Der Newcomer aus Estland betreibt unter dem eigenen AOC derzeit eine A320neo und setzt darüber hinaus in diesem Sommer noch sechs weitere Airbusse im Wetlease ein – und das bevorzugt von und nach Deutschland. Vertriebshilfe leistet die Unternehmenschwester Condor.

Die junge Fluggesellschaft Marabu kämpft in diesem Sommer mit schlechten Schlagzeilen. Nun gibt es eine erste Reaktion: Der bisherige CEO-Paul Schwaiger legt sein Amt „aus persönlichen Gründen“ nieder. Axel Schefe, bisheriger Condor-Flotenmanager, übernimmt vorübergehend. AERO INTERNATIONAL hat im Frühjahr noch mit Paul Schwaiger über die neue Airline Marabu gesprochen: Welche Verbindung gibt es zur Ferienfluggesellschaft Condor? Wie sieht die Flotte aus? Welche Reiseziele werden angeflogen?

Marabu Fluggesellschaft: Wer steckt dahinter?

Wer ist eigentlich Attestor? Als die deutsche Ferienfluggesellschaft Condor 2021, mitten im zweiten Corona-Sommer, ihren neuen Investor präsentierte, stellte sich diese Frage mehr als einmal. Und Branchenkenner unkten schnell, dass der britische Finanzier die aufgrund der Pleite des früheren Mutterkonzerns angeschlagene Airline nur kaufen, aufpäppeln und schnell wieder verkaufen möchte – mit möglichst hohem Gewinn.

Tatsächlich zeigt der in London sitzende Vermögensverwalter inzwischen aber durchaus mehr und mehr Interesse an der kommerziellen Luftfahrt. Auch langfristiger Natur. Nicht allein, dass das Unternehmen nach wie vor 51 Prozent der Anteile an der Condor besitzt und massiv in deren Flotte investiert. Vor knapp einem halben Jahr hob es zusätzlich noch Marabu Airlines aus der Taufe. Und das gerade zur richtigen Zeit, wie Marabu-CEO Paul Schwaiger – ehemals CEO der SunExpress, zuletzt Vertriebschef der Condor – betont: „Das Timing stimmte. Es herrscht wieder ungebremste Reiselust. Und ich gehe davon aus, dass dieser Trend anhält. Deshalb halten wir es für strategisch klug, jetzt die Grundlage für eine vielversprechende Zukunft zu legen.“

Marabu Fluggesellschaft wird von Condor unterstützt

Tatkräftige Unterstützung leistet dabei die große Schwester aus Kelsterbach bei Frankfurt. Condor kümmert sich um den Vertrieb des Newcomers, sorgt dafür, dass die Plätze an Bord der Marabu gefüllt werden. Und so können sich deren Verantwortliche ums Wesentliche kümmern: den Aufbau der jungen Ferienfluggesellschaft, die wiederum in Tallinn, Estland, eine Heimat gefunden hat.

Marabu tritt mit einer vergleichbar günstigen Kostenstruktur im durchaus hart umkämpften Ferienfluggeschäft an. Foto: Dietmar Plath

Erste essenzielle Schritte sind getan: Seit April liegt das Air Operator Certificate (AOC, zu Deutsch: Luftverkehrsbetreiberzeugnis) der estnischen Zivilluftfahrtbehörde vor, „eine kleine, aber fachlich hochkompetente, sich intensiv kümmernde Behörde“, so Schwaigers Erfahrung. Marabu Airlines sei wirklich auf Herz und Nieren geprüft worden.

