Krise am Urlaubsort: Was Help-Teams der Veranstalter leisten
Hannover/Oberursel, 24. März 2016 Der Urlaub soll die schönste Zeit des Jahres sein. Doch Streiks, Naturkatastrophen oder Anschläge können die lange herbeigesehnte Reise jäh unterbrechen. Damit Urlauber in fernen Ländern in außergewöhnlichen Situationen nicht auf sich allein gestellt sind, haben viele Reiseveranstalter spezielle Teams geschult, die sich um die Kunden vor Ort kümmern: Help-Teams, Care-Teams […]
Hannover/Oberursel, 24. März 2016
Der Urlaub soll die schönste Zeit des Jahres sein. Doch Streiks, Naturkatastrophen oder Anschläge können die lange herbeigesehnte Reise jäh unterbrechen.
Damit Urlauber in fernen Ländern in außergewöhnlichen Situationen nicht auf sich allein gestellt sind, haben viele Reiseveranstalter spezielle Teams geschult, die sich um die Kunden vor Ort kümmern: Help-Teams, Care-Teams oder Special Assistance Teams. Sie rekrutieren sich zumeist aus der Belegschaft der Unternehmen.
Das Family Assistance Team von Tuifly hat sich auf die Belange der konzerneigenen Fluggesellschaft spezialisiert, wie Ulrich Heuer sagt. Er ist der Leiter des Krisenmanagements bei dem Veranstalter in Hannover. Bei Thomas Cook in Oberursel ist das Special Assistance Team (SAT) eine gemeinsame Abteilung der Fluggesellschaft Condor und der Reisemarken, zu denen auch Neckermann gehört. „Die Airlines müssen solche Teams schon seit längerem bereithalten“, sagt Mathias Brandes, Sprecher bei Thomas Cook. Aber auch bei den Veranstaltern gibt es die Teams teils schon seit mehr als zehn Jahren.
Das Guest Care Team des Münchener Reiseveranstalters FTI komme bei Naturkatastrophen, Transportunglücken und terroristischen Anschlägen zum Einsatz, erklärt Maren Dose, die Leiterin des Qualitäts- und Krisenmanagements. Ob Aschewolke über Island, Erdbeben in Haiti oder die Flughafenschließung in Bangkok – die Teams der Veranstalter sind in Notsituationen schnell einsatzbereit.
Die meisten Helfer sind in Deutschland stationiert. DER Touristik mit den sechs Veranstaltermarken hat auch in Bangkok, Phuket und Peking sowie in Miami und New York, in Costa Rica und Venezuela sowie in Österreich Teams, sagt Melanie Gerhardt, die Leiterin des Sicherheits- und Krisenmanagements in dem Unternehmen. „An unseren Flughafenstationen haben die Mitarbeiter teilweise zusätzlich eine Help-Team-Ausbildung“, erklärt sie.
Bei anderen Firmen, etwa Thomas Cook, gibt es einige Mitarbeiter in anderen Ländern, die eine Schulung durchlaufen haben. „Wir decken mit den Mitarbeitern insgesamt 26 Sprachen ab“, sagt Brandes. Die meisten kommen aber aus der Zentrale. Alle, die sich in den Help-Teams der Unternehmen engagieren, melden sich freiwillig. „Sie müssen gefestigt sein, um mit Menschen in Ausnahmesituationen umgehen zu können und ihnen eine Hilfe und Stütze sein zu können.“ Bei DER Touristik werden die Mitarbeiter durch ein Assessment-Center ausgewählt und müssen am Ende ihrer mehrwöchigen Ausbildung eine praktische und eine theoretische Prüfung ablegen, erläutert Gerhardt.
Die Freiwilligen sollen auf die verschiedensten Eventualitäten vorbereitet werden. „Referenten dieser Schulungen sind unter anderem Diplompsychologen und Notfallseelsorger, die den Teilnehmern die nötige Sicherheit vermitteln, um in Krisensituationen angemessen auf die Betroffenen und die Angehörigen eingehen zu können“, sagt Heuer. Zu den Schwerpunkten gehörten Auseinandersetzungen mit den Themen Trauer und Tod sowie angemessene Kommunikation in Notlagen. „Empathie ist eine wichtige Eigenschaft der Helfer, denn sie müssen auf die unterschiedlichsten Menschen in Ausnahmesituationen eingehen können“, sagt Brandes.
Die Helfer bekommen vor allem das psychologische Rüstzeug mit, um sich vor Ort um die Gäste zu kümmern. Auch die Grundlagen Erster Hilfe stehen auf dem Programm. Und die Mitarbeiter werden auf andere Mentalitäten, Kulturen und Religionen vorbereitet, sagt Gerhardt. Brandes betont: „Sie sind Ansprechpartner und Helfer, aber sie sind weder Rettungskräfte noch das Technische Hilfswerk.“
Während bei Thomas Cook die grundlegende Schulung zwei Tage dauert und mindestens einmal im Jahr nachgeschult wird, zieht sich die Ausbildung der Helfer bei DER Touristik über mehrere Monate. „Die Teilnehmer erhalten eine psychologische Schulung und lernen in Rollenspielen und Einsätzen unter Echtbedingungen mit original Handakte und Statisten der Schauspielschule ihre persönlichen Grenzen kennen“, berichtet Gerhardt. Am Ende wüssten sie auch, dass Mitfühlen in einer Krise ebenso wichtig sei wie rationales Handeln. Zu einer Krisenabwicklung gehört oft das Zusammenspiel mit der Bundeswehr und den Sicherheitsbehörden dazu. „Insoweit lernen die Teilnehmer klare Bereiche und Verantwortungen abzustecken.“
Wenn ein Unglück, ein Anschlag oder eine andere Katastrophe passiert, werden die Teams zusammengestellt und schnell in die Krisenregion gebracht. „Es haben auch schon Mitarbeiter ihren eigenen Urlaub unterbrochen, weil sie zufällig gerade am Unglücksort waren“, erzählt Brandes. Die Helfer selbst sollen sich dabei nicht in Gefahr bringen, soweit das möglich ist – und sie lernen in ihren Schulungen, selbst mit einer so schwierigen Situation umzugehen.
Aber die Help-Teams betreuen in vielen Fällen auch Krisenhotlines, kümmern sich um das Ausschiffen von kranken Gästen auf Schiffen oder Flügen und erledigen die Nachsorge-Anrufe nach beispielsweise einem Busunfall, bei dem Kunden nur leicht bis gar nicht verletzt wurden, sagt FTI-Frau Dose. Auch bei persönlichen Krisen, wie etwa dem Tod eines nahen Angehörigen, wird geholfen. „Erster Ansprechpartner in der jeweiligen Urlaubsdestination sind die Reiseleiter der jeweiligen Agentur vor Ort“, sagt Dose.
Obwohl der Bedarf an Help-Teams in den vergangenen Jahren gestiegen ist, wissen die wenigsten Urlauber, dass es sie gibt. „Das Care-Team tritt in den jeweiligen Krisensituationen aktiv auf“, sagt Heuer. Sonst hält sich die Sichtbarkeit aber in Grenzen. Bei großen Krisen arbeiten die Teams der Veranstalter vor Ort übrigens zusammen, um die Urlauber möglichst schnell in Sicherheit und schließlich wieder nach Hause zu bringen.