Milliarden-Schulden verärgern Airlines in Venezuela
22.03.2014 Das von heftigen Protesten erschütterte Venezuela gerät auch an anderer Front unter Druck: Internationale Fluggesellschaften mahnen die Begleichung von Milliarden-Schulden an. Air Canada setzte wegen der Unruhen bereits Flüge in das südamerikanische Land aus. Caracas/Frankfurt (dpa) – Venezuelas Staatschef Nicolás Maduro hatte die Airlines gewarnt: «Wer jetzt geht, der kommt nicht zurück, solange wir […]
22.03.2014
Das von heftigen Protesten erschütterte Venezuela gerät auch an anderer Front unter Druck: Internationale Fluggesellschaften mahnen die Begleichung von Milliarden-Schulden an. Air Canada setzte wegen der Unruhen bereits Flüge in das südamerikanische Land aus.
Caracas/Frankfurt (dpa) – Venezuelas Staatschef Nicolás Maduro hatte die Airlines gewarnt: «Wer jetzt geht, der kommt nicht zurück, solange wir die Regierung stellen», drohte der linke Präsident solchen Fluggesellschaften, die erwägen sollten, ihren Flugbetrieb nach Venezuela einzustellen.
Air Canada machte dennoch ernst und setzte Verbindungen nach Caracas aus. Angesichts der Proteste gegen die Regierung könne man die Sicherheit für den Betrieb nicht mehr gewährleisten, lautete die offizielle Begründung der Kanadier. Doch die Sicherheit ist für die wenigsten Airlines der entscheidende Grund, warum sie mit der politischen Führung Venezuelas im Clinch liegen.
Die deutsche Lufthansa plant zwar nicht, ihren Flugplan zu ändern, ist aber vor allem in Sorge um die Einnahmen aus Venezuela. Denn der Geldfluss aus dem südamerikanischen Land stockt. Mit 3,7 Milliarden Dollar (2,7 Mrd Euro) steht Venezuela nach Angaben der Internationalen Luftverkehrsvereinigung IATA insgesamt bei zahlreichen Airlines in der Kreide. Auf über 100 Millionen Dollar schätzen Branchenexperten dabei allein die Außenstände der Lufthansa.
Der Grund ist das komplexe Devisenkontrollsystem Venezuelas, wo die heimische Bolívar-Währung nicht frei konvertierbar ist und Bürger und Unternehmen nur begrenzten Zugang zum begehrten US-Dollar haben. Die Kunden kaufen die Tickets zum staatlich festgesetzten Kurs von 6,3 Bolívar pro Dollar. Der Transfer an die Airlines wurde über die staatliche Devisenkontrollbehörde Cadivi abgewickelt, deren Funktion künftig das neu geschaffene Nationale Außenhandelszentrum übernimmt.
Stockende Zahlungen aus Venezuela gab es immer mal wieder. Einige Fluggesellschaften warten schon seit Jahren auf ihr Geld und setzten zwischenzeitlich Ticketverkäufe aus, um noch höhere Außenstände zu vermeiden. Seit 2012/2013 gerieten die Überweisungen aus dem ölreichen, aber devisenarmen Venezuela immer mehr ins Stottern.
«Es ist inakzeptabel, dass die venezolanische Regierung nicht nach den Regeln spielt, an die sie vertraglich gebunden ist», ärgerte sich IATA-Chef Tony Tyler vorige Woche. Er habe Staatschef Maduro selbst geschrieben und um dringende Aufmerksamkeit in diesem Fall gebeten. «Airlines können ihr Geschäft nicht auf unbestimmte Zeit aufrecht erhalten, wenn sie nicht bezahlt werden können», erläuterte Tyler die Zwangslage der Unternehmen.
Die Lufthansa fliegt den internationalen Flughafen Maiquetía rund 30 Kilometer nördlich von Caracas täglich von Frankfurt aus an – und wird das auch weiter tun. «Wir haben keine Pläne, unseren Flugbetrieb nach Caracas zu ändern», versicherte ein Sprecher.
Doch ist man in Frankfurt besorgt und verärgert über die steigenden Außenstände, die allein 2013 einen zweistelligen Millionenbetrag ausmachten. Lufthansa sei aber nicht die einzige und auch nicht die am ärgsten betroffene Airline, die mit diesem Problem zu kämpfen habe. Deshalb hoffe man, gemeinsam mit der IATA eine Lösung zu finden, hieß es.
Die Sicherheit des Flugbetriebs sieht die Lufthansa in dem Land nicht als gefährdet an. «Wir fliegen ohnedies nur Ziele an, wo die Sicherheit des Fluges gewährleistet ist», erläuterte der Sprecher die Vorgabe. Die Kollegen von Air Canada sahen sich dagegen zur Aussetzung ihrer Flüge veranlasst.
«Aufgrund der andauernden Unruhen in Venezuela kann Air Canada die Sicherheit ihrer Operationen nicht länger gewährleisten und hat die Flüge nach Caracas bis auf weiteres suspendiert», hieß es in einer Mitteilung. Die Reaktion kam prompt: Der für den Luftverkehr zuständige Minister Hebert García Plaza erklärte die Geschäftsbeziehungen mit Air Canada für beendet.
Für Staatschef Maduro ist der Streit Teil einer Kampagne, die Venezuela in ein schlechtes Licht rücken soll. Es gebe keinen Grund, Flugpläne auszudünnen oder Flüge zu streichen, argumentierte der Nachfolger des 2013 gestorbenen Hugo Chávez. Den um ihr Geld bangenden Airlines versicherte er, die Regierung werde ihre Schulden bezahlen, wie sie das seit Beginn der bolivarischen Revolution 1999 stets getan habe. «Wir sind gute Zahler», betonte Maduro. Das hoffen auch die IATA und die Lufthansa. (Helmut Reuter, dpa)