Mitte des selben Monats folgten dann die ersten Flüge ab der operativen Basis in München. Ein zweites Nest hat Marabu Anfang Mai im Norden der Republik bezogen. Nach durchaus akribischer Analyse des Marktes im Vorfeld. „Wir sehen sowohl in München als auch in Hamburg genügend Platz für einen weiteren Anbieter. Denn einige Fluggesellschaften haben dort in den vergangenen Jahren ihre Kapazitäten reduziert, beziehungsweise sind komplett aus den Märkten verschwunden. Parallel dazu ist der Bedarf jedoch wieder stark gestiegen, das haben uns die Reiseveranstalter signalisiert. Deswegen war es sinnvoll, auch ab diesen Airports zu starten.“

Ab in den Urlaub mit Marabu Fluggesellschaft

In diesem Sommer werden sowohl im Erdinger Moos als auch an der Elbe jeweils zwei A320neo und eine A321 stationiert. Sie kommen zu touristischen Zielen rund ums Mittelmeer – in Griechenland, Spanien oder Portugal – sowie nach Ägypten zum Einsatz. Und das ersetzend, aber auch ergänzend zum bestehenden Condor-Angebot. Außerdem bietet Marabu ab beiden Standorten zwei Verbindungen pro Woche nach Tallinn an – seit Ende Mai an, pünktlich zum Midsommer, ab München und seit Juli auch von Hamburg aus.

Marabu Airlines beschäftigt derzeit 22 Flugbegleiterinnen und -begleiter (Stand: April 2023). Foto: Dietmar Plath Bild: Diemtar Plath

In der Hansestadt ist der Newcomer mit insgesamt 14 Nonstopzielen besonders breit aufgestellt. „Wir werten es als positiv, dass Marabu ab Tag eins auf Hamburg als Partner setzt. Als Flughafen für den ganzen Norden verfügen wir über ein großes Einzugsgebiet von Niedersachsen bis nach Dänemark – das bedeutet: großes Potenzial gerade für neue Fluggesellschaften“, ließ Dirk Behrens, Leiter Aviation am Flughafen, anlässlich der Basen-Eröffnung nicht unerwähnt, was Marabus Meinung bestätigte.

Marabu Fluggesellschaft: Dritte Basis in Heraklion auf Kreta eingerichtet

Darüber hinaus richten die Esten, überrascht von der großen Nachfrage, relativ kurzfristig eine dritte Basis in Heraklion auf Kreta ein. Auf der größten griechischen Insel, ein touristischer Hot Spot, wurde eine A320ceo stationiert, mit der fünf weitere deutsche Flughäfen bedient werden: Düsseldorf, Frankfurt, Stuttgart, Leipzig/Halle und Nürnberg. „Der kretische Airport ist stark frequentiert. So können wir den Hauptverkehrszeiten dort ein wenig aus dem Weg gehen“, antwortet der Marabu-Chef auf die Frage nach dem „Warum?“.

Augenfällig ist dennoch die Konzentration im ersten Betriebssommer auf den deutschen Markt, und die komme nicht von ungefähr, so Schwaiger weiter. „Es ist der Aufbauphase geschuldet. Hier kennen wir uns aus.“ Er glaube aber schon, dass weitere Märkte in Zukunft eine Rolle für die Marabu Fluggesellschaft spielen werden. „Es wäre interessant zu schauen, welche Möglichkeiten sich im Vereinigten Königreich oder in Osteuropa bieten.“ Jetzt gilt es jedoch erst einmal, zuverlässig durch den Sommer zu kommen, heißt es im Interview im April.

Zuverlässige Weatlease-Partner spielen eine wichtige Rolle

Dabei spielen die Wetlease-Partner der Marabu eine nicht unerhebliche Rolle. Zusätzlich zu der unter dem eigenen AOC registrierten A320neo, dem Airbus mit der Kennung ES-MBU, kommen im aktuellen Sommerflugplan laut Schwaiger drei baugleiche Schwesterflugzeuge zum Einsatz, „die von der Nordica betrieben und bereedert werden, kurzum: in Marabu-Lackierung für uns im Wetlease fliegen“. Außerdem greift der estnische Newcomer auf drei Flugzeuge, zwei A321 und eine A320ceo, von Heston Airlines zurück – eine Fluggesellschaft aus Vilnius, Litauen, „die ein sehr gutes, zuverlässiges Produkt bietet“, so Schwaiger im Frühjahr.

