Dass Drohnen gefährlich nah an Flughäfen herumschwirren, ist Alltag. Schon eine kann ein Flugzeug zum Absturz bringen. Deutsche Firmen haben längst Abwehrsysteme entwickelt und ins Ausland verkauft. Doch im Inland wird noch nach der perfekten Lösung gesucht. Frankfurt/München (dpa) – «Gott sei Dank ist es noch nie passiert, dass eine Drohne in ein Triebwerk geflogen […]

Dass Drohnen gefährlich nah an Flughäfen herumschwirren, ist Alltag. Schon eine kann ein Flugzeug zum Absturz bringen. Deutsche Firmen haben längst Abwehrsysteme entwickelt und ins Ausland verkauft. Doch im Inland wird noch nach der perfekten Lösung gesucht.

«Gott sei Dank ist es noch nie passiert, dass eine Drohne in ein Triebwerk geflogen ist», sagt Isabelle Polders, Sprecherin der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Verkehrsflughäfen (ADV). Alle paar Tage sichten Piloten oder Towerlotsen Drohnen in gefährlicher Nähe, 125 Fälle waren es insgesamt im vergangenen Jahr. An technischen Einrichtungen, Drohnen zu entdecken oder gar abzuwehren, fehlt es deutschen Flughäfen jedoch immer noch.

Im August hat die bundeseigene Deutsche Flugsicherung (DFS) begonnen, in Frankfurt und München verschiedene Detektionssysteme zu testen. Bis November soll das dauern. «Nur eine Vorführung, das ist noch kein Wettbewerb, keine Ausschreibung», betont DFS-Sprecher Boris Pfetzing. Eine EU-konforme Ausschreibung könnte dann 2021 folgen.

Die Firma Aaronia in der Eifel hat den größten Flughafen Europas, London Heathrow, mit einem System zur Erkennung und Verfolgung von Drohnen ausgerüstet. Ebenso die Flughäfen im Oman und in Singapur. Zwölf weitere Airports in Arabien und Asien folgten dieses Jahr, sagt Firmengründer und -chef Thorsten Chmielus. Das System in Heathrow habe gerade mal sechs Millionen Euro gekostet. Warum an den deutschen Flughäfen noch nichts installiert sei, «das weiß ich auch nicht», sagt er.

Der Elektronikspezialist ESG in Fürstenfeldbruck rüstet zusammen mit der Ulmer Firma Hensoldt und anderen Partnern gerade die Bundeswehr mit einer Drohnenabwehr für ihre Feldlager bei Auslandseinsätzen aus. Das System Guardion schützte schon 2015 den G7-Gipfel mit US-Präsident Barack Obama im bayerischen Elmau vor Drohnen, ebenso den G20-Gipfel in Hamburg 2017 und die Internationale Luftfahrtausstellung ILA 2018 in Berlin.

Der «Drone-Tracker» des Herstellers Dedrone mit Sitz in Kassel und San Francisco ist nach Firmenangaben an 15 Zivil- und Militärflughäfen im Einsatz. Jetzt sei Dedrone bei den Vorführungen in München und Frankfurt dabei, sagt Sprecherin Friederike Nielsen. Die Corona-Krise mache es insofern «einfacher, dass nicht so viele Flugzeuge fliegen». Denn vor jedem Drohnen-Start müssten die Tester die Freigabe vom Tower einholen, um keinem Flugzeug in die Quere zu kommen.

Die meisten Hobbypiloten von Drohnen seien am Wochenende unterwegs. Manche versuchten, spektakuläre Aufnahmen von startenden und landenden Flugzeugen zu machen – «ganz nah ran», um sie auf Youtube zu zeigen, sagt Nielsen. Eine große Gefahr seien auch außer Kontrolle geratene Drohnen, die durch die Luft sausen, bis die Batterie leer ist. Ganz zu schweigen von möglichen Terroranschlägen.

«Eine Drohne ist schlimmer als Vogelschlag. Wenn sie in ein Triebwerk kommt, kann das zum Absturz führen», sagt ADV-Sprecherin Polders. Bei Drohnengefahr in der Sicherheitszone «wird der Betrieb sofort eingestellt». Der Flughafen London Gatwick stand deshalb vor Weihnachten 2018 zwei Tage lang still, Flüge wurden storniert oder umgeleitet, 140 000 Passagiere waren betroffen. 2019 erwischte es London Heathrow und Frankfurt. Im Herbst 2019 nahm die Polizei Klimaschützer fest, die Drohnen-Aktionen in Heathrow planten.

Die Drohnen zu entdecken, ist eine Sache – sie unschädlich zu machen, eine andere. Eine Möglichkeit ist es, die Funkverbindung zum Piloten zu kapern und die Drohne zu Boden zu bringen – «wenn das erlaubt ist, mit Genehmigung der Bundesnetzagentur», sagt Nielsen. In Gatwick hatten die Behörden den Abschuss der Drohnen erwogen, wegen der Gefahr fehlgeleiteter Geschosse aber verworfen.

Eine andere Möglichkeit ist, die Drohne mit Jagddrohnen mit einem Netz einzufangen. Wie das in der Praxis funktioniert, hatte die DFS Anfang 2019 zusammen mit Aaronia und Rheinmetall auf dem Bundeswehr-Flugplatz Manching bei Ingolstadt vorgeführt. Jetzt arbeitet die Bundespolizei auf dem Hamburger Flughafen am Projekt «Falke» mit einer Netzfang-Drohne. Die Bundespolizei will die großen Flughäfen mit Abwehrsystemen ausrüsten. Die Kosten je Flughafen schätzt sie auf 30 Millionen Euro.

«Ein Problem in Deutschland ist die Frage der Zuständigkeit», sagt Nielsen. Bei der Finanzierung verweisen die Flughäfen auf die Flugsicherung, die für die Erkennung der Drohnen zuständig ist. Für die Abwehr ist auf dem Flughafen die Bundespolizei, im Umfeld die Landespolizei zuständig. Störsender muss die Bundesnetzagentur genehmigen.

«Wir sind froh, wenn wir eine Lösung haben. Aber wichtig ist, dass es hundertprozentig funktioniert», sagt eine Münchner Flughafensprecherin. Genau so sieht das auch die Deutsche Flugsicherung: «Wenn wir ein Drohnen-Detektionssystem einführen, muss es sicher sein und darf niemals andere Systeme der Flugverkehrskontrolle, Funk, Radar stören», betont DFS-Sprecher Pfetzing. «Unsere Sicherheitsbewertung muss hundertprozentig sein. Wir können keine Fehlertoleranz in der Luftfahrt einführen, weil das fatale Folgen haben kann.»

dpa ceb/rol yyby/yyhe a3 red