Nur echt mit Schnurrbart: Eine skurrile Zeitreise durch Ljubljana
Jože Plečnik, Ivan Cankar und Rihard Jakopič haben drei Dinge gemeinsam: Sie waren Slowenen, berühmt und trugen Schnurrbart. Eine skurrile Stadttour durch Ljubljana folgt ihren Spuren. Ljubljana (dpa/tmn) – Wie bringt man Touristen eine Stadt am besten näher? Zum Beispiel mit Anekdoten berühmter lokaler Persönlichkeiten. So macht man es jedenfalls in Sloweniens Hauptstadt Ljubljana: Dort […]
Ljubljana (dpa/tmn) – Wie bringt man Touristen eine Stadt am besten näher? Zum Beispiel mit Anekdoten berühmter lokaler Persönlichkeiten. So macht man es jedenfalls in Sloweniens Hauptstadt Ljubljana: Dort folgen Touristen von Frühjahr bis Herbst auf einer humorigen Fahrradtour den Spuren des Architekten Jože Plečnik, des Schriftstellers Ivan Cankar und des Malers Rihard Jakopič. Der Name – Moustache-Tour (Schnurrbart-Tour) – spielt auf die Gemeinsamkeit der drei Männer an: Sie alle trugen Schnauzer.
Tourguide Urban Logar ist 45, trägt natürlich Bart, und bevor es losgeht, stellt er klar, worum es gehen wird: Um drei Männer, die Ljubljana im 19. und 20. Jahrhundert geprägt haben. Und zwar nicht mit ihren Schnurrbärten, sondern mit ihrer Einstellung, etwas zu schaffen, jemand zu werden. So wie Plečnik, Cankar und Jakopič.
Und dennoch führt der erste Halt der Tour zu einem Frisiersalon. Besitzer Sašo Mali und Guide Logar ordnen den Zuhörenden ein, welche Bartformen die drei berühmten Persönlichkeiten trugen: Plečnik den sogenannten Horseshoe. Ein Schnauzer, der dicht über der Lippe verläuft und an deren Seiten nach unten abfällt. Cankar den «Imperial», der ebenfalls dicht über der Lippe verläuft, aber an den Seiten aufsteigt. Und Jakopič die «Toothbrush». Ein Schnurrbart, der nur von Nasenflügel zu Nasenflügel reicht.
Über die Ljubljanica führen gleich mehrere berühmte Brücken
Auch heute sind Bärte im Trend, stellt Frisiersalon-Chef Mali fest. Vielleicht nicht gerade Schnurrbärte, aber immerhin Vollbärte. Logar vermutet dahinter eine neue Sehnsucht nach Langsamkeit in einer hypermodernen und zu schnell gewordenen Welt. Er glaubt, manche Menschen wünschen sich nicht nur wieder so zu leben wie früher, sondern auch so auszusehen. Mali will das nicht, er ist lieber glatt rasiert. Als er es mal mit einem Schnauzer versuchte, hätten die Töchter komisch geguckt.
Weiter geht’s: Logar führt runter zum Ufer des Flusses Ljubljanica, über den gleich mehrere bekannte Brücken verlaufen: Eine von ihnen heißt Drei Brücken – ein Bauwerk, das erst durch die Arbeit von Jože Plečnik zu einem Wahrzeichen Ljubljanas wurde. Denn dem bereits bestehenden großen Brückenarm von 1842 fügte Plečnik 1932 zwei kleinere Fußgängerbrücken rechts und links davon an, um das damalige Nadelöhr zu entzerren. Heutzutage fahren selbst über den mittleren Arm keine Autos mehr, die Altstadt Ljubljanas ist autofrei.
Nur wenige Meter entfernt wartet die Nationalbibliothek. Entworfen hat den rotgrauen Backsteinbau Architekt Plečnik. In deren Innern finden sich die Manuskripte des Schriftstellers Ivan Cankars, der – wie Logar erzählt – seine Notizen oft verlor, sodass seine Gedanken quer durch die Stadt verteilt waren. Er gilt als wichtigster slowenischer Schriftsteller der Moderne und schrieb ungewohnt deutlich über das soziale Elend um die Jahrhundertwende.
