Das Aus für Subventionen bringt Regionalflughäfen in Existenznot
20.02.2014 Billigflieger wie Ryanair und Easyjet starten abseits der Zentren. Denn kleine Flughäfen bieten günstige Bedingungen und profitieren von staatlichen Beihilfen. Doch die sollen in den nächsten zehn Jahren in Europa auslaufen. Das stellt das Geschäftsmodell in Frage. Brüssel/Frankfurt – Kein Steuergeld mehr für Provinzflughäfen – so lautet die Maxime der EU-Kommission. Brüssel gibt den […]
20.02.2014
Billigflieger wie Ryanair und Easyjet starten abseits der Zentren. Denn kleine Flughäfen bieten günstige Bedingungen und profitieren von staatlichen Beihilfen. Doch die sollen in den nächsten zehn Jahren in Europa auslaufen. Das stellt das Geschäftsmodell in Frage.
Brüssel/Frankfurt – Kein Steuergeld mehr für Provinzflughäfen – so lautet die Maxime der EU-Kommission. Brüssel gibt den kleinen Flughäfen noch zehn Jahre Zeit, dann müssen sie ihren Betrieb aus eigener Kraft aufrechterhalten. Das stellt viele kleine Airports, die vor allem auf Billigflieger setzen, vor gewaltige Herausforderungen. Kritiker warnen vor einem Flughafen-Sterben.
Wie geht es den Regionalflughäfen?
Seit dem Aufkommen von Billigfliegern wie Ryanair sprießen europaweit Regionalflughäfen aus dem Boden. In der Provinz, wo früher oft nur Militärmaschinen abhoben, starten Ferienflieger zum Mittelmeer oder in europäische Metropolen. Niedrige Start- und Landegebühren machten zeitweise Ticketpreise von unter zehn Euro möglich. Die Kehrseite: Viele Flughäfen schreiben rote Zahlen, weil ihre niedrigen Gebühren und die oft schwache Nachfrage die Kosten nicht decken. Der Hauptgeschäftsführer des deutschen Flughafenverbands ADV, Ralph Beisel, schätzte im Januar, dass wohl «nur 6 der 22 internationalen Verkehrsflughäfen 2013 ein positives Nettoergebnis erzielt haben». Die Verluste trägt faktisch der Steuerzahler, weil die Flughäfen Bund, Ländern und Kommunen gehören. Nach Schätzung der Umweltorganisation Transport & Environment stecken EU-Staaten jedes Jahr zwei bis drei Milliarden Euro Beihilfen in Regionalflughäfen.
Gibt es ein besonders auffälliges Beispiel?
Ja, den Flughafen Kassel-Calden in Hessen. Der Flughafen ist seit vergangenem April in Betrieb. 271 Millionen Euro kostete alleine der Bau. Doch aktuelle Flugangebote gibt es nicht, der Winterflugplan der Linien- und Ferienflieger ist faktisch leer. Erst ab Mitte April läuft das Geschäft von gerade einmal drei Fluggesellschaften langsam an. Dennoch muss für den Betrieb alles bereitstehen – bis hin zur Flughafenfeuerwehr. Flughafen-Chefin Anna Maria Muller hofft nun auf Turkish Airlines. Der stark wachsende Lufthansa-Partner aus der Türkei will Linienflüge von Kassel-Calden nach Istanbul aufnehmen. Wann und wie oft diese stattfinden sollen, ist allerdings noch offen.
Startet die EU-Kommission einen Angriff auf Billigflieger und Regionalflughäfen?
Nein, sagt EU-Wettbewerbskommissar Joaquín Almunia: «Wir stellen das erfolgreiche Geschäftsmodell von Billigfliegern nicht in Frage.» Die Airlines machten es Millionen Europäern möglich, günstig zu verreisen. Aber die EU-Kommission hält eisern an dem Prinzip fest, dass der Staat sein Geld nachhaltig und fair einsetzen soll. Das heißt: Brüssel will erreichen, dass Überkapazitäten verschwinden und es nicht länger mehrere unrentable Flughäfen im selben Einzugsgebiet gibt. Auf die Frage, ob Flugtickets für Reisende jetzt teurer würden, verwies EU-Kommissar Almunia auf die «Stärkung des wirtschaftlichen Umfelds», sprich: mehr Wettbewerb schaffe günstige Preise.
Werden nun Regionalflughäfen in Deutschland dichtmachen?
Das ist zu erwarten, wenn die Subventionen für den Betrieb in zehn Jahren tatsächlich wegfallen. Luftverkehrsexpertin Yvonne Ziegler von der Fachhochschule Frankfurt hält es für möglich, dass jeder zweite Regionalflughafen verschwindet. Als längst fällige Marktbereinigung zugunsten des Steuerzahlers sieht dies der Luftfahrtexperte der Commerzbank, Frank Skodzik: «Gerade in Deutschland gibt es viel zu viele Regionalflughäfen.» Das Sterben hätte auch Folgen für die Airlines. «Ryanair wird sein Geschäftsmodell deutlich stärker anpassen müssen, weil es zu einem guten Stück darauf ausgelegt ist, Flugverkehr auf Kosten des Flughafens zu generieren», sagt Skodzik.
Wie reagiert die Branche?
Je nach Größe und Interessenlage sehr verschieden. Michael Hoppe, der als Generalsekretär des Airline-Verbands Barig mehr als 100 hierzulande aktive Fluggesellschaften vertritt, sagt: «Es kann nicht sein, dass einzelne kleine Flughäfen, für die es keinen Markt und keine nachhaltige wirtschaftliche Zukunft gibt, mit öffentlichen Mitteln künstlich am Leben gehalten werden.» Der Flughafenverband ADV lobt die Übergangsfrist und hofft auf schnelle Entscheidungen der EU-Kommission in den laufenden Beihilfeverfahren gegen Flughäfen. Brüssel solle Entscheidungen zur Flughafenplanung künftig den Mitgliedsstaaten überlassen, fordert ADV-Hauptgeschäftsführer Beisel.
Gehen die EU-Vorschläge denn überhaupt weit genug?
Nein, findet die Umweltorganisation Transport & Environment. Die EU-Kommission sorge dafür, dass ein weiteres Jahrzehnt lang Steuerzahlergeld für unrentable Flughäfen verschwendet werde. «Das ist ein Blankocheck für Flughäfen und Airlines. Warum soll jedermann dafür zahlen, dass die Wohlhabenderen günstiger fliegen können?»
(Steffen Weyer, Christian Schultz und Marion Trimborn, dpa)