Gleich drei neue Flughafenprojekte sollen die Wirtschaft der Insel nachhaltig verändern und für den Tourismus die Wende zum Positiven einläuten.

Die Fahrt mit dem Auto vom Flughafen Nuuk in die Innenstadt der grönländischen Hauptstadt mit ihren 19 000 Einwohnern am späten Nachmittag gestaltet sich wie vielerorts weltweit: Man steht im Stau, quält sich von einer Baustelle zur nächsten. Und beim verzweifelten Blick gen Himmel nahezu dasselbe Bild, wenngleich dieses eine bessere Zukunft erwarten lässt: Hoch über der Stadt nimmt auf einem Plateau bereits der neue Flughafen Gestalt an. Fast käme man in Versuchung, Nuuk als boomendes „Dubai des Nordens“ zu bezeichnen.

Flughafen Grönland soll Touristen anlocken

Zugegeben: Davon ist Grönland weit entfernt. Doch die formal zum Königreich Dänemark gehörende, autonome Insel investiert derzeit fünf Milliarden Dänische Kronen, umgerechnet rund 670 Millionen Euro, in drei neue Airports. Vier Milliarden fließen in die Flughäfen von Nuuk und Ilulissat. Der Ort ist bei Touristen besonders beliebt. Der dritte Flughafen, Qaqortoq im Süden Grönlands, wird von der grönländischen Regierung finanziert. Die Airports von Nuuk und Ilulissat sollen im vierten Quartal 2024 in Betrieb genommen werden, Qaqortoq ein Jahr später. Derzeit verfügt die Insel über 13 öffentliche Flughäfen und 42 Hubschrauberlandeplätze. Weil es keine Straßenverbindun- gen zwischen den Orten gibt, ist Flugverkehr für die 56 000 Einwohner essenziell.

Die Betreibergesellschaft Kalaallit Airports, 2016 von der Regierung Grönlands gegründet, verantwortet den Bau der neuen Standorte. 65 Prozent aller Passagiere, die auf die Insel reisen, haben Nuuk als Endziel. Doch dorthin zu kommen, ist bislang gar nicht so einfach. Verbindungen existieren via Reykjavik auf Island und größtenteils ab Kopenhagen mit Air Greenland nach Kanger-lussuaq. Von dort aus pendeln an manchen Tagen mehr als zehn Flüge mit der Turbo- prop-Zweimots vom Typ Dash 8 Q200 von und nach Nuuk. Wenn das Wetter es denn zulässt. „Es wird also einen Wendepunkt darstellen, wenn die ersten Flüge von Kopenhagen auf dem neuen Flughafen Nuuk landen. Und ich bin mir sicher, dass andere Fluggesellschaften folgen“, blickt Jens Lauridsen, CEO von Kalaallit Airports, zuversichtlich nach vorn.

Air Greenland wichtiger Bestandteil der Strategie

Air Greenland sei natürlich eng in die Ausbauprojekte eingebunden. Bald könne der Carrier Nuuk als Mini-Drehkreuz für den südlichen Teil Grönlands nutzen. Ilulissat stehe eine Zukunft als kleines Drehkreuz für den Norden bevor. Erstmals können diese beiden wichtigen Ziele nonstop ab Kopenhagen bedient wer- den. Was für Air Greenland wiederum freie Kapazitäten schaffe, um mit den bislang gebundenen Q200 den Inlandsflugverkehr auszubauen.

In Nuuk ist der Bau der neuen Start- und Landebahn in vollem Gang. Die bisherige Piste soll künftig als Rollweg dienen.

In Nuuk soll auf der 2200 Meter langen und 45 Meter breiten Piste auch die neue A330-800 der Air Greenland landen können. Doch mit voller Zuladung wird das neue Flaggschiff dort nicht abheben. Zudem entsteht ein 8000 Quadratmeter großes Terminal mit einer Kapazität von 800 Passagieren pro Stunde. Fluggastbrücken, die das Gebäude mit dem Flugzeug verbinden, werden nicht installiert, da sie wegen der vorherrschenden starken Winde schwierig zu bedienen wären. Nachhaltigkeit ist ein großes Thema: Die Stromversorgung wird deshalb mittels Hydro-Energie bereitgestellt.

