Vor 400 Jahren siedelten die ersten Pilger an der Küste des heutigen US-Bundesstaates Massachusetts. Sie flohen vor der Kirche und hofften auf ein besseres Leben. Eine Spurensuche in Neuengland. Plymouth (dpa/tmn) – Gemütlich ist es nicht in dem kleinen Holzhaus mit Strohdach, das so idyllisch auf einem Hügel liegt und den Blick auf den tiefblauen […]

Vor 400 Jahren siedelten die ersten Pilger an der Küste des heutigen US-Bundesstaates Massachusetts. Sie flohen vor der Kirche und hofften auf ein besseres Leben. Eine Spurensuche in Neuengland.

Gemütlich ist es nicht in dem kleinen Holzhaus mit Strohdach, das so idyllisch auf einem Hügel liegt und den Blick auf den tiefblauen Atlantik freigibt. Wände aus Lehm, in der Ecke eine Feuerstelle mit einem großen Topf. Ein Tisch, zwei Bänke, ein paar Krüge und Teller. Und eine junge Frau in einfacher Kleidung, die Gemüse schneidet und ein Stück Fleisch zu einem Braten bindet.

So muss es gewesen sein, damals vor 400 Jahren, als die Pilgerväter in Cape Cod in der Neuen Welt landeten und die Plimoth Plantation gründeten. Heute gibt es sie noch immer, allerdings als Freilichtmuseum, in dem das harte Leben der bekanntesten frühen, englischen Kolonie in den heutigen USA nachgestellt wird. Und auch das Leben der Ureinwohner, die dort lebten.

Abkehr von der alten Heimat

Einfach war das Leben zu dieser Zeit nicht. Aber die Saints, wie sich die ersten religiösen Flüchtlinge nannten, konnten sich auf eines verlassen: Hier hatten sie ihre Ruhe vor der Kirche in England, deren Gehabe ihnen so gar nicht gefiel. Zu viel Katholizismus hatte sich nach ihrer Meinung in die Religion eingeschlichen.

«Sie lasen selbst die Bibel und wollten mehr nach dem leben, was in der Heiligen Schrift geschrieben stand», sagt Ted Curtin, der Besucher durch das Museum führt. Das wiederum gefiel weder Krone noch Kirche. So brachen am 6. September 1620 im britischen Plymouth 102 Männer, Frauen und Kinder sowie rund 30 Besatzungsmitglieder auf.

Eigentlich wollten sie schon einen Monat vorher zusammen mit einem Schwesterschiff starten, doch die «Speedwell» erwies sich als nicht seetauglich. Also kamen sie alle auf der «Mayflower» unter, rund 20 Meter lang, und segelten in die Sturmsaison auf dem Nordatlantik.

Eine Überfahrt mit Schrecken

William Bradford war auf der «Mayflower». Er sollte später der erste Gouverneur der kleinen Kolonie werden und mit seinen Aufzeichnungen «Of Plymoth Plantation» das Buch verfasst haben, das als das erste in der amerikanischen Literaturgeschichte gilt.

Da war die schreckliche Überfahrt schon lange vorbei. Viele Passagiere waren die gesamten 66 Tage ihrer Reise seekrank, andere siechten unter anderen Krankheiten. Menschen starben, Kinder wurden geboren. Alles auf engstem Raum.

400 Jahre ist das nun her. Eigentlich sollte der Jahrestag in diesem Jahr mit zahlreichen Festivitäten gefeiert werden, in ganz Neuengland – so werden die sechs Bundesstaaten Massachusetts, New Hampshire, Maine, Vermont, Rhode Island und Connecticut bis heute genannt. Doch Corona hat diese Pläne zunichte gemacht. Die Plimoth Plantation, das Freilichtmuseum, ist immer einen Besuch wert.

Das Leben im «neuen England» war hart

Einfach hatten es die Siedler nach ihrer anstrengenden Reise nicht. Am 9. November 1620 war endlich Land in Sicht: das heutige Cape Cod an der nördlichen Küste des Bundesstaates Massachusetts.

Dort durften die Siedler eigentlich gar nicht sein, denn sie hatten von der englischen Virginia Company nur die Erlaubnis, zwischen 38 und 41 Grad Nord anzulanden und zu siedeln. Nun waren sie etwa ein Grad weiter nördlich und gingen trotzdem an Land. In dem Ort, den sie schließlich Plimoth Plantation nannten, wurden die Männer fündig: Sauberes Wasser gab es dort und fruchtbares Land.

Somit feierten die Siedler das erste Weihnachtsfest in ihrer neuen Welt bereits im heutigen Plymouth. Allerdings: Den ersten Winter überlebte nur rund die Hälfte derer, die in England die «Mayflower» betreten hatten. «Es war kalt, sie waren nicht gut ausgerüstet, und Krankheiten hielten sich hartnäckig», erzählt Curtin.

Besonders William Bradford, den die Siedler zu ihrem ersten Gouverneur bestimmten, traf es hart. Bei einer der Erkundungstouren an Land fiel seine Frau über Bord und ertrank im eiskalten Wasser.

Kontakt mit den Ureinwohnern

Bradford berichtet in seinen Aufzeichnungen über das freie, aber harte Leben in Neuengland. Von Begegnungen mit den Ureinwohnern, die das Land schon seit Jahrtausenden bewirtschafteten.

«Die ersten Siedler kamen recht gut mit ihnen aus», berichtet Curtin. Die Wampanoag zeigten den Engländern, wie man Bohnen, Kürbis und Mais anbaute und Wild in den Wäldern erlegte.

Zu Konflikten kam es jedoch schnell wegen der unterschiedlichen Weltanschauungen. Die Briten wollten das Land besitzen, die Ureinwohner lebten nach der Maxime, es nur zu bewirtschaften.

