Überlingen (dpa) – Nach dem Überlinger Flugzeugunglück am 1. Juli 2002 war Michael Lükewille unter den ersten, die am Absturzgebiet ankamen. Der 55-Jährige ist Leiter der Werksfeuerwehr des Internats Salem, das nur wenige hundert Meter entfernt seinen Standort Spetzgart hat. Zwölf Schüler der schuleigenen Feuerwehr wurden in dieser Nacht in Suchketten eingeteilt: «Mit der Polizei […]

Überlingen (dpa) – Nach dem Überlinger Flugzeugunglück am 1. Juli 2002 war Michael Lükewille unter den ersten, die am Absturzgebiet ankamen. Der 55-Jährige ist Leiter der Werksfeuerwehr des Internats Salem, das nur wenige hundert Meter entfernt seinen Standort Spetzgart hat. Zwölf Schüler der schuleigenen Feuerwehr wurden in dieser Nacht in Suchketten eingeteilt: «Mit der Polizei durchkämmten sie bis 6 Uhr morgens Maisfelder», erzählt er. «Der Auftrag war, Überlebende zu suchen. Stattdessen fanden die Suchmannschaften in dieser Nacht 16 Leichen.»

Auch persönliche Gegenstände der Opfer lagen in den Feldern: «Sie stießen auf Teddybären oder Kosmetikbeutel, das machte das abstrakte Unglück dann plötzlich sehr real.» Erst Stunden nach dem Unglück wurde der Rumpf der russischen Maschine Hunderte Meter entfernt in einer Obstplantage entdeckt, mit weiteren Todesopfern. «Ich habe noch heute den Geruch in der Nase, als der Rumpf geöffnet wurde», erzählt der Lehrer. «Der geht nicht mehr weg.»

Als Tage später Angehörige der Todesopfer in Überlingen eintrafen, bekam die Trauer für Lükewille ein Gesicht. «Das Internat hatte Räume zur Verfügung gestellt, in denen baschkirische Eltern ihre toten Kinder identifizieren mussten. Die Eltern zu sehen, das machte das Unglück wirklich, das hat mich sehr bewegt.» In den Wochen danach trafen sich die freiwilligen Helfer der Schule immer wieder zu Gesprächen. «Ein Junge aus Sarajevo, der zunächst ganz cool war, brach nach zwei Tagen zusammen», erinnert sich der 55-Jährige. «Da war alles aus seiner Heimat wieder hochgekocht.»

Ein Jahr später erhielten die Helfer eine Einladung nach Ufa in der russischen Teilrepublik Baschkortostan und die Katastrophe holte Lükewille ein: «Als wir am Friedrichshafener Flughafen ankamen, um nach Ufa zu fliegen, erwartete uns die gleiche Tupolew der Bashkirian Airlines mit der gleichen Lackierung, wie sie in den Feldern gelegen hatte», erinnert er sich. «Und die Besatzung trug die gleiche türkise Uniform, wie ich sie im Wrack des Rumpfes gesehen hatte.»