Die Sprachschule im Ausland ist derzeit keine Option. Online lernen ist eine Alternative. Doch wie gut funktioniert Fernunterricht aus Peking, Barcelona oder Kolkata? Ein Selbstversuch. Berlin (dpa/tmn) – Auf meiner Reisewunschliste steht China ganz weit oben. Gerne würde ich dort auch Chinesisch lernen. In Corona-Zeiten schwierig. Doch an Videokonferenzen haben wir uns gewöhnt. Warum also […]

Die Sprachschule im Ausland ist derzeit keine Option. Online lernen ist eine Alternative. Doch wie gut funktioniert Fernunterricht aus Peking, Barcelona oder Kolkata? Ein Selbstversuch.

Auf meiner Reisewunschliste steht China ganz weit oben. Gerne würde ich dort auch Chinesisch lernen. In Corona-Zeiten schwierig. Doch an Videokonferenzen haben wir uns gewöhnt. Warum also nicht einmal Sprachunterricht per Computer und Webcam ausprobieren?

Bei der Suche im Internet lande ich schnell auf der Webseite New Chinese (www.new-chinese.org). Ich schicke eine Anfrage und wenig später landet schon ein Zoom-Link für meine erste Unterrichtsstunde mit Wu Shuai aus Peking in meinem Postfach. Montag, 13.00 Uhr. Und dann ist es soweit: Ein Klick, und die Chinesin sitzt vor mir.

Eine kleine Vorstellungsrunde, zwei, drei Fragen zum Sprachniveau, schon kann es losgehen. Missverständnisse gibt es keine. Wu Shuai, 24, steht vor ihrem Abschluss als Chinesisch-Lehrerin und hat einen Bachelor in Germanistik vorzuweisen. Per geteiltem Bildschirm schauen wir zusammen auf das Lernmaterial. Alle anderen neuen Wörter, die sich im Gespräch ergeben, schreibt sie parallel in den Chat.

Nach einigen Minuten rückt die Tatsache, dass wir uns über den Computer unterhalten, in den Hintergrund.

Mein Fazit: Es funktioniert, die Lehrerin hat sich blitzschnell auf mein Niveau eingestellt. Mit knapp 35 Euro für eine Stunde ist der Unterricht nicht am unteren Ende der Preisskala, aber professionell und vor allem mit deutschsprachiger Unterstützung.

Virtuell nach Barcelona oder Kolkata

Es gibt unglaublich viele Möglichkeiten, Fremdsprachen online und im direkten Gespräch zu lernen. Ein weitere Anbieter ist Italki (www.italki.com). Zeit für einen weiteren Versuch.

Die Auswahl ist auf den ersten Blick gigantisch: Neben den weit verbreiteten Sprachen wie Englisch, Spanisch und Französisch finden sich allerhand Idiome, die man durchaus erst einmal recherchieren müsste. Die Versuchung ist groß, eine seltene Sprache anzuklicken, zum Beispiel Khmer, Bengali oder Baskisch.

Weil sich die Lehrerinnen und Lehrer jeweils mit einem kleinen Video vorstellen, bekommt man eine grobe Vorstellung, wie es um Akzent und Sprechgeschwindigkeit steht. Preislich sind praktisch alle Kurse aus der Portokasse zu bezahlen. Was nicht zuletzt daran liegt, dass nicht alle Lehrer Profis sind, sondern «Community Tutors», also Laien, und ihr Honorar selbst festlegen. Der Schwerpunkt liegt daher weniger auf der perfekten Pädagogik, was nicht heißt, dass die Lehrer schlecht wären – sondern auf der Gelegenheit zu sprechen.

Dank des integrierten Kalenders sehe ich, wann welcher Tutor noch freie Kapazitäten hat. Bezahlt wird per Paypal, Überweisung oder Kreditkarte an den Webseitenbetreiber.

Zuerst vereinbare ich für zehn Euro eine Stunde mit Ana: Katalanisch lernen für den nächsten Barcelona-Urlaub. Die ehemalige Sekretärin unterrichtet seit Beginn der Corona-Krise aus ihrem Arbeitszimmer und hat sich kurzerhand komplett dem Online-Unterricht verschrieben.

Nach ein bisschen Geplänkel geht es auch hier zur Sache, allerdings auf Englisch und Spanisch. Nach einer Stunde kann ich eine erste kurze Unterhaltung auf Katalanisch bestreiten. Und habe nebenbei mein angestaubtes Spanisch wieder ausgepackt. Nicht schlecht.

Dann gönne ich mir doch noch einen exotischen Zuschlag: Eine Stunde Bengali für nicht einmal vier Euro, aus einem kleinen Wohnheimzimmer in Kolkata. Wer glaubt, das wäre selten gefragt, der irrt. Der Student Protyush hat längst Übung mit völlig ahnungslosen Ausländern.

Kontakt auf allen Kanälen

Die Nachfrage nach Online-Sprachunterricht und Austausch scheint international gigantisch. Bei der Konkurrenz Preply (www.preply.com) stehen allein für Englisch und Französisch jeweils mehr als 10 000 Lehrer zur Auswahl, die durchaus auch gebucht werden. Die Anzahl der aktuellen Schüler ist bei jedem Lehrer vermerkt, genauso wie die Anzahl der bereits absolvierten Unterrichtsstunden.

Ohne persönlichen Kontakt funktioniert LingQ (www.lingq.com/de). Ich lege die Sprache und gewünschte Intensität fest, wähle fünf Interessenfelder und erhalte täglich Lektionen und Texte. Unbekannte Vokabeln markiere ich und lasse sie mir immer wieder vorspielen. Bis zu 20 Vokabeln sind gratis. Danach fallen, je nach Programm, rund zehn Euro pro Monat an. Live-Unterrricht lässt sich dazu buchen.

Neben all diesen kommerziellen Angeboten gibt es online auch echte Austauschportale, die private Sprachkontakte vermitteln. Beispiele: My Language Exchange (www.mylanguageexchange.com) und der Polyglot Club (https://polyglotclub.com). Mit den ausgesuchten Sprachpartnern kann man sich online unterhalten, aber auch per Chat, Voice Chat und E-Mail. Dass sich in den Profilen die eine oder andere versteckte Kontaktanzeige verbirgt, muss man großzügig übersehen.

Nicht zuletzt macht es hin und wieder Spaß, ganz ohne persönlichen Kontakt und mit kleinen Spielchen und Übungen zu lernen. Mit der App Duolingo (www.duolingo.com) zum Beispiel funktioniert das auf Deutsch gratis für Französisch, Spanisch und Italienisch. Lässt man sich den Inhalt auf Englisch anzeigen, kommen 25 weitere Sprachen dazu.

Und falls ein fauler Tag ansteht und man sich lieber von Netflix berieseln lassen will? Macht nichts. Mit «Language Learning with Netflix», einer kostenlosen Chrome-Browser-Erweiterung, lassen sich ausgewählte Filme mit deutschen oder anderssprachigen Untertiteln versehen und automatische Pausen am Satzende erzeugen. Welche Filme zur Auswahl stehen, findet man online. Für die nächste Reise gibt es damit wirklich keine Ausrede mehr, nicht wenigstens ein paar grundlegende Vokabeln der Landessprache zu lernen.

dpa/tmn coi a3 yyzz xlt pla amc