Mit Pratt & Whitney feiert einer der bekanntesten Motorenhersteller der Luftfahrt sein hundertjähriges Bestehen. Es begann alles mit einer „Wespe“ und führte schon bald zu einer transatlantischen Kooperation. Ein Blick in die Historie.

Aktuell befinden sich, so Pratt & Whitney, mehr als 90.000 seiner Triebwerke im Einsatz. Sie treiben nicht nur zivile und militärische Flächenflugzeuge, sondern auch Hubschrauber an. Hergestellt werden die Produkte der Tochter des Technologiekonzerns RTX von zirka 45.000 Mitarbeitern.

Der Gründer eines Flugmotorenherstellers Namens Pratt & Whitney, Frederick B. Rentschler, erkannte Mitte der zwanziger Jahre das Potenzial eines leichten, luftgekühlten Sternmotors, der eine hohe Leistung und Zuverlässigkeit für die Luftfahrt ermöglichen würde.

Pratt & Whitney, Frederick Rentschler, Vought 02U Corsair
Firmengründer Frederick Rentschler vor seiner privaten Vought 02U Corsair, die von einem Pratt & Whitney Wasp angetrieben wurde. Im Hintergrund der Firmenhangar am Brainard Airport in Hartford, Connecticut. Bild: Pratt & Whitney

Doch woher kam der Name Pratt & Whitney? Dafür muss man ins Jahr 1860 zurückgehen, als Francis A. Pratt und Amos Whitney die Pratt & Whitney Company in Hartford, im US-Bundesstaat Connecticut, für die Produktion von Werkzeugmaschinen gründeten. Der Name „Pratt & Whitney“ ist demnach ein direktes Erbe der beiden Männer, die das Unternehmen ins Leben riefen.

Triebwerke aus Connecticut

Im Jahr 1925 wandte sich Frederick Rentschler an Pratt & Whitney, um Finanzmittel und einen Standort für den Bau seines neuen Flugmotors zu erhalten. Die Firma gewährte ihm ein Darlehen in Höhe von 250.000 US-Dollar, die Nutzung des Namens Pratt & Whitney und Räumlichkeiten in ihrem Gebäude. Dies war der Beginn der Pratt & Whitney Aircraft Company, aus der sich der heutige Flugmotorenhersteller entwickelte. Das Ursprungsunternehmen aus dem Jahr 1860 lebt hingegen in der Pratt & Whitney Measurement Systems Inc. fort, die unter anderem Messsysteme für die Luft- und Raumfahrt produziert.

Lizenzmotor der „Tante Ju“

Im Oktober 1926 erhielt der erste, 425 PS starke R-1340 „Wasp“-Motor von Pratt & Whitney die Zulassung der US-Marine. Sie bestellte 200 Einheiten für ihre frühen Trägerflugzeuge und ebnete damit den Weg für das schnelle Wachstum des Unternehmens. Mit der Entwicklung leistungsstärkerer Varianten trieben die Motoren der Wasp-Familie zahlreiche Flugzeugtypen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts an und spielten eine entscheidende Rolle für den Luftsieg der Alliierten im Zweiten Weltkriegs.
Mehr als 363.000 Motoren wurden während des Konflikts produziert. Allerdings war der Erfolg des „Wasp“ nicht auf die Alliierten im Zweiten Weltkrieg beschränkt. Schließlich schlossen die Bayerischen Motorenwerke (BMW) und Pratt & Whitney am 3. Januar 1928 einen Lizenzvertrag zwischen den beiden Unternehmen.

Pratt & Whitney und MTU

Damit begann schon vor fast neun Jahrzehnten die gemeinsame Geschichte von Pratt & Whitney und der heutigen MTU, die Rechtsnachfolgerin der 1934 ausgegründeten BMW Flugmotorenbau GmbH ist. BMW wollte moderne, luftgekühlte Flugmotoren bauen und erwarb dafür von Pratt & Whitney die Europa-Lizenz für den Nachbau der Sternflugmotoren „Wasp“ und „Hornet“. Unter anderem flog die berühmte Junkers Ju-52 3/m „Tante Ju“ mit den daraus abgeleiteten BMW 132-Motoren.

