Wenige Stunden vor dem Abflug hat die Airline den Flug gestrichen. Habe ich nun einen Anspruch auf einen Ersatzflug oder eine Rückzahlung? Wir beantworten die wichtigsten Fragen zum Thema Fluggastrechte!

Bereits vergangenes Jahr ärgerten sich viele Fluggäste, weil ihr Flug aufgrund eines Warnstreiks annuliert wurde. Nun wird am BER gestreikt und 300 Starts und Landungen wurden gestrichen. Da kommt bei vielen Passagieren die Frage auf: Bekomme ich bei Streik mein Geld zurück? Die Ansprüche und Fluggastrechte sind nicht jedem Reisenden bewusst. AERO INTERNATIONAL hat Rechtsanwalt Michael Habeck von der auf das Reise- und Fluggastrecht spezialisierten Kanzlei hamburg | reiserecht gebeten, die Rechtslage zu erläutern. AERO INTERNATIONAL erklärt, wann und wie viel Geld Urlauber zurückbekommen oder ob es einen Ersatzflug gibt. Welche Fluggastrechte habe ich eigentlich?

Welche Fluggastrechte habe ich, wenn mein Flug annulliert wird?

Sollte ein Flug annulliert werden, hat man als Reisender die Wahl zwischen zwei Optionen. Zum einen besteht die Möglichkeit eine Ersatzbeförderung „zum nächstmöglichen Zeitpunkt“ mit der eigentlichen Fluggesellschaft oder einer anderen Airline zu wählen. Zum anderen kann eine „Flugpreiserstattung binnen sieben Tagen gewählt werden“. Rechtsanwalt Michael Habeck meint in diesem Fall: „Die Wahl muss von der Fluggesellschaft angeboten werden, was aber nach meiner Beobachtung praktisch durchweg missachtet wird“.

Flug storniert: Habe ich Anspruch auf eine Rückerstattung oder einen Ersatzflug?

Laut Rechtsanwalt Michael Habeck haben Urlauber „Anspruch auf pauschale Ausgleichsleistungen“. Diese sind dabei abhängig von der gebuchten Flugstrecke. Grundsätzlich gelten diese Fluggastrechte:

  • Bei einer Flugstrecke bis 1500 Kilometer: 250 Euro
  • Flugstrecke zwischen 1500 und 3500 Kilometer (sowie alle innereuropäischen Verbindungen): 400 Euro
  • Bei einer Flugstrecke von mehr als 3500 Kilometer: 600 Euro

Es gibt allerdings Umstände, bei welchen kein Anspruch auf eine solche Pauschale besteht. Beispielsweise können sich Fluggesellschaften auf „unvermeidbare außergewöhnliche Umstände“ beziehen. Aus Sicht des Rechtsanwalts Habeck seien Personalmangel, vorsorgliche Streichungen und auch fehlende Mitarbeiter von beauftragten externen Dienstleistern (wie das Personal am Check-In-Schalter), kein Grund diese Pauschale nicht zu zahlen. Anders verhält es sich, wenn kein Einfluss auf solche Personalengpässe genommen werden könne, wie beispielsweise bei Sicherheitsabfertigungen, welche durch den Bund beauftragt werden. Außerdem gibt es Regelungen, die diese Pauschale außer Kraft setzen, wenn die Airline einen Ersatzflug anbietet. Hier ist es entscheidend, wann die Fluggesellschaft über eine Annullierung informiert:

  • Zwischen 14 und sieben Tagen vor Abflug muss das Ersatzflugangebot maximal zwei Stunden vor dem Abflug beziehungsweise maximal vier Stunden nach der eigentlich geplanten Ankunft liegen.
  • Sollte die Fluggesellschaft weniger als sieben Tage vor dem Abflug informieren, so muss sie sicherstellen, dass der Abflug maximal eine Stunde vor und die Ankunft maximal zwei Stunden hinter dem ursprünglichen Plan liegt.

Was besagt die europäische Fluggastrechtordnung?

Grundsätzlich gilt für alle Flüge, welche in der Europäischen Union starten die europäische Fluggastrechtordnung Nr. 261/2004. Wichtig sei laut Habeck außerdem, dass die Ansprüche gegenüber „der ausführenden Gesellschaft“ bestehen. Diese Regel ist insbesondere für sogenannte Codeshare-Flüge relevant: Wenn ein Flug bei der Lufthansa gebucht wird, aber United Airlines den Flug durchführt, ist United Airlines bei Ansprüchen zu kontaktieren.

Im Gegensatz dazu müssen Flüge, welche außerhalb der Europäischen Union starten und durch eine Nicht-EU-Airline durchgeführt werden, durch das „deutsche Leistungsstörungsrecht / Vertragsrecht“ beanstandet werden. Laut Michael Habeck hätten einige Drittländer, wie beispielsweise die Türkei, Großbritannien  oder Kanada  eigene gesetzliche Regelungen, welche in einem solchen Fall anwendbar sind.

Habe ich Anspruch auf eine Übernachtungsmöglichkeit am Abflug-Flughafen?

Wenn die Fluggesellschaft einen Flug kurzfristig stornieren muss und man bereits am Flughafen ist, so sei „eine Unterkunft über Nacht (auch mehrere Nächte) von der ausführenden Fluggesellschaft unentgeltlich anzubieten“. Dies ist der Fall, wenn eine solche Übernachtung notwendig geworden ist, weil die Ersatzflugverbindung erst am kommenden Tag oder später stattfindet. Sollte kein Flughafenhotel zur Verfügung stehen, muss die Fluggesellschaft die Kosten für einen Transfer bis in die Stadt übernehmen und dort ein Hotel zur Verfügung stellen.

Nach Flugstornierung: Bezahlt die Airline meine Verpflegung?

Wichtig ist außerdem, dass einem Urlauber in dem Zeitraum bis zur Ersatzverbindung, Verpflegung und Erfrischung zustehen. Dabei seien die Ansprüche „situationsabhängig“. Während bei geringer Verzögerung im Bereich von wenigen Stunden ein Verzehrgutschein ausreichend ist, verhält es sich bei einer Verlegung auf den nächsten Tag anders. So geht Rechtsanwalt Habeck davon aus, dass Fluggesellschaften in diesem Fall ein komplettes Abendessen sowie ein entsprechendes Frühstück inklusive der Getränke zur Verfügung stellen müssen. Kurios: Das Amtsgericht Düsseldorf hielt 2019 Champagnercocktails und Dessertweine für erstattungsfähig.

Mein Flug hat enorme Verspätung: Welche Fluggastrechte stehen mir zu?

Auch im Falle einer Verspätung kommen einem als Reisende einige Rechte zu. Spannend ist hier, dass die Ansprüche bereits ab drei Stunden Verspätung den Ansprüchen bei Annullierungen gleichen. Zudem kann man Verpflegung und Erfrischungen einfordern. Dies sei „streckenlängenabhängig“ und damit bei kurzen Flügen (bis 1500 Kilometern) bereits ab zwei Stunden gegeben, wohingegen längere Strecken (ab 3500 Kilometern) dies erst ab vier Stunden ermöglichen. Wichtig ist außerdem, dass das Recht auf Flugpreiserstattung des Hin- und Rückflugs „erst ab fünf Stunden Verspätung vorgesehen“ sei.

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