15.06.2015 Die Verkaufszahlen bei Airbus und Boeing scheinen zu stimmen. Doch die Erzrivalen kriegen ihre Riesenflieger nicht los. Gleichzeitig formiert sich in lukrativeren Bereichen die Konkurrenz. Le Bourget (dpa) – Zunehmende Passagierströme weltweit lassen die Auftragsbücher der großen Flugzeugbauer überlaufen. Doch während Boeing und Airbus bei der Nachfrage nach Mittelstreckenmaschinen kaum hinterherkommen, scheint die Zukunft […]

15.06.2015

Die Verkaufszahlen bei Airbus und Boeing scheinen zu stimmen. Doch die Erzrivalen kriegen ihre Riesenflieger nicht los. Gleichzeitig formiert sich in lukrativeren Bereichen die Konkurrenz.

Le Bourget (dpa) – Zunehmende Passagierströme weltweit lassen die Auftragsbücher der großen Flugzeugbauer überlaufen. Doch während Boeing und Airbus bei der Nachfrage nach Mittelstreckenmaschinen kaum hinterherkommen, scheint die Zukunft des großen Jumbo-Jets und des doppelstöckigen Airbus A380 in den Sternen zu stehen. Zudem trumpft im Massenmarkt der Mittelstreckenjets mit dem kanadischen Flugzeugbauer Bombardier zum Start der wichtigen Luftfahrtmesse in Le Bourget ein neuer Rivale auf.

Eigentlich können Airbus und Boeing vor Kraft kaum gehen. Ihre Verkaufsschlager A320 und 737 sind vor allem als spritsparende Neuauflagen gefragt. Die vorliegenden gut 5000 Bestellungen für die A320-Familie und die modernisierte A320neo würden die Airbus-Produktion nach heutigem Stand für zehn Jahre auslasten. Die Flugzeuge mit etwa 100 bis 200 Sitzen sind das Massensegment der Branche.

Deutlich mehr als 20 000 neue Maschinen dieser Größe werden in den nächsten 20 Jahren benötigt, schätzen Boeing und Airbus. Die Hersteller weiten ihre Produktion kräftig aus. Rund 750 Jets pro Jahr schweben Airbus-Verkaufschef John Leahy vor. Das wären anderthalb Mal so viele wie heute.

Aber auch andere entdecken den Markt für sich. Seit Jahren geistern Pläne des russischen Flugzeugbauers Irkut und des chinesischen Comac-Konzerns über die Luftfahrtmessen: Die russische MS-21 und die chinesische C919 sollen dem Airbus A320 und der Boeing 737 Kunden wegschnappen. Doch bisher ist von der C919 wenig zu sehen, auch die MS-21 lässt auf sich warten. Der brasilianische Regionaljet-Hersteller Embraer peilt den Erstflug seines E2-Jets erst für 2016 an – doch der Flieger wird mit maximal 132 Passagieren nur an der Untergrenze der Maschinen von Airbus und Boeing kratzen.

Doch den Großen wächst mögliche Konkurrenz auch aus Kanada. Der Flugzeugbauer Bombardier, bisher für kleinere Regionaljets bekannt, hat Airbus und Boeing bereits vor Jahren mit der Ankündigung seines ersten größeren Fliegers zur Modernisierung ihrer Mittelstreckenjets getrieben. In dieser Woche hat Bombardiers C-Serie mit luftiger Kabine und großen Fenstern ihren ersten Auftritt auf einer Messe, zu der die Platzhirsche aus Toulouse und Seattle wenig Neues vorzuweisen haben.

In ihrer größten Version für bis zu 160 Passagiere wird die C-Serie zur Konkurrenz für die Boeing 737 und den Airbus A319, die kürzere Version der A320. Im kommenden Jahr sollen die ersten Bombardier-Jets bei der Lufthansa-Tochter Swiss in Dienst gehen. Ganz sicher ist der Zeitplan aber noch nicht: Fast zwei Jahre nach dem Erstflug der kleineren Ausgabe wartet der Flieger weiter auf seine Zulassung.

Bei den größeren Mittelstrecken- und den Langstreckenjets bleiben Boeing und Airbus unter sich. Zum Kummer beider Produzenten geht der Trend auf der Langstrecke inzwischen eher zur Normal- als zur Übergröße. Die Fluglinien tendieren zu Maschinen mit 240 bis 400 Sitzen, statt Riesenjets mit mehr als 400 oder gar 800 Plätzen zu bestellen. Boeings 787 «Dreamliner», die größere Boeing 777 und der neue Airbus A350 verkaufen sich glänzend, selbst der betagtere Airbus A330 lockt in aufgefrischten Versionen Kunden an.

Bei den ganz großen Fliegern – dem Boeing-Jumbo 747-8 und dem Airbus A380 – bleibt hingegen nur das Prinzip Hoffnung. Seit 2013 hat Airbus keine Fluggesellschaft mehr als Kundin für seinen doppelstöckigen Flieger gewonnen. Stattdessen drohen sicher geglaubte Aufträge wegzufallen: Käufern fehlt das Geld oder Airlines bieten lieber häufigere Flüge an, als einmal pro Tag eine A380 vollzumachen.

Airbus-Manager Leahy hingegen hält dennoch am weltgrößten Passagierjet fest: In den nächsten 20 Jahren würden rund 1550 Flugzeuge dieser Größe gebraucht. «Wir können den Verkehr am Flughafen Paris Charles de Gaulle nicht verdoppeln, indem wir doppelt so oft fliegen», sagt er mit Blick auf Platzprobleme in den Metropolen. Ende 2015 könnte sich entscheiden, ob Airbus sein Flaggschiff noch einmal – für viel Geld – auf Spritsparen trimmt.

Boeing glaubt nach dem dürftigen Erfolg des modernisierten Jumbo-Jets 747-8 kaum mehr an Größe. In den kommenden zwei Jahrzehnten würden kaum mehr als 540 Flugzeuge mit mindestens 400 Sitzen gebraucht, schätzt man in Seattle. Leahy hofft, dass wenigstens diese aus den Airbus-Werken in Hamburg und Toulouse kommen.

Steffen Weyer, dpa-AFX, und Gerd Roth, dpa