Braunschweig, 24. Januar 2019 Das Auto bei langen Strecken zu teilen, ist schon ganz normal. Nun wollen Mitflugzentralen die Lüfte erobern. Geht es demnächst in der kleinen Maschine eines Hobby-Piloten in den Urlaub? Ein spontaner Trip nach Sylt oder ein Rundflug über das Ruhrgebiet – mit Mitflugzentralen ist das kein Problem mehr. Das Modell: Piloten […]

Braunschweig, 24. Januar 2019

Das Auto bei langen Strecken zu teilen, ist schon ganz normal. Nun wollen Mitflugzentralen die Lüfte erobern. Geht es demnächst in der kleinen Maschine eines Hobby-Piloten in den Urlaub?

Ein spontaner Trip nach Sylt oder ein Rundflug über das Ruhrgebiet – mit Mitflugzentralen ist das kein Problem mehr. Das Modell: Piloten nehmen Passagiere auf ihrer Strecke mit und finanzieren so ihren Flug. In Deutschland ist das Konzept noch eher unbekannt. Die wichtigsten Plattformen für Flüge hierzulande sind Wingly, Flyt.Club und Coavmi. Fragen und Antworten für interessierte Mitflieger im Überblick:

Wer bietet bei den Plattformen Flüge an?

In der Regel stellen Hobbypiloten über die Mitflugzentralen Plätze auf ihrem Flug zur Verfügung. Viele haben gar kein eigenes Flugzeug, sondern leihen eines, zum Beispiel von Vereinen. Das Prinzip ist wie bei Mitfahrzentralen auch: Fliegen ist teuer, die Piloten wollen die Kosten für ihr Hobby reduzieren und nehmen deshalb Gäste mit.

Die gesamte Kommunikation und Abrechnung läuft über die App oder Website der Zentralen. «Um Flüge anbieten zu können, ist eine aktuelle Fluglizenz und ein medizinisches Flugtauglichkeitszeugnis von uns verifizieren zu lassen», erklärt Kim-Julian Becker, Mitgründer von Flyt.club. Außerdem müssen die Piloten mindestens drei Starts und Landungen innerhalb der letzten 90 Tage vorweisen.

Wie sicher sind die Flüge bei Mitflugzentralen?

Neben den Piloten müssen auch die Flugzeuge vor jedem Start ausgiebig geprüft werden. Kunden sollten darauf achten, dass die Piloten ihre Checklisten vor dem Start abarbeiten. Die Missachtung wäre rechtlich fahrlässig. «Die Wartungsvorschriften sind sehr streng», sagt Klaus Rogge, Vorsitzender der Bundeskommission Motorflug beim Deutschen Aero Club. Zudem müssen sich die Flieger in den regulären Luftverkehr einreihen. Sie fliegen zwar in anderen Höhen als Linienflugzeuge, stehen aber trotzdem in Kontakt mit den Lotsen der Flughafen-Tower. Auch das Wetter wird von den Piloten vorher gecheckt.

Welche Strecken und Routen werden angeboten?

Einen Flug im Airbus nach Dubai gibt es bei den Mitflugzentralen nicht. Es handelt sich fast immer um kleine Motorflugzeuge mit zwei bis vier Plätzen. Entsprechend kürzer sind die Strecken. In der Regel gibt es bei den Mitflugzentralen drei Möglichkeiten für Flüge.

Erstens sind das Rundflüge, zum Beispiel über das Ruhrgebiet oder Berlin. Zweitens gibt es Streckenflüge, etwa von Köln nach Essen, aber auch weitere Strecken wie von Augsburg nach Kiel. Auch Flüge ins nahe Ausland kann man auf den Plattformen finden. Zum Beispiel auf die Balearen, nach Großbritannien oder Skandinavien. Die dritte Kategorie sind Ausflüge auf in der Regel kürzere Strecken. Es geht hin und zurück – oft verbunden mit einem Aufenthalt am Zielort.

«Europaweit kann jeder beliebige Flug angeboten werden», erklärt Melanie Engl, Sprecherin von Wingly.

Wer haftet, wenn der Flug ausfällt?

Hat der Passagier bereits bezahlt, bekommt er sein Geld vollständig erstattet, wenn der Flug ausfällt. Eine zusätzliche Entschädigung für einen Flugausfall gibt es aber nicht. Und das kann durchaus passieren. «Das Wetter entscheidet bei Sichtfliegern. Nebel oder Gewitter sind gefährlich», sagt Rogge. Und natürlich kann auch der Pilot kurzfristig absagen. «Zur Einschätzung der Piloten kann der Nutzer auf die Bewertungen und die Flugstunden der letzten Monate achten», rät Becker von Flyt.club.

Betrug ist bei den Mitflugzentralen schwierig: Die Piloten bekommen ihr Geld erst nach dem Flug ausgezahlt. Andersherum können die Kunden in der Regel bis 24 Stunden vor dem Flug stornieren. In anderen Fällen ist direkte Absprache mit dem Piloten nötig.

Wie teuer sind die Flüge bei den Mitflugzentralen?

Die Preise sind sehr unterschiedlich. Die Kosten richten sich nach Größe des Flugzeugs, Flughafengebühren und natürlich der Distanz. Einen Streckenflug von München nach Oslo bietet ein Pilot bei Wingly für knapp 400 Euro an, ein Rundflug über Köln kann man bei Flyt.club für etwa 50 Euro finden. Die Mitflugzentralen leben von der Vermittlungsgebühr, bei Flyt.club sind das zehn Prozent.

Die Mitnahme erfolgt gegen Selbstkostenbeteiligung. «Der Kunde darf nicht die vollen Kosten bezahlen, ansonsten wird es gewerblich», sagt Rogge. Und damit rechtlich problematisch. Auch Ziele nach besonderen Gästewünschen anzubieten, ist schwierig. Offiziell dürfen die Piloten Gäste nur auf ihrer geplanten Strecke mitnehmen.

Für wen sind Mitflugzentralen interessant?

Der Spaßgedanke steht bei Mitflugzentralen klar im Vordergrund. Die Piloten betreiben das Fliegen als Hobby, und auch die meisten Passagiere sehen den Flug eher als besonderen Ausflug. Auch Flüge zu verschenken, ist beliebt. «Es ist gut, dass es das gibt. Man hat Spaß oder es ist schneller als die Bahn», findet Rogge.

Ein Verkehrskonzept sind die Mitflugzentralen eher nicht. Die Piloten fliegen nicht gewerblich, das Wetter hat großen Einfluss. Wer zum Geschäftstermin als Mitflieger anreisen will, geht ein großes Risiko ein. Auch der Familienurlaub ist über die Mitflugzentralen schwierig. Die Flugzeuge sind oft zu klein und haben kaum Platz für Gepäck. Ein kleiner Städtetrip zu zweit wäre aber durchaus denkbar.

Die Plattformen sehen eine Zukunft für das Angebot: «Derzeit vermitteln wir viele Rundflüge, sehen aber viel Potenzial bei Ausflügen und Streckenflügen mit besonderen Zielen», sagt Kim-Julian Becker. Die Strukturen für eine gute Vernetzung wären da. In Europa gibt es laut Wingly rund 3000 Flugplätze.

Julian Hilgers, dpa