Feuchtfröhliche Begrüßung am Hamburger Airport, wo Marabu Airlines eine Basis bezogen hat. Foto: Dietmar Plath Bild: Dietmar Plath

Bestuhlt sind die A320neo mit 180 Sitzen und die A321 mit 220 Plätzen. Im vorderen Teil der Kabine wird je nach Buchungslage eine flexibel große, durch einen Vorhang abgetrennte Business Class angeboten. Die Sitzabstände sind die gleichen wie in der Economy Class, der Mittelsitz bleibt jedoch für Business-Class-Passagiere frei.

Zum Service gehört ein umfangreiches Speisen- und Getränkeangebot, das allerdings nicht mehr wie in den guten alten Zeiten der Fliegerei kostenlos zur Verfügung steht. „Stattdessen bieten wir ein Buy-on-Bord- sowie ein Pre-Order-Konzept an. Passagiere können also bereits vorab Speisen bestellen. Und ich bin mir sicher, dass die Qualität des Angebots die Kundenwünsche erfüllen wird“, so der CEO. Dazu komme ein breites Bordunterhaltungsprogramm mit Filmen, Serien, Musik und Spielen, die über persönliche Endgeräte streambar sind. Damit sieht sich das Unternehmen wettbewerbsfähig aufgestellt.

Expansion beschlossen – vier eigene Flugzeuge für Marabu

Vor den kommenden Monaten, insbesondere vor dem Winter, in dem europäische Ferienfluggesellschaften erfahrungsgemäß eher Geld verbrennen als verdienen, ist Schwaiger deshalb nicht bange. Im Gegenteil: „Beschlossen ist, dass die drei Nordica-Flugzeuge zum Winter in das Marabu-AOC wechseln werden – und das eventuell sogar mit den Crews. Wir werden dann also mit vier eigenen Flugzeugen unterwegs sein“, gewährt Schwaiger Einblick in die Detailplanungen, von denen der Sommer 2024 jedoch noch ausgenommen ist. „Da haben wir noch nichts entschieden, doch es ist wahrscheinlich, dass dann das eine oder andere Flugzeug noch hinzukommt.“

Zwei von zwölf Piloten: Alexandre Laboury (l.) und Xavier Wylleman, beide aus Belgien. Insgesamt stehen Flugzeugführer aus vier Nationen in Diensten des Newcomers. Foto: Dietmar Plath

Marabu will also wachsen. Auch personell. Doch wie leicht oder wie schwer ist es in Zeiten wie diesen, in denen in etlichen Branchen Fachpersonal fehlt, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu finden? „Zunächst hatten wir uns darauf konzentriert, erfahrenes Kabinenpersonal und erfahrene Piloten – beispielsweise Type Rating Instructors oder Type Rating Examiners – zu gewinnen, was uns gut gelungen ist und was im Zuge des Lizenzierungsprozesses auch wichtig war“, berichtet Schwaiger. Aktuell werden sowohl Kapitäne als auch Copiloten für die A320 sowie Kabinenbeschäftigte für die Basen München und Hamburg gesucht. „Doch dank der bestehenden Wetlease-Verträge können wir uns in Ruhe auf den Winter sowie den kommenden Sommer vorbereiten“, so der Marabu-Chef, der zuversichtlich nach vorn schaut.

Fakten zur Marabu Fluggesellschaft

Gründung: 2022

Erstflug: April 2023

ICAO-Kürzel: MBU

Sitz: Tallinn, Estland

Basen: München, Hamburg, Heraklion

Destinationen: rund 20

Mitarbeiter: 48, davon 12 Piloten, 22 Kabinenmitarbeiter und 14 am Boden Beschäftigte (Stand: April 2023)

Flotte (Stand: April 2023):

Airbus A320neo 4

Airbus A320ceo 1

Airbus A321 2

Internet: www.flymarabu.com