Ankunft der Puritaner

Außerdem blieb es nicht bei den Separatisten, die auf der «Mayflower» gekommen waren. Bald fuhren Schiffe regelmäßig hin und her über den Atlantik. Sie brachten Lebensmittel in die Neue Welt und nahmen Felle mit zurück ins Königreich.

Rund ein Jahrzehnt nach der «Mayflower» kamen die Puritaner, die weiter südlich in der Massachusetts Bay Colony siedelten und eine andere Weltanschauung hatten.

Sie wollten eine besonders christliche Kolonie gründen und glaubten, dass sie erfolgreich sein würden, wenn sie Gott nur besonders ehrten. Das hatte zur Folge, dass die Puritaner als besonders streng und spaßbefreit galten. Der US-amerikanische Schriftsteller Henry L. Mencken schrieb einst, ein Puritaner sei einer, «der vermutet, dass irgendjemand irgendwo Spaß haben könnte».

Boston erzählt von der Einwanderungsgeschichte

Besonders puritanisch war Boston, das lange die wichtigste Stadt in den britischen Kolonien war. 1634 wurde der erste Park eingerichtet, der Boston Common, der bis heute der Mittelpunkt der Stadt ist. Ein Jahr später öffnete mit der Boston Latin die erste öffentliche Schule des Landes, und 1636 nahm die Universität Harvard den Betrieb auf.

Seit 1951 können Besucher am rund vier Kilometer langen Freedom Trail entlang spazieren und die wichtigsten Sehenswürdigkeiten der Stadt, die gleichzeitig Meilensteine in der Entwicklung der Vereinigten Staaten waren, auf eigene Faust erkunden.

Alte Konflikte in der Neuen Welt

Im 17. Jahrhundert rumorte es in den Kolonien. Genauso wie in England prallten unterschiedliche Ansichten und Auslegungen der Religion schließlich auch in der Neuen Welt aufeinander.

Roger Williams war einer, der mit den puritanischen Führern in Boston aneinandergeriet und die Kolonie verlassen musste. Der Pfarrer, Theologe und Autor – selbst tiefgläubig – setzte sich für Religionsfreiheit, die Trennung von Kirche und Staat sowie den fairen Umgang mit den Ureinwohnern und die Abschaffung der Sklaverei ein.

Den Puritanern schienen das alles neue und gefährliche Ideen zu sein. Williams ging südwärts und gründete seinerseits die Providence Plantations. «Zwei Jahre später gründete er die erste Baptisten-Kirche in Amerika», berichtet John McNiff, Archäologe und Nationalpark-Ranger beim Roger Williams National Memorial in Providence. Zudem galt er als Mittelsmann zwischen den Engländern und den Ureinwohnern, deren Sprachen er verstand.

Wie es zur «Mayflower II» kam

Zu dieser Zeit war die «Mayflower» längst außer Dienst gestellt. Was genau mit dem Schiff passierte, ist nicht bekannt. In den 1950er Jahren baute man in Großbritannien einen Nachbau des legendären Schiffes, mit traditionellen Werkzeugen und Materialien.

Die «Mayflower II» segelte auf der alten Route nach Plymouth und lag dort viele Jahre vor Anker. «Doch wie das so ist mit einem Holzschiff, es muss regelmäßig gewartet und erneuert werden», sagt Göran Buckhorn. Er ist der Geschichtsexperte im Mystic Seaport Museum in dem gleichnamigen kleinen, schmucken Ort in Connecticut.

Dort lag die «Mayflower II» drei Jahre lang und wurde von einem Team von rund 30 Arbeitern auf Vordermann gebracht. Sie lag eine Weile in Boston vor Anker und soll künftig wieder als schwimmendes Museum in Plymouth besucht werden können – in ihrem Heimathafen.

So können sich Reisende in Neuengland ein Bild vom Lebend der ersten Siedler machen. Auf dem Wasser, an Land, in der Plimoth Plantation.

Info-Kasten: Neuengland

Reiseziel: Zu den Neuengland-Staaten gehören von Norden nach Süden: Maine, Vermont, New Hampshire, Massachusetts, Connecticut und Rhode Island. Die letzten vier gehören zu den 13 Gründerstaaten der USA.

Klima: Neuengland hat allgemein ein feuchtes Kontinentalklima mit warmen Sommern, kalten Wintern und teils heftigen Winden.

Anreise: Der größte Flughafen ist Boston, der normalerweise nonstop von verschiedenen Fluggesellschaften aus Deutschland angeflogen wird. Die Flugzeit beträgt rund sieben Stunden. Von dort aus gehen Anschlussflüge in alle Himmelsrichtungen, viele Ziele in Neuengland sind allerdings bequem mit dem Auto zu erreichen.

Einreise: Deutsche Urlauber brauchen kein Visum für die USA, müssen unter https://esta.cbp.dhs.gov aber eine elektronische Einreiseerlaubnis einholen. Sie kostet 14 US-Dollar und gilt zwei Jahre. Derzeit sind Reisen in die USA nicht möglich.

Übernachtung: In den Staaten Neuenglands finden Besucher jegliche Art der Unterkunft. Besonders tief in die Tasche greifen muss man in Boston, eine der teuersten Städte in den USA. Auch die Inseln vor Massachusetts sind in der Hochsaison eher teuer. Allerdings gibt es in kleineren Orten jede Menge Inns oder Bed-and-Breakfasts, meist inhabergeführt und deutlich erschwinglicher.

Information: Discover New England, c/o Get It Across, Neumarkt 33, 50667 Köln (Tel.: 0221/47 67 12 25, www.neuenglandusa.de).

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