Der kleine Ort Seyne-les-Alpes ist seit dem Germanwings-Absturz ein anderer. Jetzt sind Angehörige da. Es sind Tage der Trauer – und der hochprofessionellen Arbeit: Die Bergung der Toten verlangt erfahrenen Experten alles ab. Und bringt sie selbst in Gefahr. Seyne-les-Alpes (dpa) – Im Rathaus von Seyne-les-Alpes klingelt das Telefon ohne Unterbrechung. «Ihre Telefonnummer?», fragt die […]

Der kleine Ort Seyne-les-Alpes ist seit dem Germanwings-Absturz ein anderer. Jetzt sind Angehörige da. Es sind Tage der Trauer – und der hochprofessionellen Arbeit: Die Bergung der Toten verlangt erfahrenen Experten alles ab. Und bringt sie selbst in Gefahr.

Seyne-les-Alpes (dpa) – Im Rathaus von Seyne-les-Alpes klingelt das Telefon ohne Unterbrechung. «Ihre Telefonnummer?», fragt die Mitarbeiterin. «Gut, ich nehme Sie auf die Liste.» Ständig melden sich in dem 1500-Seelen Ort in den französischen Alpen Anwohner, die bereit sind, Menschen aus Deutschland, Spanien oder anderen Ländern aufzunehmen. Angehörige von Absturzopfern. Es ist ein Zeichen der Solidarität mit denen, die bei dem Absturz der Gemanwings-Maschine ihre Nächsten verloren haben. 150 Tote – niemand hat überlebt. Seyne-les-Alpes liegt etwa 15 Kilometer von der Absturzstelle in dem schroffen Gebirgszug entfernt, an dem der Airbus A320 zerschellte.

Angehörige wurden in der Gemeinde erwartet. Hubschrauber kreisen über dem Ort. Im Sportzentrum am Ortsrand ist eine Art Kapelle eingerichtet, ein Raum der Stille und des Trauerns. Gendarmen stehen an der Straße und kontrollieren den Zugang. «Die Straße ist gesperrt», heißt es nur knapp. Niemand soll die Trauer stören. An die 200 Medienvertreter aus vielen Ländern sind angereist.

Die Menschen im Ort sind betroffen, die Anteilnahme kommt von Herzen. «Auch wenn ich niemanden gekannt habe – es ist einfach furchtbar», sagt Marie-Therese Jean.

An der Unglücksstelle sind die Einsatzkräfte dabei, die Spuren zu sichern und die sterblichen Überreste zu bergen. Sie fotografieren, stecken Fähnchen in den Boden. Am Morgen starteten in Seyne-les Alpes Hubschrauber und brachten sie hinauf in das unwegsame Gelände. Etwa 70 Ermittler und Spezialkräfte der Bergrettung sind es am Donnerstagvormittag.

Die Bedingungen sind schwierig. «Es ist steil und rutschig», sagt der Chef der Bergrettungskräfte, Olivier Cousin. «Es ist gefährlich, man kann abstürzen.» Seine Leute nehmen deshalb die Ermittler ans Seil, sichern sie bei ihrem gefährlichen Job.

Die meisten Luftfahrtexperten, die Spuren für die Ermittlung der Unfallursache sichern und den zweiten Flugschreiber suchen, haben keine Bergerfahrung. Ebenso wenig die Rechtsmediziner und Fachleute, die Leichen orten und für die Bergung bereit machen. Für sie ist die Arbeit physisch und psychisch eine immense Belastungsprobe. Wenn jemand nicht mehr könne, werde er abgelöst – und notfalls auch psychologisch betreut, sagt Cousin.

Obwohl es dort oben kein Eis gibt, sind die Helfer mit Steigeisen und Eispickel unterwegs. Das gibt besseren Halt und schützt vor dem Abrutschen.

Eine Gefahr sind auch die Helikopter. Ihre Rotoren könnten Steine und Metallteile aufwirbeln – und die Einsatzkräfte verletzen. Sie landen deshalb nicht – oder nur ein gutes Stück entfernt von der Unfallstelle. «Wir haben heute einen Testtag», sagt Cousin. «Wir müssen ausprobieren, wie viele Mannschaften wir in die Zone bringen können.» Er kommt aus Briançon. Dort geht es auf etwa 4000 Meter hinauf. Er kennt die Tücken der Berge.

Die sterblichen Überreste sollen offenbar nicht nach Seyne-les-Alpes, sondern in einen anderen Ort gebracht und weiter untersucht werden. Wann alle Toten geborgen sein könnten, ist Cousin zufolge offen: «Wir haben keine Ahnung, wie lange es dauert, sie aufzunehmen und ins Tal zu bringen.»