Ehrgeizig, streng, unterkühlt: der Architekt Jože Plečnik
Nur unweit davon: Das Haus, in dem Architekt Plečnik lebte und arbeitete. Darin, kündigt Logar an, werde man Hinweise auf Plečniks Charakter finden. Er galt als ehrgeizig, streng und nicht gerade herzlich. Dort angekommen präsentiert Logar also einen unbequemen Stuhl ohne Polster. Plečnik habe diesen für seine Studenten entworfen. Wer bequem sitze, arbeite nicht gut, sei Plečniks Überzeugung gewesen.
Während Logar erzählt, sperrt er die Tür zu einer gläsernen Halle voller Pflanzen und Statuen auf. Hier habe der Architekt Besucher empfangen, aber nie Kaffee angeboten. Meistens sei er nicht mal ganz die Treppe von seiner Wohnung heruntergekommen. Logar deutet auf eine Büste Plečniks, die eine seiner Studentinnen gefertigt habe. «Er hat ihr extra noch gesagt, sie solle sein Gesicht schön streng machen.»
In Plečniks Arbeitszimmer befindet sich auch dessen Bett. Es ist schmal, der Schreibtisch deutlich größer. Ob man hier etwas findet, das nicht zum Workaholic Plečnik passt? Zwischen Dreieck, Lineal und Stiften liegt: ein Ball. Logar zückt sein Smartphone und klärt auf. Auf dem Display: ein Schwarz-Weiß-Foto Plečniks, das ihn mit seinem Hund zeigt. Der Ball war also offenbar ein Spielzeug. Auf dem Bild lacht der Architekt, der als Pionier der modernen Architektur im 20. Jahrhundert gilt und weit über Slowenien hinaus wirkte.
Sauerkraut-Export finanziert Kunststudium im Ausland
Weit weniger streng als Plečnik: Rihard Jakopič. Das Geburtshaus des verstorbenen Malers liegt nicht weit entfernt von Plečniks ehemaliger Wirkungsstätte in einer Wohnsiedlung im Stadtteil Krakov. Hier ist von der Großstadt nichts mehr zu hören. Es herrscht absolute Ruhe. Zu Zeiten Jakopičs war der Stadtteil berühmt für sein Sauerkraut. Einige Bewohner exportierten es bis nach Jerusalem oder Kairo. Oder in die USA wie Jakopičs Vater. So konnte er dem Sohn das Studium an der Wiener Kunstakademie finanzieren.
Eine Investition, die sich gelohnt hat: Jakopičs impressionistische Kunst steht heute in Ljubljanas Nationalgalerie. Am Eingang der Ausstellungshalle hängt ein Briefkasten, in dem sich einige der berühmtesten Zitate des Malers befinden – eingerollt in kleine Zettelchen. Auf einem von ihnen steht zum Beispiel: «Ohne Kunst ist der Mensch verstümmelt. Wie ein Tiger ohne Lust auf Blut.» Das klingt beinahe doch nach dem strengen Plečnik.
Lebemann hinterlässt lediglich drei Dinge
Bleibt Schriftsteller Cankar, der eher das Gegenteil von seinen beiden Landsmännern gewesen zu sein scheint. Nicht nur starb er im Vergleich zu Plečnik und Jakopič jung – mit 42. Er war wohl auch einer, den man heute einen Hallodri nennen würde: Er fiel auf mit seinen Frauengeschichten und seiner Verschwendungssucht. Nach einer Feier soll der Autor einmal zwei Kutschen auf einmal bestellt haben. Eine für sich, eine für seinen Hut.