Start ins Jetzeitalter

Pratt & Whitney, J57, JT3C
Aus dem militärischen J57 entwickelte Pratt & Whitney gegen Ende der 50er-Jahre das zivile Triebwerk JT3C. Mit ihm flogen die ersten US-amerikanischen Langstreckenmuster Boeing 707 und Douglas DC-8. Bild: Pratt & Whitney

Zu Beginn des Jet-Zeitalters gelang Pratt & Whitney der erfolgreiche Wandel von der Ära der Sternmotoren – hin zum Düsenzeitalter. So startete Pan Am im Herbst 1958 mit einer Boeing 707 über den Nordatlantik, die von vier Pratt & Whitney JT3C angetrieben wurde. Auch die ersten Versionen der konkurrierenden Douglas DC-8 flogen mit diesem Triebwerksmuster. Das JT3C, gefolgt von dem ersten Zweiwellen-Turbofantriebwek JT3D, läuteten damit nicht nur eine neue Ära des kommerziellen Flugverkehrs ein, sondern legten auch den Grundstein für die seitdem kontinuierlichen Fortschritte in der Gasturbinentechnologie.

Das Standardtriebwerk von MTU und Pratt & Whitney

Im Jahr 1971 setzte sich die Kooperation zwischen MTU und Pratt & Whitney mit dem JT8D fort, für das die Deutschen Lärm reduzierende Technologien entwickelten.

Pratt & Whitney, JT8D
Schnittzeichnung des JT8D, das eine ganze Generation von Mittelstreckenjets als Antrieb diente. Bild: Pratt & Whitney

Während das JT3C und -3D die Grundlagen für den zivilen Triebwerksbau schufen, war das JT8D ein vergleichsweise noch größerer Wurf. Dieses Triebwerk galt als „der“ Standardmotor für Mittelstreckenjets in den sechziger und siebziger Jahren. Boeing 727, der zeitweilig meistverkaufe Ziviljet, Boeing 737, SE 210 Caravelle 10, 11 & 12, Douglas DC-9, McDonnell Douglas MD-80 und Dassault Mercure 100 – die Liste von JT8D angetriebener Jets ist prominent. Dass die Mercure unfallfrei blieb und somit das sicherste Verkehrsflugzeug aller Zeiten war, ist auch den zuverlässigen Pratt & Whitney-Triebwerken zu verdanken.

Boeing 747, Triebwerk, JT9D, SAS
Die SAS-Chefstewardess, Wiveca Ankarcrona, sitzt 1972 im JT9D-Triebwerk einer Boeing 747-200 der skandinavischen Airline. Solche Aufnahmen waren damals sehr beliebt, um die Größe der Fantriebwerke des „Jumbo Jets“ zu verdeutlichen. Bild: SAS Museum

Anfänglich kein Ruhmesblatt für den Triebwerkshersteller, doch am Ende eine Erfolgsstory, war das JT9D. Die Einführung dieses ersten Antriebs der Boeing 747-100 war zunächst von einer mehrjährigen Pannenserie begleitet. Erst Mitte der siebziger Jahre wandelte sich das JT9D zu einem verlässlichen Antrieb der „Jumbo Jets“.

A321XLR, Pratt & Whitney Getriebefan
Start einer A321XLR zum Erstflug mit dem Pratt & Whitney-Getriebefan. Bild: Airbus

Dass neue Technologien auch heute noch von Kinderkrankheiten geplagt sein können, zeigt der Pratt & Whitney Getriebefan PW 1000 (GTF). Wenn dann noch Produktionsfehler hinzukommen, wie beim GTF passiert, stehen schnell hunderte Flugzeuge ohne Antrieb da. Doch Pratt & Whitney fand auch hier Lösungen, die den GTF wieder flugklar machen – und entwickelte schon die nächste, noch effizientere, leistungsfähigere und zuverlässigere Version in Form des GTF Advantage.