Erste Test starten am Flughafen Grönland

Das Abfertigungsgebäude wird zunächst zu Testzwecken eröffnet. Und auch zur Verbesserung der Sicherheit. Erstmals in Grönland soll es Sicherheitskontrollen auf Inlandsflügen geben. „Bei Bedarf können
wir auch Hangars für eine A330 und eine A320 bauen. Wir sprechen grundsätzlich von einem neuen Flughafen“, erklärt Lauridsen. Denn ein Teil der alten Start- und Landebahn von Nuuk soll künftig partiell als Rollweg genutzt werden. Auch die Zuverlässigkeit des Flugverkehrs soll von derzeit 89 Prozent auf 95 Prozent verbessert werden. Vom Sommer an dürften darüber hinaus endlich auch ILS-Anflüge möglich sein.

Weiter nördlich entsteht der neue Flughafen von Ilulissat, der ungefähr die gleiche Größe wie Nuuk haben wird. Das Abfertigungsgebäude ist mit 6000 Quadratmetern jedoch etwas kleiner bemessen. Air Greenland plant vor Ort den Bau eines A320-Hangars, obwohl sie diesen Flugzeugtyp (noch) nicht betreibt.

Der Flughafen Ilulissat verspricht Einiges.

Und dann wäre da ja auch noch Qaqortoq, eine Stadt in Südgrönland, die idyllisch eingebettet von Fjorden liegt. Die Finanzierung für dieses Projekt wurde Anfang Dezember 2021 gesichert. Die Arbeiten umfassen eine neue 1500 Meter lange Start- und Landebahn. Der derzeitige nahe gelegene Flughafen Narsarsuaq wird zu einem Hubschrauberlandeplatz herabgestuft, sobald Qaqortoq in Betrieb geht.

Interesse am Flughafen Grönland groß

Ein Return-of-Investment wird vom ersten Tag an erwartet, wenn sich der internationale Flugverkehr von Kangerlussuaq nach Nuuk verlagert, so Lauridsen. In den vergangenen zehn Jahren verzeichnete Grönland ein starkes Wachstum der Passagierzahlen. Und Lauridsen wird nicht müde zu betonen, dass andere Fluggesellschaften bereits sehr großes Interesse an Grönland signalisiert hätten. „Während der letzten Routes-Konferenz in Bergen baten uns zwei Airlines um Meetings. Es war die Nachricht des Tages, dass Grönland drei Flughäfen baut.“ In Ilulissat gilt es, sich vom alten Terminal zu verabschieden. Das künftige Gebäude wird wesentlich größer als das bisherige sein.

Der CEO des Flughafens Lauridsen ist sich seiner Aufgabe bewusst. Foto: Kurt Hofmann Bild: KH CEO

Icelandair und amerikanische Airlines sollen Flughafen Grönland unterstützen

Lauridsen macht sich nichts vor: Es sei natürlich sehr wichtig, zusätzliche Strecken nach Grönland zu bekommen, doch diese müssten sich auch langfristig etablieren. „Ein neuer Flughafen ist ein Werkzeug, das Möglichkeiten eröffnet“, so der CEO. Ein kürzlich unterzeichnetes Abkommen zwischen Air Greenland und Icelandair solle die Zusammenarbeit stärken, die letztlich mehr Erreichbarkeit schaffen dürfte – und eine wesentlich bessere Konnektivität über Icelandairs Drehkreuz Keflavik nach Grönland. „Wir brauchen mehr davon“, so Lauridsen. Und er sei zuversichtlich, „dass eine US-Fluggesellschaft kommt, die ihre Passagiere beispielsweise in Chicago einsammelt und sie dann von Nuuk aus über Grönland verteilt“.

Ein Experiment mit vielen Variablen

Aber welche Auswirkungen werden die neuen Flughäfen auf Grönland haben? „Wir werden von einem geschlossenen System mit begrenzter Kapazität zu einem System mit offener Kapazität wechseln. Kein anderes Land hat einen solchen Schritt vollzogen. Es ist ein Experiment“, sagt Lauridsen. Um Grönland weiterzuentwickeln brauche es allerdings auch mehr Mitarbeiter. Es gebe nicht genügend Arbeitskräfte im Land und im Grunde auch keine Arbeitslosigkeit. „Meine Sorge ist, dass wir mit anderen Nationen um Beschäftigte konkurrieren, die wir dringend benötigen“, so Lauridsen unmissverständlich. (Text: Kurt Hofmann)