservieren lässt.

Und aus dem Essen wird schnell ein Nachmittag oder Abend vor dem warmen Kamin, mit Kretern, die sich mit Händen und Füßen verständlich machen, wenn Deutsch oder Englisch keine Option sind. Das gute Essen ist eine der schönsten Traditionen auf der Insel. «Das ist das Gute am Winter», sagt Landwirt Giannis. «Da haben wir Zeit dazu.»

Info-Kasten: Kreta

Lage: Kreta ist die größte der griechischen Inseln und die fünftgrößte im gesamten Mittelmeer. Von West nach Ost erstreckt sich die Insel auf rund 260 Kilometern, von Nord nach Süd ist sie an ihren schmalsten Stellen nur rund 12 Kilometer breit. Mehr als 600 000 Menschen leben auf Kreta.

Anreise: Während man im Sommer mit zahlreichen Charterflügen nach Chania oder Heraklion kommt, müssen Reisende im Winter aus Deutschland kommend in Athen umsteigen. Lufthansa und Aegean Airlines fliegen Athen mehrmals am Tag an.

Unterkunft: Viele große Hotels sind im Winter geschlossen. Vor allem in Chania und Heraklion sind Unterkünfte zu finden. Viele Tavernen bewirten auch das ganze Jahr über Gäste.

Informationen: Marketing Greece, Voukourestioustraße 20, 10671 Athen, Griechenland, Tel: 0030 210 364 90 84, contact@discovergreece.com, www.discovergreece.com

dpa