Die deutsche Reisewarnung für Mallorca hat die Tourismusbranche in neue Turbulenzen gestürzt. Unfair sei das, klagt ein Einheimischer. Deutsche Urlauber auf der Insel genießen derweil eine Ruhe, wie es sie schon lange nicht mehr gab. Madrid/Berlin (dpa) – Während die Tourismusbranche auf Mallorca wegen der deutschen Reisewarnung um ihre Existenz fürchtet, gehen deutsche Urlauber ziemlich […]

Die deutsche Reisewarnung für Mallorca hat die Tourismusbranche in neue Turbulenzen gestürzt. Unfair sei das, klagt ein Einheimischer. Deutsche Urlauber auf der Insel genießen derweil eine Ruhe, wie es sie schon lange nicht mehr gab.

Während die Tourismusbranche auf Mallorca wegen der deutschen Reisewarnung um ihre Existenz fürchtet, gehen deutsche Urlauber ziemlich entspannt mit der Lage um. Die drei Freunde Sabine, Alex und Renate aus Hildesheim sind erst am Samstagmorgen in Mallorca angekommen. «Wir haben gestern Abend im Internet gesehen, dass Mallorca jetzt Risikogebiet ist. Aber unsere Koffer waren ja schon gepackt, eine andere Option gab es nicht», sagt die 29-jährige Renate der Deutschen Presse-Agentur. Ihre Urlaubsstimmung wollen sie sich auf jeden Fall nicht vermiesen lassen. Das könnte durchaus klappen, denn so leer und entspannt wie dieses Jahr sind die Balearen mit Mallorca, Ibiza, Menorca und Formentera schon seit Jahrzehnten nicht mehr.

Mieser Stimmung sind da schon eher die einheimischen Geschäftsleute, die wegen der Touristenflaute um ihre Existenz fürchten. Er hätte sich «mehr Solidarität» von deutscher Seite gewünscht, sagt Juan Miguel Ferrer, Betreiber eines Lokals an der Playa de Palma, der dpa. Er hätte es besser gefunden, wenn Experten aus Deutschland die Lage vor Ort geprüft hätten, statt ihre Entscheidungen nur auf Statistiken zu gründen. Schließlich sei ein Urlaubsort wie die Playa de Palma mit vielen Bars unter freiem Himmel ein risikoarmes Gebiet.

Die Statistiken der eigenen Inselregierung aber sind eindeutig. Die Zahl der Neuinfektionen während sieben Tagen liegt eindeutig über der Grenze von 50 je 100 000 Einwohner – das ist das wichtigste Kriterium für die Entscheidung, ob eine Region oder ein Land als Risikogebiet eingestuft wird. Die Grenze wird auch auf dem spanischen Festland gerissen, nur nicht auf den Kanaren. Die Inselgruppe im Atlantik ist deshalb nicht Risikogebiet und von der Reisewarnung ausgenommen.

Die Angst vor dem wirtschaftlichen Kollaps ist groß auf den Balearen. Als einen «tödlichen Schlag» bezeichnete die Zeitung «Diario de Mallorca» am Samstag die Entscheidung der Bundesregierung, die liebste Ferieninsel der Deutschen und fast den ganzen Rest Spaniens zum Risikogebiet zu erklären und vor Reisen dorthin zu warnen. Damit hätten sich die schlimmsten Befürchtungen bewahrheitet. Für den Tourismus sei das ein «Todesstoß», schrieb die Zeitung.

Nirgendwo in Spanien außer auf den Kanaren, sind die Menschen so sehr vom Tourismus abhängig wie auf den Balearen. In beiden Regionen trägt die Branche rund 35 Prozent zur Wirtschaftsleistung bei. Die Regionalregierung gab sich zuversichtlich, dass die Corona-Zahlen bald wieder fallen würden. Dafür gab es aber zunächst keine Anzeichen.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) verteidigte die Reisewarnung der Bundesregierung. «Das ist kein Reiseverbot, aber die klare Ansage: Wer aus dem Spanienurlaub kommt, muss in Quarantäne, solange er kein negatives Testergebnis hat», sagte Spahn der «Bild am Sonntag». «Und wer trotz der Warnung nach Spanien fährt, sollte sich und andere auch im Urlaub schützen. Partyurlaub ist in dieser Pandemie unverantwortlich.» Grünen-Chefin Annalena Baerbock warf Spahn vor, die Corona-Tests für Rückkehrer aus Risikoländern viel zu spät angeordnet zu haben. Inzwischen seien tausende Urlauber bereits nach Deutschland zurückgekehrt.

Einer dreiköpfige Familie aus Frankfurt hat die Reisewarnung am letzten Urlaubstag auf Mallorca einen Schrecken eingejagt. «Damit hatten wir nicht gerechnet», sagt die Mutter, die ihren Namen nicht in der Presse lesen möchte. Gleiches gelte für den Test und die bevorstehende Quarantäne. «Viel Stress», stöhnt die Frau auf dem Flughafen läuft mit Sohn und Mann Richtung Testzentrum. Eine andere Mutter sieht es gelassen: «Was soll man da machen.» Der Arzt Andreas Mösbauer aus Neu Isenburg meint zur Lage auf Mallorca: «Unterm Strich ist es so safe wie hier, vielleicht sogar safer.»

Derzeit sind nach Angaben des Deutschen Reiseverbandes (DRV) rund 30 000 deutsche Pauschaltouristen auf den Balearen. Allerdings gebe es noch keinen Überblick darüber, wie viele Urlauber in den nächsten Tagen vorzeitig abreisen wollten, sagte DRV-Sprecher Torsten Schäfer der dpa. Gäste, die beispielsweise bei Tui gebucht haben, können entweder ihren planmäßigen Rückflug in den nächsten sieben Tagen antreten oder auf ein früheres Datum umbuchen.

Nach Angaben des DRV werden alle Reiseveranstalter in den kommenden Tagen geplante Reisen zu den von der Reisewarnung betroffenen Zielen absagen. Das gehört zum Standardverfahren nach einer Reisewarnung, die zwar kein Reiseverbot bedeutet, aber Pauschaltouristen eine kostenlose Kündigung des Reisevertrages ermöglicht.

Nachdem die Corona-Zahlen seit dem Ende des Lockdowns in Spanien am 21. Juni wieder stetig steigen, gab es bisher schon Reisewarnungen für die Hauptstadt Madrid, Katalonien mit der Touristenmetropole Barcelona und den Stränden der Costa Brava sowie für das spanische Baskenland und die Regionen Navarra und Aragón.

Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach begrüßte die Entscheidung des Auswärtigen Amts. «Mallorca ist inzwischen klar ein Risikogebiet», sagte er der «Rheinischen Post» (Samstag) und warnte: «Wir müssen leider mit vielen infizierten Rückkehrern rechnen.»

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