Die Katastrophe des Jahres: Das Rätsel um Flug MH370
Es ist eines der größten Rätsel der Luftfahrtgeschichte: Flug MH370 verschwindet mit 239 Menschen an Bord und bleibt wie vom Erdboden verschluckt. Wir richtig ermittelt? Ein Airline-Chef hat Zweifel. Kuala Lumpur (dpa) – Eine verspätete Hochzeitsreise will sich Norliakmar Hamid mit ihrem Mann in China gönnen. Tan Wei Chew hat gerade in Singapur Abitur gemacht und […]
Es ist eines der größten Rätsel der Luftfahrtgeschichte: Flug MH370 verschwindet mit 239 Menschen an Bord und bleibt wie vom Erdboden verschluckt. Wir richtig ermittelt? Ein Airline-Chef hat Zweifel.
Kuala Lumpur (dpa) – Eine verspätete Hochzeitsreise will sich Norliakmar Hamid mit ihrem Mann in China gönnen. Tan Wei Chew hat gerade in Singapur Abitur gemacht und darf mit seinen Eltern zum Kurzurlaub nach Peking fliegen. Stanley Wong Sai Sang hat seinen Flug in Kuala Lumpur verpasst und noch einen Platz an Bord von MH370 ergattert. Normale Leute, normale Geschichten – aber was dann passiert, macht ihr Schicksal zu einem der größten Rätsel der Luftfahrtgeschichte.
Ihre Boeing mit 239 Menschen an Bord verschwindet am 8. März spurlos. Sie dreht zwischen Kuala Lumpur in Malaysia und der chinesischen Hauptstadt Peking Richtung Süden ab, fliegt vermutlich noch sieben Stunden, wie aufgefangene Satellitensignale später nahelegen. Aber es gibt keinerlei Kommunikation mit den Piloten. War es eine Entführung, Sabotage, Terrorismus? Ist jemand ins Cockpit eingedrungen? War einer der Piloten lebensmüde? Gab es einen Kabelbrand an Bord, der alle bewusstlos machte?
Keine einzige Frage ist noch Monate nach dem mysteriösen Verschwinden beantwortet. Ohne Wrack, ohne Flugdatenschreiber sei nichts zu machen, sagen die malaysischen Ermittler. Es wird mit Flugzeugen, Schiffen und unbemannten U-Booten im Indischen Ozean 2000 Kilometer westlich von Australien nach Wrackteilen gesucht. Niemand findet zunächst auch nur den winzigsten Hinweis auf eine abgestürzte Maschine.
Für die Angehörigen findet die Qual kein Ende. Schon in den ersten Tagen fühlen sie sich von den Malaysiern im Stich gelassen. «Das ist doch eine Verschwörung!», schreit ein verzweifelter Vater eines Passagiers im März in einem Pekinger Hotel, als Malaysia Airlines wieder nichts Erhellendes zu berichten hat. «Die verschweigen doch etwas!», argwöhnt eine Angehörige, die mit den Nerven am Ende ist.
Fluggesellschaft und malaysische Behörden haben im Blitzlichtgewitter der Weltpresse nach dem Absturz keine gute Figur gemacht. Sie verstricken sich in Widersprüche, haben Details nicht parat. Was die letzten Worte aus dem Cockpit waren, wann der letzte Kontakt stattfand – ständig müssen sich Minister und Ermittler korrigieren. Dann sickern Sensationen via Presse durch: etwa die Kursabweichung oder die Tatsache, dass das Militär die Maschine fernab der Flugroute auf dem Radar gehabt hat und nichts unternahm.
Im Indischen Ozean übernehmen schließlich die Australier das Kommando bei der Suche. Sie richten das Koordinierungsbüro JACC ein, informieren regelmäßig, veröffentlichen Suchkarten, legen komplizierte technische Hintergründe dar. Anders als den malaysischen Ermittlern spricht die Angehörigengruppe «Voice370» den Australiern ihr Vertrauen aus. Aber die brennenden Fragen der verzweifelten Familien können auch die Australier zunächst nicht beantworten.
«Wir leiden die Qualen zusammen mit den Familien durch, und wie sie hofft Malaysia Airlines und sucht rauszufinden, was mit MH370 passiert ist», beteuert Airline-Chef Ahmad Jauhari Yahya im Juni. Aber die Ermittlungen kommen nicht voran. Ende Oktober reichen die ersten Passagiere Klagen ein. Die Malaysier Jee Kinson, (13) und Jee Kinland (11) haben ihren Vater verloren. «Wir wollen die Wahrheit», sagt Anwalt Gary Chong. Er hoffe, dass bei einer Verhandlung zunächst unbekannte Fakten auf den Tisch kommen.
Malaysias Regierungschef Najib Razak hat eine Woche nach dem Verschwinden gesagt, die Kommunikationssysteme an Bord seien aller Wahrscheinlichkeit nach absichtlich abgeschaltet worden. Dennoch: die Überprüfung der Piloten und Passagiere fördert nach offiziellen Angaben zunächst keine Auffälligkeiten zutage. Wirklich?
Eines der Schwergewichte der Branche, der Chef der Fluggesellschaft Emirates, Tim Clark, erhebt schwere Vorwürfe: «Wir müssen wissen, wer wirklich in diesem Flugzeug war, und wir müssen wissen, was es geladen hatte», sagt Tim Clark, Chef der Fluggesellschaft Emirates in einem Interview mit dem Magazin «Der Spiegel». «Ich bin total unzufrieden mit dem, was bislang herausgekommen ist.»
«In der Geschichte der zivilen Luftfahrt hat es – abgesehen von Amelia Earhart 1939 – nicht einen einzigen Unfall über Wasser gegeben, der nicht wenigstens zu fünf oder zehn Prozent nachvollziehbar gewesen wäre», sagt Clark. «MH370 dagegen ist einfach verschwunden. Für mich ist das verdächtig.» Clark zweifelt auch die Satellitensignale an, die angeblich belegen, dass die Maschine stundenlang auf den Indischen Ozean hinausflog. «Ich denke, dass etwas von außen die Kontrolle über das Flugzeug übernommen hat.»
Seit der konfusen Informationspraxis der Anfangstage schießen Verschwörungstheorien ins Kraut. Hartnäckig hält sich etwa das Gerücht, die Boeing sei vom Militär absichtlich oder versehentlich abgeschossen worden und das werde nun verschleiert.