Logar erzählt diesen Schwank während des gemeinsamen Aufstiegs auf den Rožnik, ein Hügel nicht weit vom großen Stadtpark Tivoli. Ziel ist das letzte Haus, in dem Cankar lebte, bevor er an einer Lungenentzündung starb. Der Weg durch den Wald zeigt wieder, wie grün und idyllisch die Stadt ist – durch die Zweige der Blätter ist in der Ferne das Schloss, ein beliebtes Ausflugsziel, zu sehen. Und wieder fühlt es sich nicht nach Großstadt, schon gar nicht nach europäischer Landeshauptstadt an. Auch hier: alles ruhig.
Oben angekommen. Der einstige Wohnbereich Cankars ist gerade nicht zugänglich. Das sei nicht weiter schlimm, meint Logar und berichtet, Cankar habe ohnehin nur drei Dinge hinterlassen: eine Geldbörse, eine Krawatte und eine Einladung zum Pavillon des Malers Jakopič. Aber er wisse, dass der Slowene gerne Tee mit Rum getrunken hat. Daher gibt es das Getränk zum Abschluss in dem Café am Cankar-Haus, das beliebt ist bei Rožnik-Ausflüglern. Dazu reicht Logar Potica, Strudel mit Nussfüllung – typisch slowenisch.
Rum und Müdigkeit lenken von Anekdoten ab
Beim Essen erzählt der Tourguide eine letzte Anekdote auf dieser so erlebnisreichen Runde, die für Ljubljana-Anfänger und Profis gleichermaßen geeignet ist: Für Anfänger, weil sie einen guten Überblick über die Stadt bietet. Und für Profis, weil sie an Orte führt, an die sich normalerweise nie ein Tourist verirrt.
Logar also erzählt, aber die Gäste hören nur noch mit halbem Ohr hin. Der Ausblick auf Ljubljana ist zu schön und der Rum entfaltet nach der mehr als dreistündigen Fahrt quer durch die Stadt ziemlich schnell seine Wirkung. Cankar hatte ein Problem mit seiner Mutter? Oder war es andersrum? Unwichtig.
Auf dem Rückweg geht’s noch zum Denkmal Cankars, wieder eine Büste. Daneben grinst Logar – und greift ein letztes Mal für heute in seine Umhängetasche. An einem Stab zieht er einen künstlichen Schnurrbart heraus, den sich seine Gäste vors Gesicht halten können. Wer das tue, sei, verkündet er, Mitglied des geheimen Schnurrbart-Klubs von Ljubljana. Doch die Hauptregel laute: Niemals vom Schnurrbart-Klub reden!
Infokasten: Moustache-Tour durch Ljubljana
Einreise und Corona-Lage: Slowenien ist derzeit als Hochrisikogebiet eingestuft. Die quarantänefreie Einreise ist nur geimpft oder genesen oder gegen Vorlage eines negativen, höchstens 48 Stunden alten PCR-Tests oder eines höchstens 24 Stunden alten Antigentests möglich.
Anreise: Direktflüge zum Flughafen Ljubljana gibt es aus Deutschland derzeit nur von Frankfurt am Main. Hin- und Rückflug kosten etwa 135 Euro. Mit dem Zug ist die Stadt am schnellsten per Eurocity vom Hauptbahnhof München zu erreichen. Die einfache Fahrt dauert etwa sechs Stunden und kostet 90 Euro.
Übernachtung: Beim Reiseportal Airbnb liegt der Durchschnittspreis bei 87 Euro pro Nacht. Ljubljana bietet aber auch viele günstige Hostels.
Der besondere Tipp: Die Schnurrbart-Tour findet vom 1. Mai bis 30. September jeden Freitag ab 15 Uhr statt. Bei schönem Wetter auf Anfrage auch außerhalb der Saison. Die Mindestteilnehmerzahl liegt bei zwei Personen, die maximale Teilnehmerzahl bei acht. Die Kosten betragen pro Person 45 Euro.
Info-Adresse: Ljubljana Tourism, Krekov trg 10, 1000 Ljubljana (Tel.: +386 1 306 45 83, E-Mail: info@visitljubljana.si, Web: www.visitljubljana.com/de/besucher/)
dpa/tmn lex xx a3 bzl cja nhr