Zwischen Machtkalkül und Überforderung: Sind Politiker gute Aufseher? Von Jan-Henrik Petermann, dpa
In vielen Unternehmen beaufsichtigen Politiker das Management. Das scheint nicht immer zu gelingen, wie das Planungsdebakel um Berlins Flughafen nahelegt. Beobachter fordern: Es müssen mehr Fachleute ran. Berlin/Düsseldorf/München (dpa) – Wenn Politiker Großprojekte oder Konzerne kontrollieren sollen, laufen die Planungen verdächtig oft aus dem Ruder. Das Desaster um den mehrfach verschobenen Start des neuen Hauptstadtflughafens […]
In vielen Unternehmen beaufsichtigen Politiker das Management. Das scheint nicht immer zu gelingen, wie das Planungsdebakel um Berlins Flughafen nahelegt. Beobachter fordern: Es müssen mehr Fachleute ran.
Berlin/Düsseldorf/München (dpa) – Wenn Politiker Großprojekte oder Konzerne kontrollieren sollen, laufen die Planungen verdächtig oft aus dem Ruder. Das Desaster um den mehrfach verschobenen Start des neuen Hauptstadtflughafens hätte sich mancher Beobachter in diesem Ausmaß kaum vorstellen können: Parteienvertreter als Aufsichtsräte – daran ist prinzipiell zwar nichts auszusetzen. Doch die Risiken, die etwa das Problem mangelnder Sachkompetenz bergen könne, sind enorm.
«Ich würde nicht grundsätzlich sagen, dass die Politik in solchen Gremien fehl am Platz ist», sagt Jürgen Kurz von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW). Aber sie seien häufig eben nicht Fachleute der jeweiligen Branche. «Berlin ist da sicher ein besonders krasser Fall», meint der Aktionärsschützer zum Abtritt des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit (SPD) als Chefaufseher. In privaten Firmen wären Strukturen wie in der Flughafengesellschaft Berlin Brandenburg daher in der Regel undenkbar, schätzt Kurz.
Der Pfusch von Schönefeld – vor allem auf Defizite beim Brandschutz zurückzuführen – dürfe jedoch nicht in einer pauschalen Politiker-Schelte gipfeln, warnt der DSW-Mann: «Vor 20 Jahren waren Aufsichtsräte eher Debattierclubs. Mittlerweile haben die Mitglieder eine Fülle von Aufgaben, die Eingriffsrechte und auch die Haftungsrisiken sind größer.» Wenn sich ein Politiker entsprechend einarbeite, spreche nichts dagegen. «Aber die Anforderungen an die Expertise in Finanzen und Recht sind natürlich deutlich gestiegen.»
Verpatzte Planung beim Hauptstadt-Airport, immense Mehrkosten bei der Hamburger Elbphilharmonie, das Gezerre um Stuttgart 21 oder um den Nürburgring: Bei milliardenschweren Infrastrukturvorhaben müsse endlich ingenieurtechnisches Know-how in die Kontrollinstanzen einziehen, fordert Rainer Schofer. Der Chef des Deutschen Verbands der Projektmanager in der Bau- und Immobilienwirtschaft (DVP) war unter anderem am Berliner Hauptbahnhof beteiligt, er versteht sich auch als Interessenvertreter seiner Zunft. Unabhängig davon gelte es aber, ein Technik-Fiasko wie in Schönefeld künftig zu vermeiden.
«Aufsichtsräte sind keine Manager. Sie müssen nichts umsetzen, es können also durchaus Branchenfremde sein», sagt Schofer. «Doch sie entscheiden über die Zielvorgabe mit. Und da müssen sie sich durch Experten sachkundig machen.» Genau das habe im Fall Berlin nicht früh genug funktioniert, kritisiert der Projektplaner. «Einerseits muss man sich rechtzeitig ein externes Controlling verschaffen, das wirklich unabhängig und knallhart berichtet. Andererseits hat man hier den Neubau eines Flughafens aus der bestehenden Organisation der alten Flughäfen steuern wollen. Das war ein grober Strukturfehler.»
Der Bund der Steuerzahler bezweifelt, ob Politiker für Planungs- und Investitionsentscheidungen solchen Kalibers überhaupt die nötigen Kenntnisse mitbringen können. Das Bundesfinanzministerium empfiehlt, anstatt Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) einen Experten von außen als Airport-Aufseher einzusetzen. Machtinteressen oder Imagepflege ließen sich derweil nie ganz ausschließen, glaubt Schofer. Denn was helfe echtes Controlling, wenn – wie womöglich in Berlin geschehen – Warnungen missachtet werden? «Unbedingt sollte der A380 andocken können. Auch darum wurde riesig umgeplant», sagt er. Einwände von Fachleuten habe man Ende 2011 in den Wind geschlagen.
Auch der Münchner Wirtschaftsprofessor Manuel René Theisen sieht den Knackpunkt in den verschiedenen Ebenen der Verantwortung: «Ein gravierender Unterschied ist, ob ich als Privatinvestor mein eigenes Geld in einem Aufsichtsrat kontrolliere – oder ob ich als politischer Vertreter das eingesammelte Geld der Steuerzahler beaufsichtige.» Die relativ geringe Vergütung solcher Posten dürfte im Interessengefüge der Politiker keine große Rolle spielen, schätzt Theisen; bei den Berliner Airport-Kontrolleuren seien es etwa 130 Euro pro Sitzung.
«Das ist von der Anlage her so, dass man sich sagt: Das machst du nebenbei», sagt der Forscher. Damit keine «Fehlkonstruktionen» aus rein politisch besetzten Gremien entstehen, seien die Teilzeit- Wirtschaftler auf die Hilfe von Vollzeit-Profis angewiesen – müssten dies aber selbst einfordern. «Es kann jedenfalls nicht sein, dass ich als Kontrolleur Milliarden unkontrolliert dahinplätschern lasse.»