Die Startbahn West, Symbol des Widerstands gegen Großprojekte, wird 30. Von ihr hebt heute mehr als jedes zweite Flugzeug in Frankfurt ab. Doch die erbitterten Proteste sind nicht vergessen. Frankfurt/Main – Alle paar Minuten donnert ein startendes Flugzeug über die Idylle. Es ist ohrenbetäubend laut. Im hessischen Naturschutzgebiet Mönchbruch bei Mörfelden-Walldorf singen die Vögel seit […]

Die Startbahn West, Symbol des Widerstands gegen Großprojekte, wird 30. Von ihr hebt heute mehr als jedes zweite Flugzeug in Frankfurt ab. Doch die erbitterten Proteste sind nicht vergessen.

Frankfurt/Main – Alle paar Minuten donnert ein startendes Flugzeug über die Idylle. Es ist ohrenbetäubend laut. Im hessischen Naturschutzgebiet Mönchbruch bei Mörfelden-Walldorf singen die Vögel seit 30 Jahren gegen Fluglärm an. Das Gebiet grenzt im Süden an die «Startbahn 18 West». Das einst am heftigsten umstrittene Bauprojekt der Republik wurde am 12. April 1984 in Betrieb genommen. Inzwischen startet 400 Mal am Tag eine Maschine von der vier Kilometer langen Piste. Routinebetrieb am Frankfurter Flughafen.

Als der Lufthansa-Airbus «Lüneburg» im April 1984 als erstes reguläres Flugzeug von der Startbahn abhob, atmete die Luftfahrtbranche auf. Nach jahrzehntelanger Planung und jahrelangen, erbitterten Auseinandersetzungen hatten die Gegner der Flughafenerweiterung letztlich verloren. Eine offizielle Eröffnungsfeier gab es nicht. Man wollte nicht provozieren.

Zu heftig war der Widerstand gegen das Projekt gewesen, gebaut wurde unter massivem Polizeischutz. Der Protest gegen die Naturzerstörung stand im Vordergrund, sie prägte damals auch die politische Diskussion im Land. Fluglärm spielte – anders als heute etwa beim neuen Hauptstadtflughafen – zu dieser Zeit eine untergeordnete Rolle.

Hunderttausende hatten demonstriert, sich Woche für Woche im Wald getroffen, ein Hüttendorf mit Kapelle errichtet, bis die Hütten entfernt und der Wald gerodet wurde. Die Bewohner des Hüttendorfs erlebten viel Solidarität. Doch nach einer Blockade 1981, als Tausende den Verkehr lahmlegten, schlugen die Proteste in Krawalle um. Demonstranten und Polizei lieferten sich Gefechte mit Steinen, Molotowcocktails, Wasserwerfern, Tränengas und Schlagstöcken.

Unter dem Druck der Proteste verdoppelte der Flughafenbetreiber seinen Umweltschutzfonds von 2,5 auf 5 Millionen D-Mark (etwa 2,5 Millionen Euro). Damit wurden Aufforstungen als Ersatz für den gerodeten Startbahn-Wald bezahlt. Insgesamt kostete das Projekt 225 Millionen Mark (etwa 112 Millionen Euro).

Doch auch nach Fertigstellung der Bahn gingen die Proteste an der Startbahn-Mauer weiter. Sie eskalierten 1987, als zwei Polizisten während einer Demonstration erschossen wurden. Erst danach wurde es ruhiger. Aber auch heute noch treffe sich ein Häuflein Unentwegter regelmäßig zum Sonntagsspaziergang an der Bahn, sagt Dirk Treber, einer der Mitbegründer der Protestbewegung und bis heute aktiver Fluglärmgegner.

Die kleine Kapelle, die die Ausbaugegner damals im Wald gebaut hatten, steht heute zwischen den Ortsteilen Mörfelden und Walldorf. An Weihnachten sei sie stark besucht, sagt Treber. Im Sommer gibt es monatlich einen Gottesdienst mit gesellschaftspolitischen Themen.

Die Hoffnungen, eine rechtzeitige Diskussion mit allen Beteiligten könnte Proteste gegen die nächste Flughafenerweiterung verhindern, erfüllten sich nicht: Trotz Mediationsverfahren weckte auch der Bau der Nordwestlandebahn, die 2011 eröffnet wurde, wieder den Zorn der ganzen Region. Diesmal rückten die Debatte über Fluglärm und die persönliche Betroffenheit der Anwohner in den Vordergrund.

Seit der ersten Landung auf der Bahn – Kanzlerin Angela Merkel saß im Flugzeug – wird jeden Montag im Frankfurter Flughafen-Terminal lautstark demonstriert. Im Mai steht die 100. Montags-Demo an. Krawalle wie zu Zeiten der Startbahn West gab es nicht, aber die hartnäckigen Proteste und unzählige Gerichtsverfahren brachten den Gegnern Erfolg: Für den Lärmschutz wurden Programme in dreistelliger Millionenhöhe aufgelegt – allein der Flughafenbetreiber Fraport bringt nach eigenen Angaben rund 300 Millionen Euro auf. (dpa)